Im Dominikanerkloster von Guebwiller wird schon lange nicht mehr gebetet: In der gotischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert wurde kurz nach Ausbruch der französischen Revolution 1789 die letzte Messe gelesen. Seitdem diente das Gotteshaus als Fabriklager, Pferdestall, Militärkrankenhaus und als Markthalle. 1991 ließ die Landesregierung das Gebäudeensemble renovieren und nutzt es seitdem unter anderem als Versuchsstätte für „digitale Audio-Kreationen“.
In diesen Tagen huldigt man dort keinen Klanggebilden, sondern einer Auto-Kreation - dem neuen V8-Dieselmotor von Audi. Das Kraftpaket, das im ungarischen Györ geschnürt wird, ist 435 PS stark, entwickelt dank eines innovativen, elektrisch angetriebenen Verdichters praktisch aus dem Stand heraus 900 Newtonmeter Drehmoment und begnügt sich nach Angaben seiner Konstrukteure unter Laborbedingungen im Schnitt mit 7,2 Litern Dieselsprit. Eingebaut wird das Triebwerk, dessen Entwicklung fast vier Jahre dauerte und rund 200 Millionen Euro verschlang, vorerst exklusiv im Audi SQ7 - einem knapp 2,3 Tonnen schweren Allradler der Gattung SUV
Später soll der Power-Diesel auch in anderen Modellen von Audi, aber auch der Schwestermarken VW und Porsche zum Einsatz kommen. Dieselgate hin oder her. "Mit dieser Innovation beweist Audi einmal mehr Vorsprung durch Technik". freut sich Audi-Technikvorstand Stefan Knirsch bei der Weltpremiere des neuen, hochkomplexen Motors vor historischer Kulisse.
Aber natürlich wirft der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW-Motoren und hohe Stickoxid-Emissionen von Dieselautos auch anderer Fahrzeughersteller im Alltagsbetrieb einen Schatten auf die Premierenfeier. So betont Motorenentwickler Andreas Fröhlich sicher nicht ganz zufällig, dass die Abgasreinigung mit NOx-Speicherkat und SCR-Katalysator auf dem neuesten Stand der Technik ist, der Tank für die Harnstofflösung - mit deren Hilfe das gesundheitsschädlich Stickoxid im Kat in harmlosen Stickstoff und Wasserdampf verwandelt wird - immerhin 24 Liter fasst. Damit sollte eine Tankfüllung bis zu 10.000 Kilometer weit reichen.
Und natürlich arbeite das aufwändige System schon bei Temperaturen zwischen 3 Grad minus und 35 Grad plus. Celsius wohlgemerkt. Ein "Thermofenster", eine Temperaturzone, in der das System zum Schutz von Motorenteilen nur eingeschränkt arbeitet, suche man hier vergeblich. Damit nimmt man den Autohassern im Land, die mit Hinweis auf die Schadstoffbelastungen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren nur zu gerne aus der Stadt verbannen würden, gleich den Wind aus den Segeln.
Entsprechend trotzig gab sich Knirsch später, als er auf die Zukunft des Dieselmotors im Pkw angesprochen wurde. Ja, die Dieselaffäre habe der Reputation des Selbstzünders schweren Schaden zugeführt. "Aber der Diesel ist noch längst nicht am Ende" - und das Zeitalter der Elektromobilität habe gerade erst begonnen. Im Jahr 2025 würden nach zuverlässigen Schätzungen weltweit vielleicht 30 Prozent aller Personenwagen batteriegetrieben sein. In den übrigen 70 Prozent werde weiterhin ein Verbrennungsmotor werkeln.
Knirsch: "Der Diesel ist eine sehr ökonomische Antriebsart und der Motor leistet mit seinen niedrigen Kraftstoffverbräuchen einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz." Auch unter dem Eindruck der "Dieselthematik" und mit Blick auf die aktuelle Diskussion über die Abgasproblematik würde "sofort wieder" Gelder für die Entwicklung eines neuen Dieselmotors freigeben. An der Dieseltechnologie komme man nicht vorbei, wenn ein Auto über zwei Tonnen wiegt oder einen Anhänger ziehen soll. Knirsch: "Wenn Sie einen Benziner mit ähnlichen Leistungsdaten haben wollen, müssen sie mit deutlich höheren Kraftstoffverbräuchen rechnen."