Solange Ferdinand Piëch Aufsichtsratschef und Martin Winterkorn Vorstandschef von Volkswagen waren, hätte es solche Drohungen nicht gegeben. Stadler war faktisch unantastbar. Der Betriebswirt Stadler war Zögling der beiden und einer ihrer engsten Verbündeten. Wie nahe er Ferdinand Piëch stand, zeigt die Tatsache, dass er die Geschäfte der Stiftungen des Patriarchen führen durfte, in denen mittelbar Piëchs VW-Aktien gebündelt sind. Anstelle des mächtigen Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch sitzt nun dessen jüngerer Bruder Hans Michel Piëch im Aufsichtsrat. Der erwies sich bislang nicht als große Stütze für Stadler, ebenso wenig wie Piëchs Cousin Wolfgang Porsche, der Clanchef der Porsches.
Selbst wenn Hans Michel sich für den Audi- Chef stark machte, es würde wohl nur wenig nützen: War Ferdinands Wort stets Gesetz bei VW, „hat Michel nicht annähend das Format und die Autorität seines Bruders“, sagt ein VW-Aufsichtsratsmitglied.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Schon im Dezember 2015 – gerade mal drei Monate nach dem Abgang Winterkorns – führten einige VW-Aufsichtsräte dem Audi- Chef die neuen Machtverhältnisse vor. Sie empörten sich in der Presse darüber, dass Stadlers Nebentätigkeit in den Stiftungen des VW-Großaktionärs Ferdinand Piëch angeblich weder vom Konzern genehmigt noch mit den Regeln guter Unternehmensführung im Einklang stehe. Ob Stadler sich inzwischen aus den Piëch-Stiftungen zurückgezogen hat oder das zumindest beabsichtigt, wie Insider berichten, ist unklar. Audi lehnt eine Stellungnahme ab. Im Handelsregister wird Stadler bislang noch als Vorstand geführt.
Die Entwicklungen seien „einfach zusammenzufassen“, so das Resümee eines hochrangigen VW-Managers. „Wir sind in der Nach-Piëch-Ära angekommen.“ Das soll nach Ansicht vieler VWler auch bedeuten, dass Audi weniger arrogant im Konzern auftreten kann. Bescheidenheit war bislang keine Ingolstädter Stärke, war die Marke doch stets der Champion im Konzern.
Als der Skandal im Herbst 2015 bekannt wurde, reagierte Audi mit der typischen Souveränität. Der Betrug sei ein Wolfsburger Thema, hieß es bei Audi, denn bei den in Ingolstadt entwickelten Dieselmotoren sei keine Betrugssoftware installiert worden. Es dauerte nur drei Wochen, bis Stadler einräumen musste, damit falsch gelegen zu haben: Audi habe den Behörden in den USA drei Softwareprogramme verheimlicht, gab Audi kleinlaut zu. Eines davon sei illegal.
Kein Unschuldsengel im Abgasskandal
Weitere Enthüllungen im Dieselskandal zeigten, dass Audi nicht der Unschuldsengel war, der durch Betrügereien in Wolfsburg Schaden nahm, sondern eher zu den Haupttätern zählt. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurde die berüchtigte VW-Betrugssoftware bei Audi erfunden und von dort im VW-Konzern weiterverteilt. „Stadler muss keine direkte Verwicklung in den Skandal nachgewiesen werden“, sagt ein Insider. „Es reicht seine unrühmliche Rolle bei der Aufklärung.“ So könne etwa die bisherige Salamitaktik von Audi dazu führen, dass die US-Behörden besonders hohe Strafen wegen manipulierter Audi-Motoren verhängen – „ein Fehler, der Stadler vom VW-Aufsichtsrat direkt angelastet würde“.
Schon kursieren Namen möglicher Nachfolger. Der frühere Škoda-Chef Winfried Vahland ist dabei. Größere Chancen als der 59-jährige VW-Veteran dürfte allerdings der vier Jahre jüngere Opel-Chef Karl-Thomas Neumann haben. Der Elektroingenieur war nach einer steilen Karriere bei Continental und Volkswagen 2012 von Winterkorn aus dem Konzern gedrängt worden, und das wohl nicht ohne den Segen von Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch.
Winterkorns und Piëchs Abgang – Stadlers Problem – könnte Neumanns Chance sein. Vorausgesetzt, er interessiert sich überhaupt für den Job in Ingolstadt. Auch im Rennen gegen den VW-Konzern weiterzumachen dürfte Neumann reizen. Die Startposition ist vielversprechend: Elektroauto- Experte Neumann hat demnächst einen elektrischen Opel mit über 500 Kilometern Reichweite im Angebot. Audi ist frühestens 2018 so weit.