
Vergangenes Wochenende besuchte Karl-Friedrich Stracke, 56, Chef des Autokonzerns Opel, zusammen mit seiner Frau Gaby das Konzert von Markenbotschafterin Katie Melua im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Andächtig lauschte er dort den Balladen der britischen Sängerin, die aus ihrem neuen Album „Secret symphony“ unter anderem den Titel „Forgetting all my troubles“ zum Besten gab. Vielleicht hat Stracke da schon daran gedacht, die Brocken hinzuschmeißen.
Strackes wichtigste Karrierestationen bei Opel
1979 startet der Maschinenbau-Ingenieur seine Karriere bei Opel als Konstrukteur im Bereich Rohkarosserie.
Nach einem betriebswirtschaftlichen Zweitstudium an der GM-Universität in Flint steigt Stracke 1984 ins Management der Karosseriekonstruktion ein. 1991 übernimmt er die Leitung dieses Bereichs.
Im Jahr 1993 wird Stracke zum Chefingenieur der Fertigungsentwicklung für Pressen und Unterzusammenbauten ernannt.
Als Fertigungsdirektor kommt Stracke 1995 ins Bochumer Opel-Werk. Die Modellanläufe der Modelle Astra und Zafira, ebenso wie die Werksumstellung auf „schlanke Produktionsmethoden“ (Zitat Opel) werden unter seiner Leitung umgesetzt.
1999 übernimmt Strake im Rüsselsheimer Werk die Stelle als Direktor der Produktentwicklung.
2004 wird Stracke Executive Direktor GME Engineering und übernimmt damit die Verantwortung für die Opel/Vauxhall-Produktentwicklung sowie die Saab-Produktkonstruktion in Trollhättan, Schweden.
2006 kommt für Stracke die globale Produktentwicklungs-Verantwortung für Body/Interior und Safety aller GM-Marken hinzu. Zwei Jahre später wechselt er in den Bereich Globale Fahrzeugintegration und Prüffelder. 2009 steigt Stracke zum Vizepräsident des „Global Vehicle Engineering“, den globalen Fahrzeugproduktentwicklungsbereich von GM auf.
Am 11. April 2011 tritt Stracke den Posten des Vorstandsvorsitzenden der Adam Opel AG an. Damit ist er für das weltweite operative Geschäft von Opel/Vauxhall verantwortlich.
Erst im Januar 2012 wird Stracke zum Präsidenten von General Motors Europe ernannt.
Am 12. Juli 2012 tritt Stracke überraschend von seiner Position als Opel-Vorstandsvorsitzender zurück und legt auch den Posten als Präsident von General Motors Europe ab.
Vielleicht fasste er den Entschluss auch erst im Laufe der Woche nach einer Sitzung mit Aufsichtsratschef Stephen Girsky und einer Diskussion über die Fortschritte des Sanierungskonzepts, das der Opel-Chef Ende Mai vorgestellt hatte. Das Ziel war es, den angeschlagenen Autobauer mit einem klaren Wachstumsplan sanieren. "Damit haben wir eine gesunde Grundlage, mit der wir neu durchstarten werden," sagte Stracke vor einigen Wochen in einem Interview mit der "Bild-Zeitung".
Statt Werkschließungen und Entlassungen setze der Konzern auf eine Modelloffensive und Kostenreduktion. "Wir schärfen unsere Marke, setzen auf Export, nutzen clevere Allianzen und verschlanken unsere Produktion. Kurzum: Wir drehen in unserem 150. Jubiläumsjahr jeden noch so kleinen Stein um."
Einer der Steine war wohl eine Nummer zu groß und hat Stracke beim Drehen unter sich begraben: Am Donnerstagnachmittag trat Stracke als Chef von Opel und Präsident von General Motors Europe zurück, Knall auf Fall. Bis geklärt ist, wer die heikle Aufgabe übernimmt, wird Girsky nun selbst das Ruder übernehmen. Als potentielle Nachfolger gelten laut mehreren Medienberichten Thomas Sedran, derzeit Strategie-Manager im Opel-Vorstand, sowie der amtierende Opel-Produktionsvorstand Peter Thom.
Kaum einen Schritt vorangekommen
Zum Abschied gab es noch ein paar warme Worte: „Karl-Friedrich Stracke arbeitete unermüdlich und unter großem Druck, um dieses Geschäft zu stabilisieren.“, ließ GM-Chef Dan Akerson die Öffentlichkeit wissen. Das hört sich besser an als „er mühte sich redlich, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen.“ Denn Opel ist seit Strackes Amtsantritt im April 2011 kaum einen Schritt vorangekommen bei dem Bemühen um eine Stabilisierung des Europa-Geschäfts, die Talfahrt hält unvermindert an.
Der Marktanteil von Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall auf dem Heimatmarkt ist unter sieben Prozent gefallen, die Halbjahresbilanz tiefrot. Kein Wunder, dass der amerikanische Mutterkonzern General Motors Stracke drängte, eng mit dem Allianzpartner PSA Peugeot Citroën zusammenzuarbeiten – auch wenn es den Franzosen derzeit nicht besser geht als Opel. Entwicklungskompetenzen sollten abgezogen werden, die Verantwortung für die Kleinwagen zu PSA verlagert werden. Möglicherweise ist Stracke darüber der Kragen geplatzt. Er soll jetzt zum Trost „Sonderaufgaben“ für GM übernehmen. „Nobody Knows You When You're Down And Out“, sang Melua in Berlin. Stracke kann jetzt mitsingen.