Abgasskandal Dobrindt lenkt vom Wesentlichen ab

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Dobrindts Glaubwürdigkeit hat gelitten

Mit diesen und anderen Handlungen hat die Regierung über Jahre ein Umfeld geschaffen, in dem Grauzonen bewusst ausgereizt und Einwände von Experten ignoriert wurden. Immer wieder konnte die Industrie ihre Interessen durchsetzen – etwa das Hinauszögern strengerer Testverfahren, die für die Abgaswerte wichtige Motorsteuerung zum Betriebsgeheimnis zu erklären oder dass unliebsame Messergebnisse einfach aus Berichten gestrichen werden, wie Informationen der WirtschaftsWoche zeigen.

Noch ein Problem für Dobrindt: Die Glaubwürdigkeit seiner aufklärerischen Vorstöße hat zuletzt stark gelitten. Grund hierfür ist ausgerechnet die Autoindustrie. Anfang Juni hatte Dobrindt schon einmal zu einer Pressekonferenz geladen.

Damals verkündete er nüchtern und sachlich, dass Audi eine illegale Abgassoftware verwendet habe und deshalb 24.000 Autos zurückrufen müsse. Die Botschaft: Seht her, ich kläre auf und gehe entschlossen gegen die Manipulationen vor, die den Kunden betrügen und der Umwelt schaden.

Nur hat Dobrindt dabei vergessen, wie das eigene kranke System funktioniert: Die Hersteller messen sich erst einmal selbst. Und wenn sich dann mit allen Mitteln nichts mehr verheimlichen lässt, muss man in den sauren Apfel beißen und die zu hohen Messwerte zugeben.

Sprich: Nicht das Ministerium oder das KBA haben die zu hohen Emissionen entdeckt, sondern Audi selbst hat die Unregelmäßigkeiten nach Berlin gemeldet. Über das Vorgehen des bayerischen Bundesministers war man in Ingolstadt dann so empört, dass sich Audi-Chef Rupert Stadler zu einem Interview mit der „Automobilwoche“ hinreißen ließ – in welchem er die Vorgänge klarstellte und Dobrindt die Show stahl. Mit dem Nachsatz, er sei von Dobrindt „persönlich enttäuscht“, watschte Industrieboss Stadler den Minister ungewohnt deutlich ab.

Immerhin eine solche Schmach blieb Dobrindt heute erspart, schließlich ist bei dem KBA-Bericht die Quelle der Messergebnisse klar. Doch viel Applaus für seine Leistungen sollte der Verkehrsminister nicht erwarten: Von den ursprünglich 30 auffälligen Modellen konnten bei gerade einmal zwei Fahrzeugen zu hohe CO2-Werte belastbar nachgewiesen werden – einem Opel Zafira und ein Smart Fortwo. Beide Modelle gelten seit Monaten zu den auffälligsten Fahrzeugen, nicht nur beim CO2, sondern teilweise auch bei den Stickoxiden und Feinstaubemissionen.

Und viel wichtiger: Beide Modelle werden in dieser Form heute nicht mehr gebaut. Das passt in Dobrindts Schema: Der Aufklärer, der nur das aufklärt, was schon alle wissen und nur wenigen in der Industrie wirklich weh tut.

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