Abgasskandal BGH-Richter versetzen Diesel-Klägern erheblichen Dämpfer

Einen ganzen Stapel an Fällen zum VW-Dieselskandal hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon verhandelt. Quelle: imago images

Mit Zehntausenden Kunden hat sich VW im Dieselskandal schon auf einen Vergleich geeinigt, ohne gerichtliche Entscheidungen abzuwarten. Vor dem obersten deutschen Zivilgericht wird aber nach wie vor über Fälle verhandelt. Am Mittwoch setzten die Richter eine entscheidende zeitliche Grenze.

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Einen ganzen Stapel an Fällen zum VW-Dieselskandal hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon verhandelt. Doch immer wieder müssen die Richter und Richterinnen in Karlsruhe neue und mitunter speziellere Fragen lösen. Auch an diesem Mittwoch.

Worum ging es diesmal?
Zum ersten Mal haben sich die obersten Zivilrichter Deutschlands mit Klagen von Dieselkäufern gegen ihre Autohändler befasst. In allen vier Fällen wollen die Kläger, dass ihre etliche Jahre alten Autos mit dem Skandalmotor EA189 gegen einen Neuwagen getauscht werden. Sie hatten die fabrikneuen Wagen 2009 beziehungsweise 2010 gekauft - und hatten dann sieben, acht Jahre später den Tausch verlangt und geklagt. Die entscheidende Frage dabei ist, ob sie sich vom Händler auf das Software-Update verweisen lassen müssen, weil der Ersatz des Fahrzeugs unverhältnismäßig wäre. VW selbst ist also nicht direkt beteiligt. Ein Unternehmenssprecher bezifferte die Menge der betroffenen Verfahren auf eine mittlere zweistellige Zahl.

Wie haben die Karlsruher Richter geurteilt?
Wer ein vom Dieselskandal betroffenes Neufahrzeug gegen einen Ersatzwagen des Nachfolgemodells tauschen will, muss seinen Anspruch innerhalb von zwei Jahren ab Vertragsabschluss angemeldet haben - sonst hat er Pech gehabt. Die Richterinnen und Richter setzten am Mittwoch eine klare zeitliche Grenze für die Nachlieferung, die es bisher nicht gab. Der Anwalt eines Käufers sprach nach dem Urteil von einem „Schock“. Je nach Fall wies der BGH nun Revisionen zurück oder bestätigte die Urteile. Ein Verfahren muss auch neu verhandelt werden.

Welche Rechte haben Kunden beim Neuwagenkauf?
Das Auto muss laut ADAC fabrikneu sein, darf also keine Mängel infolge längerer Standzeit haben. Zwischen Herstellung des Autos und Abschluss des Kaufvertrages dürften zudem nicht mehr als zwölf Monate liegen. Ein Mangel liegt unter anderem dann vor, wenn dem Neuwagen Prospekt- oder Werbeaussagen fehlen. Konstruktionsänderungen etwa müssten Kunden nur hinnehmen, wenn sie „unerheblich“ und „zumutbar“ sind. In den ersten sechs Monaten nach dem Kauf muss der Verkäufer beweisen, dass das Auto zum Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei war. Danach ist der Käufer in der Beweispflicht. Er muss den Verkäufer laut Autoclub zur sogenannten kostenlosen Nacherfüllung auffordern. „Der Verkäufer darf die Nachbesserung oder Ersatzlieferung nur verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.“

Wie haben die Vorinstanzen entschieden?
Ganz unterschiedlich. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat zweimal den Käufern Recht gegeben und ihren Anspruch auf die Nachlieferung eines Neufahrzeugs „wegen des in der fehlerhaften Software liegenden Mangels des Fahrzeugs“ bestätigt, wie der BGH vorab mitteilte. Anders entschieden das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht und das Saarländische Oberlandesgericht. Sie wiesen die Forderungen nach der Nachlieferung eines mangelfreien typengleichen Neufahrzeugs ab.

Was sind die Argumente gegen einen Ersatz?
Die beiden Gerichte in Saarbrücken und Schleswig führten den Angaben zufolge unter anderem an, ein neues Fahrzeug sei unverhältnismäßig. Die mit mehr als 10.000 Euro zu veranschlagenden Kosten der Nachlieferung überstiegen die Kosten der Nachbesserung von 100 Euro bei weitem, hieß es in dem saarländischen Fall. Die Kläger hätten auch nicht ausreichend dargelegt, dass das Aufspielen des Updates zu neuen Mängeln an dem Fahrzeug führe.

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Wie lauten die Gegenargumente?
Den Punkt der Unverhältnismäßigkeit bewertete das Kölner OLG gänzlich anders. Dies gelte selbst dann nicht, wenn man den vom Händler genannten rund 70 Prozent höheren Beschaffungspreis für das Nachfolgemodell zugrunde lege, hieß es. Denn einerseits reduziere sich der Beschaffungsaufwand für den Händler durch den Restwert des ursprünglichen Fahrzeugs. Und andererseits könne er bei VW Regress nehmen. Das Kölner Gericht war auch der Ansicht, der Kläger müsse keine (kostengünstige) Nachbesserung durch ein Aufspielen des Updates hinnehmen, weil nicht feststehe, dass keine Folgeprobleme entstünden.

Mehr zum Thema: Vor drei Jahren erklärte die WirtschaftsWoche den damals neuen Volkswagen-Chef Herbert Diess zum „fast perfekten Heilsbringer“. Das „fast“ konnte er inzwischen abstreifen. Nun kann er befreit, ausgestattet mit einem neuen Vertrag und vielleicht sogar im Schulterschluss mit Betriebsratschefin Daniela Cavallo den Konzern umbauen wie keiner seiner Vorgänger

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