Audi-Chefdesigner Marc Lichte Wie Audi 2017 den Neustart zeigen will

Audi hat schwere Jahre hinter sich. Personalien floppten, das Design schlief ein und dann noch der Dieselskandal. 2017 soll ein Neustart für die Marke mit den vier Ringen werden – symbolisiert durch ein neues Design.

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Audi-Design Quelle: Audi

Zunächst schien es so, als käme Audi in der Öffentlichkeit weitgehend unbehelligt um Dieselgate herum. Doch als sich die Wogen insbesondere im Ausland weitgehend längst geglättet hatten, geriet das Ringe-Quartett und ihr Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler wegen Unregelmäßigkeiten bei dem Dreiliter-Diesel und einer anhaltenden Mauertaktik gegenüber den Aufklärungsorganen in den USA doch noch ernsthaft unter Druck.

Für die Audi-Verantwortlichen kam die Weihnachtspause daher gerade Recht. Neues Jahr – neues Glück – heißt es bei den Ingolstädtern wohl mehr als bei jedem anderen Autohersteller aus deutschen Landen. 2017 soll den Neustart bringen und genau der ist dringend nötig. Auf der North American International Autoshow in Detroit will Audi den Startschuss für ein stimmungsvolles Jahr 2017 setzen, das eine Trendwende in der Unternehmensgeschichte sein soll.

Gut, dass man hierfür vorgebaut hat. Die Ingolstädter zeigen in den wenig stimmungsvollen Cobo-Hallen im Herzen von Downtown Detroit ihr bläulich schimmerndes Audi Q8 Concept. Mit großer Verzögerung endlich ein Konkurrenzmodell für den lange enteilten Bestseller BMW X6, der bereits in seiner zweiten Generation unterwegs ist und den ihm plagiativ hinterhereilendem Konkurrenten Mercedes GLE Coupé.

So will Audi dem Einheitsbrei entkommen
Audi-Design Quelle: Audi
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Audi-Design Quelle: Audi
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Das Q8 Concept ist eine Studie im Serienkleid, denn wer dem Blauling unter den eng geschnittenen Rock schaut, wird an der Karosserie gravierende Ähnlichkeiten zum späteren Serienmodell erspähen, das 2018 auf die internationalen Märkte rollt. Das schicke SUV-Coupé mit Designanleihen an Ur-Quattro ruft bei Audi eine neue Designsprache ins Leben – unter der Federführung des Chefdesigners Marc Lichte.

Neuer A8 soll Fortschritt zeigen

Für Marc Lichte, vor knapp drei Jahren von Wolfsburg nach Ingolstadt berufen, um die visuelle Audi-Lethargie endlich zu beenden, gab es seit Ende 2013 hinter zugezogenen Vorhängen alle Hände voll zu tun. Zunächst noch in VW-Diensten kreierte er in abendlichen Überstunden den neuen Audi A8, der im Herbst 2017 in den Handel rollt und den übermächtigen Konkurrenten Mercedes S-Klasse und 7er BMW nicht mehr chancenlos hinterhertrotten soll.

Lichte, gebürtiger Arnsberger mit eingebauten Zeichen-, Segel- und Sportwagengenen, legte nach dem A8 gleich noch die kleineren Brüder A6 und A7 sowie die erst nachträglich kreierte 2014er Los-Angeles-Studie des Prologue nach. „Unseren Modellen fehlte aus Sicht mancher Kunden die nötige Differenzierung“, erklärt Marc Lichte, „das wird sich zukünftig ändern. Jedes Audi-Modell hat einen eigenen Charakter und wird dies in seiner Formensprache zum Ausdruck bringen – sowohl im Exterieur als auch im Interieur.“

Audi hat in Sachen Design dringenden Handlungsbedarf. Die Studien der letzten Jahre verschwanden in Ingolstädter Katakomben und Serienmodelle wie A4, A5 oder Q5 sehen zu sehr nach ihren Vorgängergenerationen aus, teilweise wie aus dem Gesicht geschnitten. Marc Lichte werkelte seit Anfang 2014 zwischen den Welten. Nach drei Jahren Bauzeit eröffnet im kommenden Sommer das neue Designcenter in Ingolstadt. 40 Kreativkräfte können ihren Gedanken unter einem Dach im neuen sechsgeschossigen Bau, 71 Meter lang und 107 Meter breit, nicht zuletzt dank 5.100 Quadratmetern Glasfassade freien Lauf lassen.

Das Audi Q8 Concept dürfte auf der NAIAS 2017 für manch hoch gezogene Augenbraue sorgen. Doch der Trommelwirbel in Richtung A8 wird noch wichtiger, denn er soll innen wie außen ein neuer Designansatz sein und die Marke nach oben positionieren.

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Der etablierte Singleframe-Kühlergrill bleibt bestehen, doch im Gegensatz zum blassen A8 der Gegenwart soll der D5, wie er intern heißt, ein lautes Ausrufezeichen sein. Er wirkt flacher und kraftvoller, während von der Seite insbesondere die stark konturierten Radläufe ins Auge stechen. „Mit dem Audi Q8 Concept und dann in der Serie mit dem Audi A8 wird ein komplett neues Bedienkonzept ohne Schalter eingeführt – ein Grundprinzip, dem alle nachfolgenden Modelle folgen werden“, so Lichte.

Nach dem Design ist die Technik dran

Besucher der CES in Las Vegas konnten im Januar 2016 einen Ausblick auf das zukünftige Cockpit werfen. Noch mehr zeigt der Q8 Concept in Detroit. Die Instrumente sind dabei ebenso animiert wie die beiden Bedieneinheiten in der Mittelkonsole. Schalter gibt es nur noch für Zentralfunktionen wie Warnblinkanlage oder Einparkhilfe. Einen weiteren Schritt nach vorn sollen nicht nur die Innenraumqualität und die Vernetzung, sondern auch Platzangebot im Fond und die Fahrerassistenzsysteme machen. Bis Tempo 130 soll es im Audi A8 und seinem kleineren Gefolge bald teilautonom gehen.

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Alfa Romeo Stelvio Quelle: Alfa Romeo Stellantis
Audi Q2 Quelle: Audi
BMW 7er Quelle: BMW
Bugatti Chiron Quelle: Volkswagen
Hundai iX35 Fuel Cell Quelle: Hyundai
Maserati Levante Quelle: Maserati
Mercedes GLC Coupé Quelle: Daimler

Auch wenn der Diesel gerade im Volkswagen-Konzern mehr denn je unter Druck bleibt und man die selbstzündenden USA wohl endgültig aufgeben muss, dreht sich bei den neuen Aushängeschildern A8, A7, A6 und auch dem Q8-Serienmodell vieles um die effizienten Diesel. Im Gegensatz zu Mercedes und BMW ist der Audi A8 TDI ebenso wie später der 2018er Q8-Serienmodell mit sechs und acht Zylindern verfügbar – inklusive 48-Volt-Technik und Elektroboost. Dieselmotoren, die in der Basiskonfiguration rund fünf Liter Diesel verbrauchen, sind mit 280, 350 und 435 PS verfügbar; – abgesehen vom 435-PS-V8-Diesel auch in A6 und A7.

Audi muss wieder ein Zeichen setzen

Noch kraftvoller geht es bei den Benzinern zu, die bei den Markenaushängeschildern A7/A8 und Q7/Q8 zwischen 250 und knapp 500 PS leisten. Darüber rangiert bei den A8-Luxuslimousine ein 650 PS starker Audi S8 und der A8 Zwölfzylinder mit dem 620 PS starken W12-Triebwerk, das aktuell schon den Bentley Bentayga befeuert. Obligatorisch ist bei allen Modellen Allradantrieb und eine Achtstufenautomatik. Darüber hinaus wird es mehrere Hybridversionen geben. Hier sind Diesel und Benziner mit jeweils sechs Zylindern an ein leistungsstarkes Elektromodul gekoppelt. Auch hier bereitet der kommende A8 den Weg für die kleineren Modelle.

So schlägt sich die zweite Generation
Audi Q5 auf der Straße Quelle: Audi
Audi Q5 auf der Straße Quelle: Audi
Audi Q5 zwischen Pflanzen Quelle: Audi
Audi Q5 auf der Straße Quelle: Audi
Audi Q5 am Strand Quelle: Audi
Audi Q5 Rückbank Quelle: Audi
Audi Q5 Kofferraum Quelle: Audi

Audi muss wieder einmal etwas tun, Zeichen oder am besten gleich Ausrufezeichen setzen. Durch den Dieselskandal, aber auch wechselnde Technikvorstände wurde Audi in den Grundfesten erschüttert. Jetzt sorgt die angespannte Finanzsituation für zusätzlichen Druck, weil die Konkurrenz aus allen Rohren schießt. Schwere Zeiten für den neuen Entwicklungsvorstand Peter Mertens, der, von Volvo kommend, dem viele Jahre an der langen Leine werkenden Entwicklungsteam einen neuen Odem einhauchen muss.

Nachdem das Design für die nächsten Jahre gesetzt ist, muss das Technikteam unter dem ehemaligen Volvo-Mann ab Mitte 2017 nach einem neuen Audi-Kern suchen. Bei Elektroautos ist man alles andere als vorne dran und ob der 2018 auf den Markt kommende Auch e-tron als Einzeldarsteller nennenswert punkten kann, darf bezweifelt werden. Der langjährige Fokus auf Plug-in-Hybride droht zu verpuffen, da sinkende Akkupreise und größere Reichweiten die ebenso schwere wie kostenintensive Kombination aus Elektromotor und Verbrenner schon bald obsolet werden lassen könnten.

Was Audi in Zukunft baut – und was nicht mehr
Virtuelles Cockpit Quelle: Audi
Autonomer „Jack“ Quelle: dpa
Das Elektro-SUV Quelle: Audi
Forschen am Neckar Quelle: Audi
Kosten der Karosse Quelle: dapd
Streichmodell A1 Zweitürer Quelle: Audi
Streichmodell A3 Zweitürer Quelle: Audi

Das wird auch Peter Mertens wissen. Er wird bei Audi alle Hände voll zu tun bekommen und dann ist das immer noch das strenge Gerüst des Konzerns. Die Arme aus Wolfsburg sind ebenso lang wie stark und in den letzten Monaten bekam Porsche bei immer mehr wichtigen Themen die Entwicklungsführerschaft im Konzern – Beispiel: Aufbau der Ladeinfrastruktur, wo die VW-Marken zusammen mit BMW, Daimler und Ford europaweit an einem Strang ziehen.

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