Abschalteinrichtungen Deutschlands Autobauer sind innovativ – beim Schummeln

Der Fall Porsche Cayenne zeigt: Tricksereien beim Abgas sind Teil eines ausgefeilten, umfassenden Systems. Bei dem betrügerischeren Schauspiel sind die Autokonzerne erstaunlich einfallsreich.

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Quelle: dpa

Von der Ankündigung von Verkehrsminister Alexander Dobrindt, eine bestimmte Modellvariante des Geländewagens Porsche Cayenne mit einem Verkaufsverbot zu belegen, lernen wir vor allem eins: Die Tricksereien und Betrügereien sind Teil eines ausgefeilten, konzernweiten Systems und nicht – wie VW-Chef Matthias Müller noch immer wacker behauptet – „individuelle Fehlleistungen“ einzelner Mitarbeiter.

Sorry, liebe 99 Prozent der anständigen VW-Mitarbeiter, aber man muss so hart sagen: VW leidet nicht an einzelnen kriminellen Mitarbeitern, VW steht für ein kriminelles System.

Dobrindt wusste gestern zu berichten, dass der beanstandete Porsche erkennt, wenn er getestet wird und dann in einen Sauber-Modus schaltet. Das wäre nichts Neues, das ist bei vielen VW-Marken zu beobachten und hat bei VW schon mit weit über 20 Milliarden Euro an Strafen, Entschädigungen und Rückrufkosten zu Buche geschlagen. Neu ist aber die Technik, wie der Porsche die Tests erkannte. Nur wenn ein bestimmter Luftdruck herrschte, ein Schlüssel im Zylinderschoss steckte und das Auto per Hand angeschoben wurde, ging die Schummelei los.

Im VW-Konzern wurde also eine neue Methode zur verbotenen Testerkennung entwickelt und nach (!) dem Auffliegen von Dieselgate auf den Markt gebracht. Und neu ist auch der Ort des Betrugs: Nicht wie bislang in der Motorsteuerung sitzt die Schummelsoftware, sondern im Getriebe.

Eine neue Betrugsmethode, ein neues Versteck für die Software – man ist geneigt von der nächsten Stufe des Skandals zu sprechen. Da fragt man sich, wie lange VW-Chef Müller eigentlich noch öffentlich den Unschuldsengel geben will.

Und Dobrindt ist nicht viel glaubwürdiger: Er hat den betrügerischen Porsche erst angeprangert, nachdem der Spiegel den Fall enthüllt hatte. Kriegen das Kraftfahrbundesamt und das Verkehrsministerium bei Dieselgate eigentlich auch selbst mal etwas auf die Reihe, oder braucht man dazu immer die Medien?

Porsche und VW sind mit ihrer neuen Schummel-Innovation in bester Ganoven-Gesellschaft. Mehr als zehn verschiedenen Methoden kennen Brancheninsider, um Tests heimlich zu erkennen und das betrügerische Schauspiel zu starten.

Da werden Winkel der Lenkung gemessen (wenn ein Auto immer geradeaus fährt, muss es auf einem Prüfstand stehen), da wird gemessen, ob die Motorhaube offen steht (das kommt bei 100 Stundenkilometern in der Regel auch nur im Labor vor) oder, besonders originell, die Orte von Prüflaboren werden heimlich im Navi einprogrammiert (immer wenn das Auto in die Nähe einer Testanlage kommt, ist es plötzlich sauber). Ein Anbieter, der auch sonst mal durch rückständige Technik von sich reden macht, ist auch beim Schummeln sehr bodenständig: Da wird die Abgasreinigung genau nach 20 Minuten gedrosselt (weil die Tests 20 Minuten dauern).

Beliebt sich auch Kombinationen dieser Methoden, wodurch staatliche Prüfer besonders effizient hinters Licht geführt werden.

Man darf festhalten:

1. VW hat ein systemisches Problem, kein „individuelles“.

2. Hätten die Autokonzerne so viel Gehirnschmalz in saubere Antriebe investiert, wie in ausgefeilte Betrugssoftware, dann hätten wir heute wahrscheinlich keinen Dieselskandal, sondern die innovativste, grünste und angesehenste Autoindustrie der Welt.

3. Ich bin stinksauer. Wir Journalisten werden an vorderster Front angelogen, seit Jahren. Es reicht.

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