Eine Panne mit Symbolcharakter: Am Dienstag stellte Audi-Chef Rupert Stadler auf dem Genfer Autosalon mit dem Q2 einen neuen Hoffnungsträger vor. Drei der kleinen Mini-SUV sollten bei der Pressekonferenz eigentlich auf die Bühne fahren. Es kamen nur zwei.
Der Wagen, in dem die Ex-MTV-Moderatorin Mirjam Weichselbraun saß, blieb stehen. „Ich glaube, jemand hat das Licht brennen lassen über Nacht“, sagte Weichselbraun zunächst lachend. Ein Techniker fuhr das Auto dann wenig später ohne Probleme vor. „Wir hatten jetzt kurz mal in der ersten Reihe Schnappatmung“, kommentierte Stadler die Panne.
Schnappatmung wegen eigener Versäumnisse darf sich Audi bei dem Verkaufsstart des Q2 im Herbst nicht erlauben. Im vergangenen Jahr sind die Ingolstädter im Dreikampf der deutschen Premium-Marken auf den letzten Rang zurückgefallen.
Mercedes, in der Endabrechnung 2015 noch auf dem zweiten Platz, hat zu Beginn des Jahres den Vorsprung ausgebaut. Auch BMW liegt noch vor Audi. Ein Mini-SUV wie der Q2, das bei den beiden Konkurrenten derzeit noch im Angebot fehlt, könnte Audi beim Absatz 2016 auf die Sprünge helfen.
Könnte. Oder muss.
Mit dem vergangenen Jahr, zu dem Audi am Donnerstag die Bilanz vorstellt, muss sich Stadler nicht mehr beschäftigen. Trotz des Mitte September ausgebrochenen Dieselskandals liefen die Geschäfte gut. Die Verkäufe sind im vergangenen Jahr um 3,6 Prozent auf 1,803 Millionen Fahrzeuge gestiegen. Der Umsatz dürfte entsprechend zugelegt haben. Ob Stadler allerdings wieder einen Gewinn um die fünf Milliarden Euro wie im Vorjahr präsentieren wird, hängt vor allem davon ab, ob und wie viel Audi für den Abgas-Rückruf sowie mögliche Schadenersatz- und Strafzahlungen zurückstellt.
Audi ist die Cashcow im VW-Konzern
Die Bilanz von Audi ist auch für die Konzernmutter Volkswagen von enormer Bedeutung. Zusammen mit der Sportwagen-Tochter Porsche, die kommende Woche ihre Jahreszahlen vorstellt, steuerte Audi in der Vergangenheit rund zwei Drittel des gesamten Konzerngewinns bei. Dabei entfällt nur rund ein Fünftel der Verkäufe auf die beiden Premium-Marken.
Die beliebtesten Automarken der Deutschen
Marke: Seat
Absatz 2015: 94.673 Fahrzeuge
Marktanteil: 3,0 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 1,7 Prozent
Quelle: Kraftfahrtbundesamt (KBA)
Marke: Hyundai
Absatz 2015: 108.434 Fahrzeuge
Marktanteil: 3,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 8,6 Prozent
Marke: Renault
Absatz 2015: 110.039 Fahrzeuge
Marktanteil: 3,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,5 Prozent
Marke: Skoda
Absatz 2015: 179.951 Fahrzeuge
Marktanteil: 5,6 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 3,7 Prozent
Marke: Ford
Absatz 2015: 224.579 Fahrzeuge
Marktanteil: 7,0 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 7,4 Prozent
Marke: Opel
Absatz 2015: 229.352 Fahrzeuge
Marktanteil: 7,2 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,7 Prozent
Marke: BMW
Absatz 2015: 248.565 Fahrzeuge
Marktanteil: 7,8 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,3 Prozent
Marke: Audi
Absatz 2015: 269.047 Fahrzeuge
Marktanteil: 8,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 3,7 Prozent
Marke: Mercedes
Absatz 2015: 286.883 Fahrzeuge
Marktanteil: 8,9 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 5,3 Prozent
Marke: Volkswagen
Absatz 2015: 685.669 Fahrzeuge
Marktanteil: 21,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,4 Prozent
Trotz des Abgasskandals können einige Fakten Stadler froh stimmen. „2015 hat gezeigt, dass Audi wetterfest aufgestellt ist“, sagte der Audi-Chef noch im Januar. Den Nachfragerückgang in Audis wichtigstem Einzelmarkt China (571.000 Fahrzeuge, -1,4 Prozent) konnten die USA (202.000 Fahrzeuge, +11 Prozent) und Europa (800.000 Fahrzeuge, +4,8 Prozent) ausgleichen. Nach dem Start des neuen A4 in Europa schnellte der Absatz hier im Dezember um 17,5 Prozent hoch. Audi erhofft sich hier und mit dem Q2 einen weiteren Wachstumsschub.
Audis Herausforderungen 2016
Doch Stadler steht auch vor Herausforderungen:
- In China normalisiert sich der Markt. Dennoch hat Audi stärker verloren als andere Marken. Während der Gesamtmarkt rund fünf Prozent im Plus lag, hat Audi weniger Autos verkauft als im Vorjahr.
- Das neue Werk im mexikanischen Puebla steht vor dem Produktionsbeginn des neuen Q5. Die Bänder sollen Mitte 2016 anlaufen. Das Hochfahren eines neuen Werks ist eine komplizierte Angelegenheit, wie der VW-Konzern schon in mehreren europäischen Werken zu spüren bekam.
- Die Diesel-Variante des großen SUV Q7, hierzulande seit dem vergangenen Mai im Verkauf, sollte in den USA Anfang 2016 starten. Nach dem Abgasskandal wurden die Pläne vorerst auf Eis gelegt. Der Effekt auf die gesamten US-Zulassungen dürfte aber überschaubar bleiben. Noch offen ist, wie es überhaupt mit dem Diesel in den USA weiter geht.
- Zudem beginnt für Audi im März die Stunde der Wahrheit bei dem Rückruf der vom Dieselskandal betroffenen Autos. 531.000 Audis sind alleine in Deutschland betroffen. Zunächst muss der A4 mit 2-Liter-TDI-Motor in die Werkstatt. Bis Mitte des Jahres werde dann schrittweise auch die Motor-Software der anderen Audi-Modelle mit dem gleichen Motor erneuert, so ein Sprecher. Der Rückruf für die Wagen mit 1,6-Liter-Dieselantrieben folge ab September. Bis Ende des Jahres soll der Großteil der in Deutschland betroffenen Audis umgerüstet sein. Dann, so die Hoffnung in Ingolstadt, kann das Kapitel Abgasskandal geschlossen werden.
Bis dahin wird Stadler nicht untätig bleiben. Bis Mai will der Audi-Chef eine neue Strategie ausarbeiten und – wie alle Konkurrenten – die Vernetzung der Fahrzeuge stärker in den Fokus rücken.
„Wir sind heute zu langsam, zu traditionell“, sagte Stadler dem „Handelsblatt“. Künftig müsse der Hersteller nicht mehr nur Autos bauen, sondern Mobilität vermitteln. „Unsere Aufgabe wird es sein, dass wir beide Welten beherrschen.“ Das Unternehmen werde eines Tages die Hälfte des Umsatzes in diesen neuen Feldern erwirtschaften.
Helfen soll dabei ein „Chief Digital Officer“, den Stadler direkt beim Vorstand einsetzen will. Dieser Manager soll sämtliche Geschäftsprozesse auf digitale Tauglichkeit prüfen – analog zu Johann Jungwirth. Der hat dieselbe Stelle auf Konzernebene inne.
Außerdem soll in der Entwicklung das Konzept „schneller Brüter“ verstärkt werden: Kleinen, von den etablierten Abteilungen losgelöste Entwicklungsteams sollen neue Prozesse und Produkte rund um das vernetzte Fahren entwickeln. Man müsse in neue Technologiefelder investieren, „die zunächst noch nicht die großen Renditebringer sind“, so Stadler.
In Zukunftsfeldern liegen andere vorne
Was banal klingt, ist ein großer Bruch bei Audi. Lange fiel es den Ingolstädtern schwer getan, in entscheidenden Momenten voranzugehen. Der Slogan „Vorsprung durch Technik“ verlor zunehmend an Glaubwürdigkeit.
Während BMW sein Elektroauto-Programm mit eigenständigen Elektro-Modellen unter der Submarke BMW i vorantreibt und in eine aufwändige Kohlefaser-Fertigung für i3 und i8 investiert hat, fehlte es bei Audi an Mut. Der R8 e-tron, auf Basis eines bestehenden Modells mit Verbrennungsmotor, war fertig entwickelt und bereits PR-wirksam über die Nordschleife geschickt worden. Auf den Markt kam er nie. Ein Patzer, der dem damaligen Entwicklungschef Wolfgang Dürheimer schwer angelastet wurde.
Mit dem Beschluss zu dem Q6 e-tron quattro, der ab 2018 als luxuriöses Elektro-SUV zum Tesla-Gegner aufsteigen soll, haben sich Stadler und seine Mannen ebenfalls lange Zeit gelassen. Immerhin aber ist die Entscheidung dieses Mal für das womöglich nicht rentable Elektro-Modell gefallen.
Es bleibt abzuwarten, wie Audi mit den Brennstoffzellen-Prototypen auf Basis von A7 und dem Elektro-Q6 umgeht. Dass sie die Technik beherrschen und zur Serienreife entwickeln können, haben die Ingolstädter gezeigt. Ob sich aus Brennstoffzellenautos auch ein Geschäftsmodell erarbeiten lässt, müssen jetzt Stadlers „schnelle Brüter“ beweisen.
Stadler will sich nicht bremsen lassen
Über allen Investitionen schwebt derzeit die Unsicherheit über die möglichen Strafen und Schadenersatzzahlungen in den USA. Neben dem Betrug bei den 2-Liter-Dieseln, die von VW stammen, werden Audi in den USA vor allem die Manipulationen bei dem großen V6-Diesel vorgeworfen. Der wurde in Ingolstadt entwickelt.
Dieser Teil der Abgasaffäre wiegt zwar weniger schwer als der Stickoxid-Betrug von VW. Aus der Welt sind finanzielle Belastungen für Audi aber nicht. Man befinde sich in „konstruktiven Gesprächen mit den Behörden“, heißt es.
Von der teuren Aufarbeitung der Dieselaffäre will sich Stadler bei seinen Zukunftsplänen nicht bremsen lassen. „An das Produkt und die Technologie und damit an die zukünftigen Umsätze und Ergebnisse geht mir keiner ran“, verspricht der Audi-Chef.