Ausbau der Ladeinfrastruktur Ein Masterplan für E-Mobiltät muss her

E-Auto und der Ausbau der Ladeinfrastruktur: Ein Masterplan muss her! Quelle: imago images

Längst hätte ein massiver Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos starten müssen. Doch es bleibt beim Dornröschenschlaf. Politik und Wirtschaft haben nun zwar erkannt, dass gehandelt werden muss. Das wird jedoch teuer.

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Obwohl in aller Munde, fristet die E-Mobilität in Deutschland unvermindert ein Nischendasein. Das Angebot an kaufbaren Modellen wächst, die Zulassungszahlen auch, doch bislang bleiben die Stromer im Vergleich zu konventionell getriebenen Autos eine Randerscheinung. Die Entscheidung für ein E-Auto fällt den Kunden unter anderem schwer, weil weiterhin der Ausbau der Ladeinfrastruktur zögerliche Fortschritte macht. Die gewaltigen Milliarden-Investitionen der deutschen Autoindustrie bedeuten ein unumkehrbares Hochfahren der Produktionskapazitäten von E-Autos. Angesichts dieses tiefgreifenden Wandels müsste der Boden für einen entsprechend aufnahmefähigen Absatzmarkt zeitnah bereitet werden. Doch bislang zeichnet sich ab, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur mit dieser Entwicklung nicht schritthalten wird.

Wie sehr Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, lässt sich vielerorts in Deutschland praktisch erleben. Dafür muss man keineswegs entvölkerte Landstriche in Brandenburg besuchen, auch in einer kleinen Industriestadt wie dem zwischen Köln und Bonn liegenden Wesseling ist man mit einem E-Auto ohne eigene Ladestation praktisch aufgeschmissen. Seit Jahren gibt es lediglich eine einzige Ladesäule, die vor dem Rathaus steht. Mittlerweile wurde ein zweiter Ladepunkt in einem Neubaugebiet errichtet – damit stehen rund acht Kilometer voneinander entfernt zwei Stromtankmöglichkeiten für 36.000 Einwohner zur Verfügung. Wer also in dieser Stadt mit einem E-Auto unterwegs ist, wird es schwer haben, eine Ladesäule in der Nähe zu finden. Wie vielerorts in Deutschland ist man als E-Auto-Nutzer gut beraten, ein Klappfahrrad im Kofferraum mitzuführen, denn die Unterkunft kann etliche Kilometer vom nächsten öffentlichen Ladepunkt entfernt sein.

Nicht nur in Wesseling, auch bundesweit hat sich die Anzahl der Ladesäulen jüngst verdoppelt. Das könnte man als Erfolg verkaufen, doch in absoluten Zahlen betrachtet ergibt sich ein trauriges Bild. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es Anfang 2018 fast 7000 Ladesäulen, bis Mai 2019 ist ihre Zahl auf über 15.000 gestiegen. Das mag nach viel klingen, ist es aber nicht.

Doch wie viele Ladesäulen müssten es sein, damit die E-Mobilität in Schwung kommt? Der Verband der Automobilindustrie VDA ist in dieser Hinsicht mittlerweile konkret geworden: Der Interessenverband fordert allein für die kommende Dekade den Ausbau auf eine Million Ladesäulen, denn bis 2030 rechnet man mit bis zu zehn Millionen E-Autos auf deutschen Straßen. Bei rund zehn Prozent der Stromtanken, so der Wunsch, sollte es sich zudem um Schnellladesäulen handeln.

Das wird in jedem Fall teuer. Die Schweizer UBS Bank hat in einer Studie aus dem Jahr 2018 vorgerechnet, dass der globale Investitionsbedarf bis in das Jahr 2025 bei rund 330 Milliarden Euro allein für die Ladeinfrastruktur liegen wird. Vor allem Schnelllader verlangen nach hohen Investitionen. Laut UBS-Bank kostet diese jeweils rund 30.000 Euro. Und hierin liegt eine grundlegende Krux. Das Problem mit den gewaltigen Investitionen ist die mittel- bis langfristig ausbleibende Perspektive, diese gewinnbringend einsetzen zu können. Will der Investor die 30.0000 Euro zurückbekommen, müssten den Schnelllader über fünf Jahre hinweg täglich 12 Fahrzeuge besuchen. Damit wäre man allerdings noch längst nicht in der Gewinnzone.

Doch solange die E-Autos fehlen, wird jedes Investment in eine öffentliche Ladesäule über viele Jahre hinweg ein Minusgeschäft bleiben. Das erklärt auch den weiterhin schleppenden Ausbau. Angesichts der in absoluten Zahlen bislang bescheidenen Zuwächse würde die vom VDA geforderte Millionen-Marke beim Ladesäulenbestand erst um das Jahr 2200 erreicht. Der Ausbau der Infrastruktur hält derzeit also nicht mal ansatzweise Schritt mit den Plänen der Autoindustrie, die dringend auch E-Autos zur Erreichung der CO2-Vorgaben der EU verkaufen muss, um gewaltige Strafzahlungen ab 2021 abzuwenden.

Den Handlungsbedarf haben die Autohersteller längst erkannt, weshalb VW seine besonders ehrgeizigen Expansionsziele bei der E-Mobilität auch mit einer mehrgleisigen Strategie für den Ausbau der Ladeinfrastruktur flankiert. So sollen an deutschen VW-Standorten bis 2025 allein 4.000 Ladepunkte für Mitarbeiter entstehen. Europaweit will man rund 36.000 Ladepunkte aufbauen. Zusammen mit Ionity sollen zudem 400 Schnellladestationen entstehen. Darüber hinaus hat VW das Tochterunternehmen Elli gegründet, das es E-Auto-Kunden leicht machen soll, ein Komplettpaket für die eigene Ladestation für zuhause zu installieren. Und VW fordert unter anderem eine Novelle des WEG-Rechts, damit es in Eigentümergemeinschaften und Mietwohnungen leichter wird, die Installation von Ladestationen rechtlich zu erleichtern.

Trotz solcher durchaus bemerkenswerten Anstrengungen bleibt der Ausbau vorläufig auch ein Flickenteppich. Kommunen, Supermarktketten, Energieunternehmen oder Autohersteller selbst sind vielerorts am Investieren, doch fehlt der große Masterplan. Ende Juni haben sich deshalb Industrie und Bundesregierung bei einem gemeinsamen Autogipfel verständigt, einen solchen für Deutschland zu erarbeiten. Konkrete Zusagen über finanzielle Fördermittel oder Gesetzesänderungen gab es allerdings noch nicht. Doch bereits im Herbst will die Regierung Beschlüsse fassen.

Bei dem bisherigen Klein-Klein kann es jedenfalls nicht bleiben. Wünschenswert wäre ein großzügiges Gießkannenprinzip, bei dem die Regierung in erheblichem Umfang finanzielle Mittel bereitstellt, um echte Anreize zu schaffen, ein flächendeckendes Stromtankstellennetz aufzubauen. Dieses sollte es vor allem auch Laternenparkern erlauben, in Wohnortnähe und in kurzer Zeit den Strom für die nächste Tour tanken zu können.

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