Arbeitsmarkt Der große Streit um Leiharbeit und Werkverträge

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Die bessere Lösung?

Das Thema Auslagerung gehört trotz der Probleme mit den Beschäftigungsmodellen nicht der Vergangenheit an. Vorbild für eine Lösung könnte der Umgang mit den Scharen externer Entwicklungsingenieure sein, die für die Autokonzerne arbeiten. Bereits heute sind „interne und externe Entwickler räumlich getrennt“, teilt etwa Audi mit. Das werde auch beim Projekt IN-Campus so sein, dessen Bau 2019 in Ingolstadt beginnen soll. Schätzungsweise 6000 externe Ingenieure sind allein bei Audi an der Fahrzeugentwicklung beteiligt. BMW in München bringt die Fachkräfte der beauftragten Ingenieurfirmen ebenfalls in separaten Gebäuden unter und nicht im BMW-eigenen Forschungs- und Innovationszentrum FIZ.

„Off campus“ heißt dieses Prinzip, das bei Porsche in Leipzig nun aber auch für Ärger mit dem Betriebsrat sorgt. Wer verhindern will, dass externe Beschäftigte sich in die eigene Stammbelegschaft einklagen, für den ist räumliche Distanz der Fremdfirmen zum Werkszaun allerdings ein Pluspunkt vor dem Arbeitsgericht. „Diese physische Trennung kann ausschließen, dass es zur Eingliederung der Werkvertragskräfte in die eigene Arbeitsorganisation kommt“, meint Berylls-Berater Kleinhans.

Dass die Industrie Lösungen findet, um ihre Beschäftigungsmodelle mit dem Arbeitsrecht in Einklang zu bringen, hoffen am Ende auch die Gewerkschafter. Dass der Gesetzgeber nun mit einer strengeren Regulierung Leiharbeit und Werkverträge eindämmen will, sieht selbst Uwe Hück skeptisch: Das sei „eine hohe Gefahr für die Flexibilität, die die Unternehmen benötigen“, warnt der Porsche-Betriebsrat: „Jedes Unternehmen atmet ja unterschiedlich und benötigt andere Instrumente, um erfolgreich zu sein.“

Diese Sorge teilt Hück mit den Automanagern. Daimler-Personalvorstand Porth warnt, pauschal verschärfte Regelungen bei Zeitarbeit und Werkverträgen „gefährden ein Wirtschaftssystem, das auf der Zusammenarbeit und Kooperation von kleinen, mittleren und großen Unternehmen beruht“.

Die wichtigsten Auto-Neuerscheinungen
Alfa Romeo Quelle: PR
A wie Audi Quelle: PR
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B wie Bentley Quelle: PR
BMW X4 M40i Quelle: PR
BMW i3 Quelle: PR
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Nun wächst die Sorge, dass es Ansiedlungen wie vor 15 Jahren in Leipzig in Deutschland kaum mehr geben wird und dass die deutschen Automobilstandorte im firmeninternen Wettbewerb um den Bau neuer Modelle künftig den Kürzeren ziehen. Zukunft ade?

Politischer Streit schafft neue Unsicherheit

Henry Kohlstruck etwa, der bis 2015 Geschäftsführer des Münchner Ingenieurdienstleisters Semcon war, glaubt, die Industrie werde – anstatt Mitarbeiter bisheriger Dienstleister einzustellen – zunehmend Aufträge und damit Arbeit ins Ausland auslagern: „In zehn Jahren werden wir nachweisen können, dass durch das Gesetz von 2016 Tausende von Arbeitsplätzen abgewandert sind.“ Das befürchtet auch Berylls-Berater Kleinhans. Allein in der Fahrzeugentwicklung seien 8000 von 55 000 Arbeitsplätzen gefährdet, rechnet der Experte vor: „Effiziente Arbeits- und Organisationsmodelle sind zwingende Voraussetzung für die globale Wettbewerbsfähigkeit. Wer diese durch neue Hürden im Arbeitsrecht aufs Spiel setzt, der gefährdet den Automobilstandort Deutschland. Dann weicht die Industrie ins Ausland aus.“

Während der Arbeitgeberverband Gesamtmetall deswegen Ministerin Nahles lobt, sie habe gegenüber ihrem im Herbst vorgelegten ersten Gesetzentwurf „deutlich nachgebessert“, legt sich nun der Koalitionspartner CSU plötzlich quer – und schafft neue Ungewissheit. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, bei Nahles’ Vorschlägen könne es nicht bleiben. Die CSU sei hier sehr geschlossen.

Nahles mag recht haben, wenn sie dem Bayern erwidert: „Hier geht es nicht mehr um Inhalte, hier geht es offensichtlich um ideologische Schlachten, die geschlagen werden.“ Zum ersten Mal bestehe die Möglichkeit, „die Werkverträge aus einer Grauzone herauszuholen“.

Ein möglicher Trost: Während Nahles sich noch mit der CSU streitet, sind Arbeitsgerichte und Tarifparteien längst dabei, das zu tun.

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