Audi-Jahreszahlen Der VW-Gewinnbringer muss liefern

Am Donnerstag stellt mit Audi die erste VW-Tochter ihre Zahlen für das Jahr 2015 vor. Trotz Dieselgate wird Audi-Chef Stadler Milliarden-Gewinne verkünden. Die größte Herausforderung kommt aber noch.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Audi-Chef Rupert Stadler will auf dem Genfer Autosalon. Quelle: dpa Picture-Alliance

Eine Panne mit Symbolcharakter: Am Dienstag stellte Audi-Chef Rupert Stadler auf dem Genfer Autosalon mit dem Q2 einen neuen Hoffnungsträger vor. Drei der kleinen Mini-SUV sollten bei der Pressekonferenz eigentlich auf die Bühne fahren. Es kamen nur zwei.

Der Wagen, in dem die Ex-MTV-Moderatorin Mirjam Weichselbraun saß, blieb stehen. „Ich glaube, jemand hat das Licht brennen lassen über Nacht“, sagte Weichselbraun zunächst lachend. Ein Techniker fuhr das Auto dann wenig später ohne Probleme vor. „Wir hatten jetzt kurz mal in der ersten Reihe Schnappatmung“, kommentierte Stadler die Panne.

Schnappatmung wegen eigener Versäumnisse darf sich Audi bei dem Verkaufsstart des Q2 im Herbst nicht erlauben. Im vergangenen Jahr sind die Ingolstädter im Dreikampf der deutschen Premium-Marken auf den letzten Rang zurückgefallen.

Mercedes, in der Endabrechnung 2015 noch auf dem zweiten Platz, hat zu Beginn des Jahres den Vorsprung ausgebaut. Auch BMW liegt noch vor Audi. Ein Mini-SUV wie der Q2, das bei den beiden Konkurrenten derzeit noch im Angebot fehlt, könnte Audi beim Absatz 2016 auf die Sprünge helfen.

Könnte. Oder muss.

Audi schrumpft den Q3
Wenn es bei all den Zukunftsthemen Elektroauto, Connectivity und autonomen Fahren einen Trend in der Autobranche gibt, dann ist es der SUV-Boom. Alleine in Deutschland wurden 2015 knapp 600.000 der halbwegs geländegängigen Fahrzeuge verkauft – ein Plus von 13,3 Prozent zum Vorjahr. Getrieben wurde dieses Wachstum nicht nur von immer neuen Kompakt-SUV und großen Geländewagen, sondern vor allem von Mini-SUV. Quelle: Audi
In der Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamts sind der Opel Mokka (+ 12,1 Prozent) und der Renault Captur (+ 18,9 Prozent) die großen Gewinner. Wer bislang bei einer der Premiummarken ein Mini-SUV gesucht hat, wurde nicht fündig – unterhalb der Kompakten Audi Q3, BMW X1 und Mercedes GLA gab es kein Angebot. Das holt Audi mit dem Q2 nach, der im März auf dem Genfer Autosalon seine Premiere gefeiert hat. Quelle: Audi
Um den hausinternen Abstand zum Verkaufsschlager Q3 zu wahren, hat Audi das Mini-SUV nochmals gekürzt. Mit 4,19 Metern ist der Q2 fast 20 Zentimeter kürzer. Er misst 1,51 Meter in der Höhe und ist 1,79 Meter breit. Der Radstand liegt bei 2,60 Meter – genau wie bei zweitürigen A3, auf dem er aufbaut. Im Gegensatz zu vielen anderen SUV, die mit ihrer Größe protzen, taugt der Q2 mit seinen kompakten Abmessungen eher für den Großstadtdschungel als das schwere Gelände. Quelle: Audi
Optisch hebt sich der Q2 von vielem ab, was derzeit bei den aktuellen Audi-Modellen üblich ist. Der große Singleframe-Kühlergrill ist zwar immer noch obligatorisch, aber anders geformt und wirkt somit frischer. Die in Kontrastfarbe lackierten Blades auf der C-Säule und die Heckleuchten hat man in dieser Form bei Audi noch nicht gesehen. Gerade die LED-Rücklichter waren bislang eher flach und zogen sich bis in die Heckklappe hinein. Quelle: Audi
Bei der S-Line-Ausstattung (links im Bild) fällt die Offroad-Beplankung dezenter aus. Hier stehen sportliche Elemente wie der angedeutete Diffusor am Heck oder der integrierte Dachspoiler im Vordergrund. Die Blades an der C-Säule sind aus auffälligem Aluminium gefertigt. Quelle: Audi
Auch an der Front hebt sich das S-Line-Modell von seinem Offroad-Bruder mit angedeutetem Unterfahrschutz ab – die robuste Ausstrahlung haben aber beide. Im Gelände wird man sie dennoch eher selten sehen. Die flachen Scheinwerfer arbeiten gegen Aufpreis mit LED-Technik. Quelle: Audi
Die Platzverhältnisse im Innenraum dürften ausreichend, aber nicht üppig werden. Im Gegensatz zu dem dreitürigen A3 wird es aber SUV-typisch etwas mehr Kopffreiheit geben. Quelle: Audi

Mit dem vergangenen Jahr, zu dem Audi am Donnerstag die Bilanz vorstellt, muss sich Stadler nicht mehr beschäftigen. Trotz des Mitte September ausgebrochenen Dieselskandals liefen die Geschäfte gut. Die Verkäufe sind im vergangenen Jahr um 3,6 Prozent auf 1,803 Millionen Fahrzeuge gestiegen. Der Umsatz dürfte entsprechend zugelegt haben. Ob Stadler allerdings wieder einen Gewinn um die fünf Milliarden Euro wie im Vorjahr präsentieren wird, hängt vor allem davon ab, ob und wie viel Audi für den Abgas-Rückruf sowie mögliche Schadenersatz- und Strafzahlungen zurückstellt.

Audi ist die Cashcow im VW-Konzern

Die Bilanz von Audi ist auch für die Konzernmutter Volkswagen von enormer Bedeutung. Zusammen mit der Sportwagen-Tochter Porsche, die kommende Woche ihre Jahreszahlen vorstellt, steuerte Audi in der Vergangenheit rund zwei Drittel des gesamten Konzerngewinns bei. Dabei entfällt nur rund ein Fünftel der Verkäufe auf die beiden Premium-Marken.

Die beliebtesten Automarken der Deutschen

Trotz des Abgasskandals können einige Fakten Stadler froh stimmen. „2015 hat gezeigt, dass Audi wetterfest aufgestellt ist“, sagte der Audi-Chef noch im Januar. Den Nachfragerückgang in Audis wichtigstem Einzelmarkt China (571.000 Fahrzeuge, -1,4 Prozent) konnten die USA (202.000 Fahrzeuge, +11 Prozent) und Europa (800.000 Fahrzeuge, +4,8 Prozent) ausgleichen. Nach dem Start des neuen A4 in Europa schnellte der Absatz hier im Dezember um 17,5 Prozent hoch. Audi erhofft sich hier und mit dem Q2 einen weiteren Wachstumsschub.

Audis Herausforderungen 2016

Doch Stadler steht auch vor Herausforderungen:

  • In China normalisiert sich der Markt. Dennoch hat Audi stärker verloren als andere Marken. Während der Gesamtmarkt rund fünf Prozent im Plus lag, hat Audi weniger Autos verkauft als im Vorjahr.
  • Das neue Werk im mexikanischen Puebla steht vor dem Produktionsbeginn des neuen Q5. Die Bänder sollen Mitte 2016 anlaufen. Das Hochfahren eines neuen Werks ist eine komplizierte Angelegenheit, wie der VW-Konzern schon in mehreren europäischen Werken zu spüren bekam.
  • Die Diesel-Variante des großen SUV Q7, hierzulande seit dem vergangenen Mai im Verkauf, sollte in den USA Anfang 2016 starten. Nach dem Abgasskandal wurden die Pläne vorerst auf Eis gelegt. Der Effekt auf die gesamten US-Zulassungen dürfte aber überschaubar bleiben. Noch offen ist, wie es überhaupt mit dem Diesel in den USA weiter geht.
  • Zudem beginnt für Audi im März die Stunde der Wahrheit bei dem Rückruf der vom Dieselskandal betroffenen Autos. 531.000 Audis sind alleine in Deutschland betroffen. Zunächst muss der A4 mit 2-Liter-TDI-Motor in die Werkstatt. Bis Mitte des Jahres werde dann schrittweise auch die Motor-Software der anderen Audi-Modelle mit dem gleichen Motor erneuert, so ein Sprecher. Der Rückruf für die Wagen mit 1,6-Liter-Dieselantrieben folge ab September. Bis Ende des Jahres soll der Großteil der in Deutschland betroffenen Audis umgerüstet sein. Dann, so die Hoffnung in Ingolstadt, kann das Kapitel Abgasskandal geschlossen werden.
SUV-Flut am Genfer See
VW T-Cross Breeze Quelle: Volkswagen
Audi Q2 Quelle: Audi
Skoda Vision S Quelle: Skoda
... bereits die Serienversion eines SUV auf dem Genfer Messestand. Der Ateca kommt als erstes SUV der Marke im Sommer in den Handel, die Preise starten bei 19.990 Euro. Der Ateca ist mit 4,36 Meter Länge etwas kürzer als der VW Tiguan und bietet 510 Liter Kofferraumvolumen (Allrad: -25 Liter). Er wird mit Benzin- und Dieselmotoren von 115 PS bis 190 PS und in Allrad- und Frontantriebsversionen mit Schalt- oder Direktschaltgetriebe (Doppelkupplung) angeboten. Gegen Aufpreis sind auch Voll-LED-Scheinwerfer, ein Stauassistent und ein modernes Infotainment-System erhältlich. Quelle: Seat
Borgward arbeitet fleißig am Comeback: Nach dem - auf der Frankfurter IAA gezeigten - großen BX7 stellt der deutsch-chinesische Autobauer in Genf den kompakten BX5 vor. Außerdem ist auf dem Messestand noch der BX6 TS, die Studie eines SUV-Coupés, zu sehen. Schon bei dem zweiten Modell aus der Feder von Design Director Roland Sternmann ist bereits eine Art Familien-Gesicht zu erkennen. Zumindest von außen, denn die Fenster sind abgedunkelt und die Türen bleiben in Genf noch verschlossen – den Innenraum will Borgward erst auf der Auto China Ende April in Peking zeigen. Quelle: Borgward
Ford zeigt in Genf den überarbeiteten Kuga. Er ist voraussichtlich ab Sommer bestellbar, die Markteinführung in Deutschland ist für Anfang 2017 geplant. Das Kompakt-SUV erhält das weiterentwickelte Kommunikations- und Entertainmentsystem Sync 3 mit App-Link und acht Zoll großem Touchscreen, das ab Sommer zunächst in anderen Baureihen Einzug hält. Das Notbremssystem Active City Stop wird ebenso erweitert wie der Parkassistent, der künftig auch Querlücken meistert. Ein 120 PS starker 1,5-Liter-Diesel ersetzt den bisherigen Zwei-Liter-Motor. Äußerlich bleibt es bei einigen leichten Retuschen an Front und Heck mit neuen Scheinwerfern und Rückleuchten. Quelle: Ford
Maserati will hoch hinaus: Neben den Sportwagen und Limousinen wird der Levante das erste SUV der Marke. Das neue Modell soll zusätzlich zu Quattroporte, Ghibli, Gran Turismo und Gran Cabrio angeboten werden. Die Produktion ist bereits angelaufen, da die Markteinführung in Europa noch für dieses Frühjahr geplant ist Die spitz zulaufenden Scheinwerfer der Frontpartie sind in zwei Einheiten unterteilt, wobei die obere mit dem Kühlergrill verbunden ist. Die Design-Handschrift von Maserati ist auch von der Seite deutlich erkennbar: die drei typischen Luftauslässe an dem vorderen Kotflügel, die trapezförmige C-Säule mit dem Saetta-Logo und die großen, rahmenlosen Seitenfenster. Das Heck wird von einer sehr schräg stehenden Heckscheibe und der Stromlinien-Kontur beherrscht. Der Levante  verbindet – wie bei SUV üblich –  On-Road-Fahreigenschaften mit gutem Handling auf schwierigem Untergrund und im Gelände. Alle Versionen verfügen über eine mehrfach einstellbare Luftfederung mit elektronischer Dämpferkontrolle, das intelligente Allradsystem Q4 und ein speziell auf den  Levante  abgestimmtes Acht-Gang-Automatikgetriebe.  Quelle: Maserati

Bis dahin wird Stadler nicht untätig bleiben. Bis Mai will der Audi-Chef eine neue Strategie ausarbeiten und – wie alle Konkurrenten – die Vernetzung der Fahrzeuge stärker in den Fokus rücken.

„Wir sind heute zu langsam, zu traditionell“, sagte Stadler dem „Handelsblatt“. Künftig müsse der Hersteller nicht mehr nur Autos bauen, sondern Mobilität vermitteln. „Unsere Aufgabe wird es sein, dass wir beide Welten beherrschen.“ Das Unternehmen werde eines Tages die Hälfte des Umsatzes in diesen neuen Feldern erwirtschaften.

Helfen soll dabei ein „Chief Digital Officer“, den Stadler direkt beim Vorstand einsetzen will. Dieser Manager soll sämtliche Geschäftsprozesse auf digitale Tauglichkeit prüfen – analog zu Johann Jungwirth. Der hat dieselbe Stelle auf Konzernebene inne.

Außerdem soll in der Entwicklung das Konzept „schneller Brüter“ verstärkt werden: Kleinen, von den etablierten Abteilungen losgelöste Entwicklungsteams sollen neue Prozesse und Produkte rund um das vernetzte Fahren entwickeln. Man müsse in neue Technologiefelder investieren, „die zunächst noch nicht die großen Renditebringer sind“, so Stadler.

In Zukunftsfeldern liegen andere vorne

Was banal klingt, ist ein großer Bruch bei Audi. Lange fiel es den Ingolstädtern schwer getan, in entscheidenden Momenten voranzugehen. Der Slogan „Vorsprung durch Technik“ verlor zunehmend an Glaubwürdigkeit.

Während BMW sein Elektroauto-Programm mit eigenständigen Elektro-Modellen unter der Submarke BMW i vorantreibt und in eine aufwändige Kohlefaser-Fertigung für i3 und i8 investiert hat, fehlte es bei Audi an Mut. Der R8 e-tron, auf Basis eines bestehenden Modells mit Verbrennungsmotor, war fertig entwickelt und bereits PR-wirksam über die Nordschleife geschickt worden. Auf den Markt kam er nie. Ein Patzer, der dem damaligen Entwicklungschef Wolfgang Dürheimer schwer angelastet wurde.

Mit dem Beschluss zu dem Q6 e-tron quattro, der ab 2018 als luxuriöses Elektro-SUV zum Tesla-Gegner aufsteigen soll, haben sich Stadler und seine Mannen ebenfalls lange Zeit gelassen. Immerhin aber ist die Entscheidung dieses Mal für das womöglich nicht rentable Elektro-Modell gefallen.

Es bleibt abzuwarten, wie Audi mit den Brennstoffzellen-Prototypen auf Basis von A7 und dem Elektro-Q6 umgeht. Dass sie die Technik beherrschen und zur Serienreife entwickeln können, haben die Ingolstädter gezeigt. Ob sich aus Brennstoffzellenautos auch ein Geschäftsmodell erarbeiten lässt, müssen jetzt Stadlers „schnelle Brüter“ beweisen.

Stadler will sich nicht bremsen lassen

Über allen Investitionen schwebt derzeit die Unsicherheit über die möglichen Strafen und Schadenersatzzahlungen in den USA. Neben dem Betrug bei den 2-Liter-Dieseln, die von VW stammen, werden Audi in den USA vor allem die Manipulationen bei dem großen V6-Diesel vorgeworfen. Der wurde in Ingolstadt entwickelt.

Dieser Teil der Abgasaffäre wiegt zwar weniger schwer als der Stickoxid-Betrug von VW. Aus der Welt sind finanzielle Belastungen für Audi aber nicht. Man befinde sich in „konstruktiven Gesprächen mit den Behörden“, heißt es.

Von der teuren Aufarbeitung der Dieselaffäre will sich Stadler bei seinen Zukunftsplänen nicht bremsen lassen. „An das Produkt und die Technologie und damit an die zukünftigen Umsätze und Ergebnisse geht mir keiner ran“, verspricht der Audi-Chef.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%