Es ist eine neue Qualität in der Aufklärung des Abgasskandals: Mit Audi-Chef Rupert Stadler sitzt zum ersten Mal ein aktiver Spitzenmanager des VW-Konzerns in Untersuchungshaft. Die Festnahme auf Betreiben der Staatsanwaltschaft München am Montag kam überraschend. Die Ermittler hatten bei den Durchsuchungen vor einer Woche nach eigenen Angaben Hinweise gefunden, dass der 55-Jährige möglicherweise auf Beweismittel, andere Beschuldigte oder Zeugen Einfluss nehmen könnte.
Weniger überraschend war hingegen, was später am Montag in Wolfsburg geschah. Der Aufsichtsrat von Volkswagen, der ohnehin zu einer Sitzung zusammengekommen war, konnte sich zu keiner Entscheidung über Stadlers Zukunft im Konzern durchringen – sofortiger Rausschmiss, Beurlaubung oder eben ein weiteres Festhalten, wie schon so lange im Abgasskandal. Am Montag konnten sich die Kontrolleure noch zu keiner Entscheidung durchringen. Erst am Dienstag bestätigte das Unternehmen die Beurlaubung Stadlers und die Berufung von Bram Schot zum vorübergehenden Vorstandsvorsitzenden.
Ein wahrscheinlicher Grund für das Ausbleiben der Entscheidung am Montag war, dass sich die Aufsichtsratsmitglieder schlicht nicht einig waren. Während sich einige Mitglieder für eine fristlose Kündigung aufgrund der Schwere der Vorwürfe ausgesprochen haben sollen, wollen andere diesen radikalen Schritt nicht wagen. Die Alternative war und ist die Beurlaubung Stadlers.
Eine fristlose Kündigung – es wäre wohlgemerkt die erste eines VW-Vorstands im Zusammenhang mit dem Abgasskandal – wäre ein starkes Zeichen nach außen gewesen. Es gibt jedoch einen sehr guten Grund, zumindest vorläufig weiterhin an Stadler festzuhalten: „Solange er bei VW unter Vertrag steht, ist er verpflichtet, uns gegenüber Informationen preiszugeben“, zitiert das „Handelsblatt“ Konzernkreise. Dem Gesetz nach müsste er sich im Zweifel sogar selbst belasten. Solange Stadler aber in Untersuchungshaft sitzt, dürften die Juristen von Volkswagen keinen Zugriff auf ihn haben.
Wann Stadler aus der U-Haft kommen kann
Ob und wann Stadler aus der Untersuchungshaft entlassen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Spätestens am Mittwoch soll der Audi-Chef vernommen werden, am Dienstag will er sich erst einmal mit seinem Anwalt besprechen. Laut einem Bericht des „Handelsblatt“ will Stadler noch in dieser Woche gegenüber der Staatsanwaltschaft München II aussagen. „Er ist gesprächsbereit“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem Blatt. Zu dem Termin werde Stadler seinen Anwalt mitbringen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war die Verdunkelungsgefahr der Hauptgrund für die Untersuchungshaft – und sie könnte nach Ansicht von Juristen wieder aufgehoben werden, wenn keine Verdunkelungsgefahr mehr besteht. „Er kann erst einmal bis zu drei Monate in Untersuchungshaft behalten werden, danach lässt sich die U-Haft durch Gerichtsentscheidungen aber weiter verlängern“, sagte der Strafrechtler Carsten Momsen von der Freien Universität Berlin. Ob sie das tut, sei aber keineswegs gewiss. „Wenn es im Fall Stadler um mögliche Beeinflussung von Zeugen geht, muss die Staatsanwaltschaft versuchen, diese Zeugen jetzt schnell zu vernehmen. Danach könnte die Untersuchungshaft wieder aufgehoben werden, wenn keine weiteren Haftgründe vorliegen.“ Momsen hält das für wahrscheinlich.
Aber auch dann könnte die Staatsanwaltschaft noch weiter ermitteln. Am Ende des Ermittlungsverfahrens muss die Behörde dann entscheiden, ob die Beweise ausreichen, um Anklage zu erheben. Unabhängig davon gilt die Unschuldsvermutung für Stadler – zumindest strafrechtlich.





Stadler wies eine Mitwisserschaft oder gar eine Beteiligung stets von sich. Das hat ihm der Aufsichtsrat bislang geglaubt. Noch in der vergangenen Woche hatte das Gremium Stadler den Rücken gestärkt – wohlgemerkt nachdem die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Stadler eröffnet hatte und die Vorwürfe des Betrugs und der mittelbaren Falschbeurkundung bereits formuliert waren. Es gebe keine belastenden Beweise gegen ihn, daher werde er Vorstandsvorsitzender bleiben, begründeten die Kontrolleure ihre Entscheidung.
Mit der Beurlaubung hat der Konzern das weithin sichtbare Zeichen mit einem sofortigen Rausschmiss nicht gesetzt. Klar ist aber das Zeichen, dass die Staatsanwälte gesetzt haben: Der Druck auf den Konzern wird nicht nachlassen. Im Gegenteil.
Mit Material von dpa