Arbeitsmarkt Der große Streit um Leiharbeit und Werkverträge

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Jeder Zweite gehört nicht dazu

1999 entschied sich Porsche, in Leipzig seinen damals neuen Geländewagen Cayenne zu bauen, und eröffnete das Werk 2002. Die Werksgründung von BMW folgte nur drei Jahre später. Im jungen sächsischen Automobilcluster entstehen heute Limousinen, Coupés, Cabrios, Elektroautos und Geländewagen. Der nach Wolfsburg, Stuttgart und München viertgrößte deutsche Automobilstandort war von Beginn an ein Labor zur Erprobung vernetzter Produktion und schürte die arbeitsmarktpolitische Debatte.

Elementare Aufgaben lassen die Leipziger Hersteller dauerhaft durch Leiharbeits- und Werkvertragsfirmen erledigen. So entstanden Mehrklassengesellschaften von Arbeitnehmern, deren Gruppen sich in Einkommen, Arbeitsbedingungen und Jobsicherheit gravierend unterscheiden.

Das sind die stärksten Autobauer
Platz 16: PSADer schwächste Autobauer im "Automotive Performance Index 2015" des Center of Automotive Management der Hochschulde Bergisch Gladbach ist PSA. Der französische Konzernverbund von Citroën und Peugeot verbessert sich in dem Index zwar auf 10,1 Punkte, kommt aber dennoch nicht vom letzten Platz. "PSA hebt sich durch eine weit bessere Innovationskraft ab, bleibt aber trotz einer leichten Verbesserung aufgrund der im Vergleich niedrigsten Financial Performance auf dem letzten Platz", bilanziert Studienleiter Stefan Bratzel. Quelle: REUTERS
Platz 15: RenaultFür die Studie haben Bratzel und sein Team die größten Autokonzerne der Welt in Sachen "Financial Performance", "Market Performance" und "Innovation Performance" unter die Lupe genommen. Die Finanzkraft trägt 60 Prozent des Endergebnisses bei, die anderen beiden Segmente werden jeweils zu 20 Prozent eingerechnet. Renault kommt in der Summe auf einen API-Wert von 13,1 Prozent und kann sich damit nur wegen der besseren Finanzkraft vor der französischen Konkurrenz halten. Beim Absatz und der Innovationsstärke liegt PSA vor Renault. Quelle: REUTERS
Platz 14: MitsubishiUnter den japanischen Herstellern gibt es eine klare Rangfolge: Gigant Toyota überstrahlt beinahe alles, die kleineren Autobauer laufen eher am Rande mit. Mitsubishi ordnet sich in die Reihe der "Low Performer" ein. Bei der Innovation gibt es eine glatte Null. Einzig die Marktkraft und die finanzielle Stärke helfen den Japanern, auf insgesamt 15,4 Prozent zu kommen. Ausbaufähig. Quelle: REUTERS
Platz 13: SuzukiNur wenig besser sieht es beim japanischen Konkurrenten Suzuki aus: Mit 8,6 Prozent ist im Gegensatz zu Mitsubishi wenigstens etwas Innovation vorhanden, wenn auch nur minimal. Maruti Suzuki gehört aber in Indien zu den größten Autobauern überhaupt. Das sorgt für eine "Market Performance" von 37,8 Prozent und verhilft den Japanern so zu einem API-Wert von 18,5. Quelle: AP
Platz 12: MazdaDas japanische Trio unter den "Low Performern" schließt Mazda ab. Die Marktsituation ist schlechter als bei Suzuki. Da die Finanzkraft, die aus dem Ebit, dem kumulierten Ebit der vergangenen vier Jahre, dem Gewinn pro Pkw, der Marge, der Arbeitsproduktivität und der Marktkapitalisierung errechnet wird, aber stärker ist, rettet sich Mazda mit 18,7 Punkten gerade so auf Rang 12. Quelle: obs
Platz 11: Fiat Chrysler AutomobilesZu den "Low Performern" zählt erstmals auch Fiat-Chrysler. Einzig bei der "Market Performance" (41,2 Prozent) zählt FCA noch zu den "Medium Performern", die Verkäufe kommen aber größtenteils von der amerikanischen Tochter. Bei Fiat selber sieht es mau aus. Mit der niedrigen finanziellen Leistungsfähigkeit und den mangelnden Innovationen im Konzern rutscht FCA mit 21,3 Punkten in die Gruppe der schwächsten Autobauer. Quelle: REUTERS
Platz 10: HondaGemessen an der Marktkraft würde Honda auch zu den "Low Performern" gehören. Eine mittelstarke Finanzkraft und Innovationsstärke heben das Unternehmen in die Gruppe der "Medium Performer". Besonders hervortun können sich die Japaner mit dem Ergebnis aber nicht: 22,7 Punkte sind nur ein bisschen besser als FCA. Quelle: dpa

Die WirtschaftsWoche hat zu den Patchwork-Belegschaften der Werke von BMW und Porsche in Leipzig durch Recherchen bei den Konzernen, Gewerkschaften und Dienstleistern genaue Zahlen ermittelt. Erstmals wurden auch die Leiharbeiter der Subfirmen erfasst.

Das Ergebnis – Stand November 2015: Die Leipziger Werke von BMW und Porsche verzeichnen mehr als 20 Prozent Werkverträge, über 30 Prozent Leiharbeit, einen ausgeprägten Niedriglohnsektor sowie einen hohen Anteil befristeter Arbeit. Nicht einmal die Hälfte der 18 500 Menschen, die in Leipzig Autos für BMW und Porsche bauen – 8300 Beschäftige –, gehören zu den Stammbelegschaften.

Wer bei den Werkvertragspartnern arbeitet, verdient deutlich weniger und arbeitet zu schlechteren Bedingungen als die Stamm- und Leiharbeiter der Autokonzerne selbst. Laut „Sozialreport Automobilcluster Leipzig“ der IG Metall vom September 2015 verdienen die meisten Beschäftigten der Werkvertragsfirmen inklusive Zuschlägen unter 2000 Euro brutto im Monat. Inklusive Stundenlöhnen, Urlaubstagen, Arbeitszeiten und Zuschlägen klafft zwischen den Mitarbeitern von Fremdfirmen und Autobauern eine Lohnlücke von bis zu 30 Prozent. Das mindert die Kosten der Konzerne entsprechend.

Die Unternehmen weisen darauf hin, dass es immerhin zwischen der in- und externen Beschäftigung unter ihrem eigenen Dach berufliche Entwicklungsmöglichkeiten gibt. So seien 60 Prozent der 2100 Mitarbeiter, die BMW in Leipzig von Ende 2010 bis Anfang 2014 fest angestellt hat, zuvor Zeitarbeitskräfte gewesen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Modell-Standort gewerkschaftlich unter Druck gerät.

Herr Hück kämpft für mehr

Uwe Hück ist das Kämpfen nicht nur gewohnt, weil er seit Jahren die Interessen der Porsche-Arbeiter vertritt. Der Betriebsratschef des Konzerns stand auch schon als Boxer mit Exeuropameister Luan Krasniqi und Exweltmeister Francois Botha im Ring. In der nächsten Runde geht es für ihn um Werkverträge und Leiharbeit. Das Leipziger Beschäftigungsmodell, sagt Hück, „hat sich überlebt. Wir sind dabei, das zu korrigieren.“

Der Arbeitnehmervertreter will in Leipzig langfristig „dieselben Standards wie im Stammwerk Zuffenhausen“. Also: keine Leiharbeiter in der Produktion, keine Ansiedlung von Dienstleistern – weder im Werk noch davor. Bis dahin verbessert Hück schon mal die Konditionen der Leiharbeiter: Im Januar hat Porsche Leipzig eine Leistungsprämie für Leiharbeitnehmer von 10 Prozent des Grundeinkommens eingeführt, um ihre Löhne an die der Stammkräfte anzunähern.

VW bleibt trotz Dieselgate vor Toyota
Toyota – 1. Halbjahr 2016Der japanische Branchenprimus, zu dem auch der Kleinwagenbauer Daihatsu Motor und der Nutzwagenhersteller Hino Motors gehören, verkaufte zwischen Januar und Juni global 4,99 Millionen Autos. Das ist ein Rückgang zum Vorjahreszeitraum von 0,6 Prozent. Die ganze Halbjahres-Bilanz auch mit Umsatz- und Gewinnkennzahlen legt der japanische Konkurrent am 4. August vor. Quelle: AP
Volkswagen (Konzern) – 1. Halbjahr 2016Krise? Welche Krise? Die Abgas-Affäre scheint die Auslieferungen bei Volkswagen nicht zu bremsen. Pünktlich zum Halbjahr setzt sogar die schwächelnde Kernmarke zur Wende an. Mit 2,925 Millionen verkauften Volkswagen blieb die Marke zwar knapp unter dem Vorjahresergebnis, die Tendenz im Juni zeigte aber um fast fünf Prozent nach oben. Mit dem starken Juni stehen nach sechs Monaten die Zeichen bei den Verkäufen klarer als zuvor auf Zuwachs: 5,12 Millionen Fahrzeuge – vom VW-Up bis zum schweren Scania-Lkw – sind 1,5 Prozent Verbesserung im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015. Trotz Diesel-Krise steuert der Konzern damit 2016 bisher auf ein Auslieferungsplus zu. Nach fünf Monaten Ende Mai hatte der Zuwachs lediglich bei 0,8 Prozent gelegen. Zumindest als Momentaufnahme scheint der Autobauer damit zehn Monate nach dem Ausbruch der Diesel-Krise eine Durststrecke zu verlassen. Quelle: dpa
BMW – 1. Halbjahr 2016Zwischen Januar und Juni diesen Jahres wurden weltweit 986.557 BMW verkauft. Damit konnten die Münchner im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozent zulegen. Allein im Juni stieg der Absatz um 9,7 Prozent auf 189.097 – mit den Marken Mini und Rolls-Royce kommt der Konzern sogar auf 227.849 Autos (+9,1 Prozent). Für das Plus sorgte demnach vor allem die hohe Nachfrage in Europa und Asien. In den USA dagegen schrumpfte der Absatz. Mit den knapp 190.000 Fahrzeugen im Juli lag BMW vor den beiden Dauer-Konkurrenten Audi (169.000 Autos) und Mercedes (188.444 Fahrzeuge). Doch wie sieht es im gesamten ersten Halbjahr aus? Quelle: dpa
Audi – 1. Halbjahr 2016Zumindest Audi konnte BMW hinter sich lassen. Die Ingolstädter konnten zwar zulegen, mit 5,6 Prozent fiel das Wachstum aber geringer aus als bei der Konkurrenz aus München – genauso die absolute Zahl an Auslieferungen von 953.200 Fahrzeugen. Dennoch ist die Bilanz für Audi positiv. Man habe den Absatz in allen Weltregionen steigern können, sagte Vertriebsvorstadn Dietmar Voggenreiter. Spaß-Modelle wie das TT Cabrio im Bild tragen traditionell wenig zum Volumen bei. Zu den größten Treibern gehörten die Baureihen A4 mit einem Plus von 12,3 Prozent und das Oberklasse-SUV Q7, das es nach dem Modellwechsel im Vorjahr auf ein Plus von satten 73,6 Prozent bringt. Auch für das zweite Halbjahr ist Voggenreiter optimistisch: Dann stehen die Premieren des überarbeiteten A3 und der komplett neuen Baureihen A5 und Q2 an. Quelle: obs
Daimler – 1. Halbjahr 2016BMW und Audi waren gut, Mercedes war besser. So lässt sich das erste Halbjahr zusammenfassen – sowohl beim Wachstum als auch beim Absatz konnte die Marke mit dem Stern die Konkurrenten abhängen. In den ersten sechs Monaten gingen 1.006.619 Mercedes-Benz an die Kunden – das entspricht eine Zuwachs von 12,1 Prozent. Ganz nebenbei der 40. Rekordmonat in Folge für die Marke. Dabei profitiert Mercedes vor allem von den SUV-Modellen, die inzwischen ein Drittel des weltweiten Absatzes ausmachen. „Das zeigt, dass sich unsere Produktoffensive auszahlt und unser rundum erneuertes SUV-Portfolio hervorragend bei den Kunden ankommt“, sagt Vorstandsmitglied Ola Källenius. Zusammen mit den 73.510 verkauften Smart kommt die Pkw-Sparte des Daimler-Konzerns so auf 1,08 Millionen Fahrzeuge. Quelle: dpa
Porsche – 1. Halbjahr 2016Drei Prozent Wachstum auf 117.963 Fahrzeuge. Das sind die Eckdaten des ersten Halbjahres bei Porsche. Der Sportwagenbauer zeigt sich damit zufrieden und spricht von einer „Stabilisierung auf hohem Niveau“. Viele Modelle wie die Baureihen Cayman, Boxster, Macan und der 911er konnten zwar zweistellig wachsen, bei der Limousine Panamera hielten sich die Kunden wegen des anstehenden Modellwechsels aber spürbar zurück. „Die durchweg positive Resonanz auf die Weltpremiere des neuen Panamera Ende Juni stimmt uns sehr optimistisch. Wir erwarten uns davon einen deutlichen Schub“, sagt Marketing- und Vertriebsvorstand Detlev von Platen. Der neue Panamera kann seit dem 28. Juni bestellt werden und steht in Europa ab November beim Händler. In den USA und im chinesischen Markt ist das Auto ab Januar 2017 verfügbar. Quelle: dpa
Toyota – Gesamtjahr 2015Der japanische Autokonzern Toyota hat seine Stellung als weltgrößter Fahrzeughersteller im vierten Jahr nacheinander behauptet und den durch den Abgasskandal gebeutelten Konkurrenten VW auf Distanz gehalten. 2015 verkaufte das Unternehmen 10,15 Millionen Autos, wie Toyota am Mittwoch mitteilte. VW kam im vergangenen Jahr auf 9,93 Millionen verkaufte Autos, General Motors auf 9,8 Millionen. 2016 rechnet Toyota mit einem Absatz von 10,11 Autos. Im vergangenen Jahr lag die Prognose bei 10,1 Millionen Fahrzeugen für 2015 und wurde durch die Realität übertroffen. VW hatte Toyota bei den Verkaufszahlen im ersten Halbjahr 2015 überholt, war dann aber infolge des Abgasskandals wieder zurückgefallen. Die Autoverkäufe auf den großen Märkten in den USA und Japan haben sich verlangsamt. Darüber hinaus hat sich auch das in den vergangenen Jahren stetige Wachstum auf aufstrebenden Märkten abgeschwächt. Das schlägt sich auch in den Toyota-Zahlen nieder: 2014 hatten die Japaner noch 10,23 Millionen Autos verkauft. Quelle: dpa

Alle Autohersteller versuchen derzeit, mit Haustarifverträgen und Selbstverpflichtungen dem Angriff von Gewerkschaften und Politik die Spitze zu nehmen. Vorreiter ist dabei Porsche. Dank einer neuen Betriebsvereinbarung geht seit einem halben Jahr jeder Werkvertrag über den Tisch des Betriebsrates. Hücks Veto ist nicht bindend, hat aber Gewicht. Die Porsche-Dienstleister müssen ihre Beschäftigten nun mindestens nach Branchentarif bezahlen, wobei auf dem Firmengelände ein Mindeststundensatz von 10,50 Euro gilt. Über eine Erhöhung auf 11,50 Euro will der Metall-Gewerkschafter „zeitnah verhandeln“. Ausgerechnet im Porsche-Werk in Leipzig aber gilt die neue Betriebsvereinbarung nicht, obwohl der Anteil der Externen dort höher ist als in den westdeutschen Werken. Das will Hück ebenso ändern.

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