Angekündigter Börsengang Die riskanten Pläne der Auto1-Gründer

Die beiden Auto1-Gründer Christian Bertermann und Hakan Koç sowie Finanzchef Markus Boser. Quelle: Presse

Mit dem anvisierten Börsengang will das Milliarden-Start-up Auto1 seine Plattform Autohero hochziehen, mit dem die Betreiber den Online-Autokauf verbessern wollen. Doch so neuartig ist das Geschäft gar nicht.

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Dieser Titel wird bald veraltet sein: Mitte 2020 hatte die britische M&A-Beratung GP Bullhound die Berliner Jungfirma Auto1 mit rund 3,5 Milliarden Dollar bewertet – und damit war Auto1 das wertvollste, nicht börsennotierte Start-up Deutschlands. Ungültig wird diese inoffizielle Auszeichnung aber nicht deshalb werden, weil Auto1 an Wert verloren hätte, sondern weil das Gebrauchtwagen-Start-up bald in Frankfurt an die Börse gehen wird: Der 4. Februar soll der erste Handelstag werden. So hat es Mitgründer und Chef Christian Bertermann angekündigt.

Wie das Unternehmen in einem Schreiben avisiert, kalkuliert man durch die Ausgabe der Aktien mit einem Erlös von mindestens einer Milliarde Euro. Die Preisspanne soll zwischen 32 und 38 Euro je Aktie liegen. Den Großteil des Erlöses plant Gründer Bertermann vor allem in den Ausbau der Plattform Autohero zu investieren. Das ist jene Plattform, die bislang noch weniger als fünf Prozent zum Auto1-Umsatz von zuletzt 3,5 Milliarden Euro beiträgt. Den Großteil erwirtschaften die Berliner über ihre eingängige und ältere Plattform Wirkaufendeinauto.de, wo sie Privatleuten ihre Wagen abkaufen. Anschließend verkauft Auto1 die Gebrauchtwagen weiter an Autohändler. Doch seit vergangenem Jahr intensiviert Auto1 seine Anstrengungen auf Autohero: hierüber verkauft Auto1 die Gebrauchtwagen selbst an Privatleute – ein potenzieller Konflikt mit den Gebrauchtwagenhändlern, die dadurch ihr Geschäft bedroht sehen könnten.

Auto1 ist das wertvollste, nicht börsennotierte Start-up Deutschlands. Im Interview erklärt Mitgründer Christian Bertermann, wie er nun mit dem Portal Autohero Gebrauchtwagen online an Privatpersonen verkaufen will.
von Stephan Knieps

Firmenchef Christian Bertermann hatte dies im Gespräch mit der WirtschaftsWoche mit dem Argument unterschiedlicher Preise zurückgewiesen: „Die Gebrauchtwagen, die wir an unsere Händler verkaufen, sind im Schnitt nur halb so viel wert wie die, die wir an unsere Privatkunden verkaufen. Das ist also ein ganz anderer Markt, und keine Konkurrenz.“ Doch der Geschäftsführer des Bundesverbandes freier Kfz-Händler, Ansgar Klein, bezeichnete Auto1 als einen „Störer, der sich dazwischendrängt“. Wenn Bertermann und sein Finanzchef Markus Boser ihre Plattform Autohero also demnächst mit bis zu 750 Millionen Euro Kapital ausstatten, dürfte der Unmut der Kfz-Händler nicht kleiner werden.

Prominente, internationale Investoren

Der studierte Betriebswirt Bertermann hat Auto1 2012 gegründet, gemeinsam mit dem Juristen Hakan Koç. Bis zum Jahresende 2020 führten beide die Firma; zum neuen Jahr wechselte Koç in den Aufsichtsrat. Das Start-up hat mit seiner simplen Idee, Autos online aufzukaufen, schnell zahlreiche Investoren überzeugt. Die Liste der Geldgeber ist imposant: Zu den ersten Investoren zählen die Berliner von Cherry Ventures (von Zalando-Mitgründer Filip Dames), die auch in Flixbus investierten. 2015 investierten der Facebook-Investor DST Global sowie die beiden Londoner Wagniskapitalgeber DN Capital und Piton Capital in Auto1. Es folgte das Family-Office Mutschler Ventures aus der Schweiz. In einer weiteren Finanzierungsrunde 2017 beteiligten sich Baillie Gifford aus Edinburgh sowie Target Global und Princeville Global aus San Francisco. Anfang 2018 schließlich gab der Vision Fund des japanischen Technologiekonzerns Softbank rund 460 Millionen Euro – es war die erste „Vision“-Investition in Deutschland. Wie viele Anteile die jeweiligen Investoren erwarben, ist nicht öffentlich. Aber die beiden Gründer Bertermann und Koç halten nach wie vor rund 30 Prozent der Firmenanteile.

Was viele Investoren (und Kunden) überzeugt haben dürfte: Auto1 wuchs schnell und entwickelte Wirkaufendeinauto.de zu einer gewissen Größe auf dem fragmentierten Markt des Autohandels. 2019 verkaufte Auto1 nach eigenen Angaben mehr als 615.000 Autos in mehr als 30 Ländern. Dasselbe wollen die Gründer nun mit Autohero schaffen. Doch hier ist die Konkurrenzsituation eine andere. Bereits seit 1996 gibt es hierzulande Mobile.de, zwei Jahre später startete Autoscout24. Die zwei Portale dürften bei Nutzern, die nach einem neuen Auto suchen, einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad genießen als Autohero. Ein nicht geringer Teil der bald eingeplanten neuen Investitionen für Autohero dürfte demzufolge ins Marketing fließen. „Der Börsengang zeigt, dass man wohl sehr viel Geld braucht, um Traffic auf der neuen Plattform zu erzeugen“, meint auch Ansgar Klein vom Bundesverband freier Kfz-Händler.

Autoscout24 und Mobile.de vermitteln bloß, verkaufen aber nicht

Doch folgt man der Logik von Auto1-Chef Bertermann, sind die beiden Portale keine echten Wettbewerber von Autohero, sondern eher Partner. Der große Unterschied: Autohero besitzt die Gebrauchtwagen, die sie an Privatleute verkaufen, tatsächlich – während Mobile.de und Autocout24 lediglich via Anzeigen Käufer und Verkäufer zusammenbringen. Dieser Unterschied spiegelt sich auch im Umsatz wider: Mobile.de, das seit 2004 zu Ebay gehört, erwirtschaftete 2017 rund 240 Millionen Euro; Autoscout24 setzte 2018 rund 159 Millionen Euro um. Auto1 bringt mehr als das 10-fache auf die Waage.

Doch die Frage wird sein, wie wichtig dieser Umstand den Kunden ist. Bertermann wirbt deshalb auch mit einem Argument aus Kundensicht: den Online-Autokauf mit Autohero besser zu machen „als alle anderen“. So bringt die Firma den Käufern das neue, gebrauchte Auto direkt nach Hause, mittels eines Lastwagens mit einer gläsernen Box auf der Ladefläche. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche im November 2020 sprach er von einer anderen Kundenerfahrung. Doch ganz so neu ist diese Art von Autokauf nicht. Autoscout24 etwa hat bereits im Oktober 2019 den Service „OneClick“ eingeführt: Autokauf im Netz inklusive Autolieferung vor die eigene Haustür. Auch die Koch Gruppe Automobil, die in Deutschland neun Autohäuser betreibt und jährlich rund 9000 Autos verkauft, bietet einen Online-Kauf an.

Mit dem Vertrieb von Gebrauchtwagen an Händler ist Auto1 zu Deutschlands wertvollstem Start-up aufgestiegen. Jetzt wollen die Gründer direkt an Privatkunden verkaufen – und verärgern damit ihre wichtigsten Partner.
von Stephan Knieps

Gleiches gilt für die Züricher Unternehmensgruppe Emil Frey (Umsatz: 10 Milliarden Euro): Die größte Autohändlergruppe in Deutschland mit hierzulande 80 Autohäusern bietet seit Anfang 2020 online bestellte Autolieferungen nach Hause an. Die Resonanz auf dieses Angebot sei „sehr gut“, teilt Emil-Frey-Deutschland-Vertriebsleiter Bernhard Linnenschmidt mit: Bis Ende November 2020 verkaufte Emil Frey in Deutschland „deutlich über 1.000 Fahrzeuge“ online.

International gibt es das Autohero-Geschäftsmodell schon länger: In Großbritannien etwa macht es das 2018 gegründete Start-up Cazoo vor: Dessen Lastwagen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit denen von Autohero. Hinter Cazoo steht einer der alten Investoren einer Firma namens Carspring, die im Frühjahr 2015 von Rocket Internet in London gegründet wurde, aber nicht sehr alt wurde. Cazoo scheint es besser zu machen: Die Firma ist mit rund 2,5 Milliarden Pfund bewertet. Auch in den USA gibt es mit Carvana und Vroom zwei schnell wachsende Jungunternehmen mit ähnlichen Konzepten und Milliardenumsätzen.

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Mit Wirkaufendeinauto.de ist Auto1 in mehr als 30 Ländern aktiv. Autohero dagegen operiert bislang nur in neun europäischen Märkten. Mit den nun durch den Börsengang freigesetzten Mitteln will das Start-up auch nicht die Zahl der Autohero-Märkte erhöhen, sondern vielmehr das Geschäft in den vorhandenen Märkten ausbauen – natürlich auch den im Heimatmarkt. Und damit zurück zu Ansgar Klein, dessen Verband die Interessen von rund 800 Autohändlern vertritt. Machen ihn der anstehende Börsengang und die verbundene Multimillionen-Investitionen in Autohero nun nervös? „Man wird nicht nervös, wenn der Markt lebendig wird.“


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