Abgastests Aachener Forscher fühlen sich von Autokonzernen missbraucht

Die Aachener Wissenschaftler fühlen sich hinters Licht geführt von der EUGT. Quelle: dpa

Das Institut der Uniklinik Aachen fühlt sich getäuscht. Für die Wissenschaftler seien die wahren Ziele der EUGT nicht ersichtlich gewesen. Künftig wollen sie sich genauer mit dem Geldgeber auseinandersetzen.

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Ein durch Versuche mit dem Reizgas Stickoxid an Menschen in die Kritik geratenes Institut der Uniklinik RWTH Aachen sieht sich von der Autoindustrie hinters Licht geführt. Die von Volkswagen, Daimler, BMW und Bosch ins Leben gerufene Organisation EUGT habe den Eindruck eines seriösen Forschungsförderers gemacht, der in seiner Satzung hehre Ziele verfolge, sagte Institutsleiter Thomas Kraus am Freitag während einer im Internet übertragenen Pressekonferenz in Aachen. Es sei für die Wissenschaftler damals nicht ersichtlich gewesen, dass die Studie für unlautere Zwecke verwendet werden sollte. "Wir hatten zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht den Eindruck, dass EUGT damit Schindluder treiben würde."

Als er später festgestellt habe, wie sich der Forschungsverein im Dieselskandal verhalten habe, sei er kritischer geworden, räumte Arbeitsmediziner Kraus ein. "Im Nachhinein muss man sagen, dass die EUGT sich im Dieselskandal aus meiner Sicht problematisch verhalten hat." Man wolle künftig genauer hinschauen, wie Drittmittelgeber Forschungsergebnisse verwendeten. "Wir haben uns damals mit der Frage des Geldgebers nicht arg auseinander gesetzt", räumte Günther Schmalzing ein, Vorsitzender der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen ein.

Von den Abgastest mit Affen habe er damals nichts gewusst, sagte Kraus. Die durch solche Versuche in den USA in die Kritik geratene "Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" (EUGT) hat auch das Aachener Experiment gefördert, bei dem sich 25 Probanden an dem Institut der Aachener Uniklinik Stickstoffoxid ausgesetzt haben. Anlass der Studie war nach Angaben des Instituts die Debatte über Stickoxid-Grenzwerte am Arbeitsplatz. Die Versuche an Menschen und Affen hatten in der Politik massive Kritik an der Automobilindustrie ausgelöst. Die verantwortlichen Unternehmen distanzierten sich von den Versuchen. Daimler schasste den Mitarbeiter, der den Konzern im EUGT-Vorstand vertrat. VW beurlaubte seinen Cheflobbyisten und BMW befreite einen Mitarbeiter von seinen aktuellen Aufgaben.

Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) verlangte am Freitag in einer Aktuellen Stunde im Bundestag eine konsequente Aufklärung der Vorgänge und ein Umdenken in der Unternehmenskultur. Erste Schritte seien bereits erfolgt. Die Hersteller seien kooperativ und hätten vom Ministerium angeforderte Stellungnahmen bereits geliefert. Sie hätten ähnliche Tests für die Zukunft ausgeschlossen.

Die drei Autobauer hatten den Forschungsverein EUGT 2007 gegründet. Ziel war es, die Gesundheitsfolgen von Schadstoffen wie dem von Dieselmotoren ausgestoßenen Stickoxid zu erforschen. Der Lobbyverein wollte 2014 offenbar nachweisen, dass Dieselabgase weit weniger gefährlich sind als von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt. Ein Jahr zuvor hatte sich Bosch aus der EUGT zurückgezogen. 2017 wurde die Vereinigung aufgelöst.

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