Die Krise ist noch lange nicht überwunden. Die Jugendarbeitslosigkeit in Italien liegt bei weit über 25 Prozent. Jetzt 5000 oder gar 20.000 Arbeiter nach Hause zu schicken, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. In dieser brenzligen Situation habe Marchionne gar keine andere Wahl gehabt, meint Ferdinand Dudenhöffer vom CAR Center Automotive Research. "Modelle zu verschieben, war das einzige, was er machen konnte. Die Kosten müssen irgendwie runter und mit den Gewerkschaften hat er schon verhandelt."
Doch gerade jetzt die Produktpalette weiter auszudünnen, könnte Fiat auf lange Sicht den Todesstoß versetzen.
In diesem Jahr bringt Fiat in Deutschland den Fiat 500 L - einen familientauglichen Van mit bis zu sieben Sitzen - sowie den Fiat 500 L Tracking, eine auf SUV-getrimmte Variante des Vans, auf den Markt. Das war's. General Motors-Tochter Opel steckt ebenso im Absatzloch, ist aber gleich mit drei brandneuen Modellen am Markt: Dem Adam, der in diesem Jahr als Cabrio kommen soll, dem SUV Mokka und dem eleganten Cabrio Cascada. Dagegen fällt Fiat ab. Auf rasant steigende Marktanteile darf Marchionne nicht hoffen. "Bei Fiat fehlen die Zugpferde, da wird erst 2015 wieder etwas Neues kommen", urteilt Christoph Stürmer von IHS Automotive. "In einer solchen Krise hilft nur Mut. Fiat hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie überraschende Konzepte präsentieren können. Der erste Uno etwa kam sensationell an."
Experten prophezeien weiteren Verlust von Marktanteilen
Von diesem Mut ist derzeit nichts zu spüren. Fiat vertritt die Position, dass es sich nicht lohnt, neue Modelle für einen toten Markt zu produzieren. Im vergangenen Jahr konnten aber genau die Hersteller Marktanteile gewinnen, die ihre Produktpalette trotz Absatzkrise ausgeweitet haben - so etwa die koreanischen Hersteller Hyundai und Kia.
Auto-Experte Dudenhöffer geht davon aus, dass Fiat nach der Krise nochmals deutlich Marktanteile verlieren wird. Stefan Bratzel sieht in der aktuellen Entwicklung gar die Vorboten für eine Konsolidierung der Automobilbranche. Nur die finanzstarken und global aufgestellten Konzerne schaffen es in Krisenzeiten in lahmen Märkten weiter mit neuen Modellen auf Kundenfang zu gehen. Stürmer beobachtet etwa Volkswagen. "VW bleibt konsequent bei seinem Produktplan. In schlechten Zeiten gewinnen sie damit Marktanteile, in guten fahren sie die Ernte ein." Die kleineren Hersteller haben langfristig immer weniger Chancen. Marchionne machte seiner Wut auf die Branchenriesen Mitte letzten Jahres unverblümt Luft: VW richte mit seiner Rabattschlacht auf dem europäischen Markt "ein Blutbad bei den Preisen und Margen an".