1999 entschied sich Porsche, in Leipzig seinen damals neuen Geländewagen Cayenne zu bauen, und eröffnete das Werk 2002. Die Werksgründung von BMW folgte nur drei Jahre später. Im jungen sächsischen Automobilcluster entstehen heute Limousinen, Coupés, Cabrios, Elektroautos und Geländewagen. Der nach Wolfsburg, Stuttgart und München viertgrößte deutsche Automobilstandort war von Beginn an ein Labor zur Erprobung vernetzter Produktion und schürte die arbeitsmarktpolitische Debatte.
Elementare Aufgaben lassen die Leipziger Hersteller dauerhaft durch Leiharbeits- und Werkvertragsfirmen erledigen. So entstanden Mehrklassengesellschaften von Arbeitnehmern, deren Gruppen sich in Einkommen, Arbeitsbedingungen und Jobsicherheit gravierend unterscheiden.
Das Ergebnis – Stand November 2015: Die Leipziger Werke von BMW und Porsche verzeichnen mehr als 20 Prozent Werkverträge, über 30 Prozent Leiharbeit, einen ausgeprägten Niedriglohnsektor sowie einen hohen Anteil befristeter Arbeit. Nicht einmal die Hälfte der 18 500 Menschen, die in Leipzig Autos für BMW und Porsche bauen – 8300 Beschäftige –, gehören zu den Stammbelegschaften.
Wer bei den Werkvertragspartnern arbeitet, verdient deutlich weniger und arbeitet zu schlechteren Bedingungen als die Stamm- und Leiharbeiter der Autokonzerne selbst. Laut „Sozialreport Automobilcluster Leipzig“ der IG Metall vom September 2015 verdienen die meisten Beschäftigten der Werkvertragsfirmen inklusive Zuschlägen unter 2000 Euro brutto im Monat. Inklusive Stundenlöhnen, Urlaubstagen, Arbeitszeiten und Zuschlägen klafft zwischen den Mitarbeitern von Fremdfirmen und Autobauern eine Lohnlücke von bis zu 30 Prozent. Das mindert die Kosten der Konzerne entsprechend.
Die Unternehmen weisen darauf hin, dass es immerhin zwischen der in- und externen Beschäftigung unter ihrem eigenen Dach berufliche Entwicklungsmöglichkeiten gibt. So seien 60 Prozent der 2100 Mitarbeiter, die BMW in Leipzig von Ende 2010 bis Anfang 2014 fest angestellt hat, zuvor Zeitarbeitskräfte gewesen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Modell-Standort gewerkschaftlich unter Druck gerät.
Herr Hück kämpft für mehr
Uwe Hück ist das Kämpfen nicht nur gewohnt, weil er seit Jahren die Interessen der Porsche-Arbeiter vertritt. Der Betriebsratschef des Konzerns stand auch schon als Boxer mit Exeuropameister Luan Krasniqi und Exweltmeister Francois Botha im Ring. In der nächsten Runde geht es für ihn um Werkverträge und Leiharbeit. Das Leipziger Beschäftigungsmodell, sagt Hück, „hat sich überlebt. Wir sind dabei, das zu korrigieren.“
Der Arbeitnehmervertreter will in Leipzig langfristig „dieselben Standards wie im Stammwerk Zuffenhausen“. Also: keine Leiharbeiter in der Produktion, keine Ansiedlung von Dienstleistern – weder im Werk noch davor. Bis dahin verbessert Hück schon mal die Konditionen der Leiharbeiter: Im Januar hat Porsche Leipzig eine Leistungsprämie für Leiharbeitnehmer von 10 Prozent des Grundeinkommens eingeführt, um ihre Löhne an die der Stammkräfte anzunähern.
Alle Autohersteller versuchen derzeit, mit Haustarifverträgen und Selbstverpflichtungen dem Angriff von Gewerkschaften und Politik die Spitze zu nehmen. Vorreiter ist dabei Porsche. Dank einer neuen Betriebsvereinbarung geht seit einem halben Jahr jeder Werkvertrag über den Tisch des Betriebsrates. Hücks Veto ist nicht bindend, hat aber Gewicht. Die Porsche-Dienstleister müssen ihre Beschäftigten nun mindestens nach Branchentarif bezahlen, wobei auf dem Firmengelände ein Mindeststundensatz von 10,50 Euro gilt. Über eine Erhöhung auf 11,50 Euro will der Metall-Gewerkschafter „zeitnah verhandeln“. Ausgerechnet im Porsche-Werk in Leipzig aber gilt die neue Betriebsvereinbarung nicht, obwohl der Anteil der Externen dort höher ist als in den westdeutschen Werken. Das will Hück ebenso ändern.