Auto-Leitmesse Schöne neue Autowelt? Die deutsche Kernbranche vor der „IAA Mobility“

Wie wird die erste Auflage der IAA in Pandemiezeiten aussehen? Quelle: dpa

Lange war die IAA als Auto-Leitmesse globaler Standard und ein Aushängeschild deutscher Ingenieurskunst. Das Interesse ließ aber stark nach. Die erste Auflage in Pandemiezeiten soll in einem Monat den Umbruch schaffen.

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Es sieht so aus, als sei die Autoindustrie trotz einiger Schrammen bisher recht gut durchs Corona-Tief gekommen. Manche Hersteller machen sogar schon wieder fette Gewinne. Jenseits der aktuellen Nachfrage ändert sich das Verhältnis vieler Verbraucher zum Fahrzeug jedoch spürbar – ein Trend, der auch die großen Messen zum Umdenken zwingt. Wo steht die Branche kurz vor der „neuen“ IAA?

Das Geld fließt, die E-Mobilität wächst: Schaut man auf die Verkäufe, könnte sich das vom ersten Lockdown geprägte zweite Quartal 2020 möglicherweise als einmaliger Einbruch erweisen. Bereits seit Mitte vorigen Jahres geht es mit dem Absatz vieler Autobauer wieder aufwärts. Das schlägt sich auch in höheren Gewinnen nieder: Volkswagen, Daimler und BMW verdienten im ersten Halbjahr 2021 deutlich mehr als in der ersten Hälfte des Vor-Corona-Jahres 2019.

Dabei profitierten sie auch von nachgeholten Käufen und von eigenen Sparprogrammen. Der Boom bei den Elektro- und Hybridfahrzeugen wurde von üppigen Kaufprämien in einigen Staaten beflügelt. Sorgen machen der Branche Produktionsunterbrechungen wegen fehlender Halbleiter, steigende Rohstoffpreise und eine mögliche weitere Corona-Welle.



Probleme mit Chips und Unsicherheit bei den Preisen: Die größte Unbekannte ist derzeit die Lieferkrise bei Elektronik-Bauteilen. Von der Motorsteuerung über das Navi und Radio bis zum Fensterheber und erst recht in neuer Vernetzungstechnik – überall sind Computerchips. In der Flaute 2020 hatten viele Autobauer die Bestellungen vorschnell zusammengestrichen. Die Hersteller von Halbleitern orientierten sich um, etwa zur Unterhaltungselektronik – ihre Ex-Abnehmer sitzen nun teils auf dem Trockenen. Die Folgen des Mangels könnten sich länger hinziehen, manche Prognosen gehen sogar von mehreren Jahren aus.

Autokäufer müssen deshalb schon jetzt oft länger auf den bestellten Wagen warten oder auf Zusatzausstattungen verzichten. Vorhandene Chips werden im Zweifel in Oberklassewagen mit hoher Gewinnspanne eingebaut und in E-Autos, um die CO2-Vorgaben zu erfüllen. Weil die Nachfrage das Angebot übersteigt, werden Autos eher teurer. Zumal auch die Preise für Werk- und Rohstoffe stark gestiegen sind, von Stahl und Alu über Kunststoffgranulat bis zu Palladium und Rhodium.

Die Zukunft dreht sich um Vernetzung und Dienstleistungen: Bis das fahrerlose Auto Alltag ist, wird es zwar noch einige Zeit dauern, aber es wird die ganze Branche umkrempeln. Die Autobauer wollen nicht nur das Blechkleid für Dienstleistungen von Google, Apple, Huawei und Co. liefern. Wenn Kunden überall online sind, wird das Fahrzeug zum rollenden Unterhaltungs- und Kommunikationsgerät. Milliarden fließen in die Entwicklung von Schnittstellen, über die Nutzungsdaten, persönliche Dienste und Software-Updates ausgetauscht werden.

Ein zweiter Megatrend: Wer mobil sein will, muss nicht unbedingt ein Auto besitzen. Man kann es auch dann leihen, wenn man es braucht. Die Konzerne erproben daher viele Modelle – vom minutengenau abgerechneten Carsharing in Großstädten über Auto-Vermietung, Fahr- und Taxidienste bis zu Kurzzeit-Abos und flexiblem Leasing.

Der Klimaschutz als Kardinalfrage: Antriebe mit hohem CO2-Ausstoß haben mittelfristig kaum noch Chancen. Die EU-Kommission will den klassischen Verbrenner – also Benziner und Diesel – ab 2035 in Europa auslaufen lassen. Hersteller fahren ihr Angebot an Batteriefahrzeugen inzwischen schneller hoch. Doch das Ladenetz ist in Deutschland dünn, in vielen EU-Ländern noch gar nicht existent. Und um dem Klima zu nützen, müsste es viel mehr CO2-frei erzeugten Strom geben. Damit der Verkehr klimafreundlicher wird, sind also auch die Energieerzeuger und Kommunen gefragt.

Ein weiterer Baustein dafür ist eine engere Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern wie Bus und Bahn, Fahrrad und E-Scooter. Diese Einsicht war ein entscheidender Grund, warum die IAA nun nicht mehr als reine Autoausstellung auftritt, sondern als Mobilitätsmesse.

Zündet das neue IAA-Format? Die klassische PS-Schau mit polierten Karossen in Messehallen ist in München stark verkleinert und an den Rand gerückt. Mitten in der Stadt, rund um den Marienplatz, planen der Branchenverband VDA und die Messe München als Veranstalter ein Mobilitäts-Festival – mit möglichst viel Bürgerbeteiligung, Diskussionen und Gelegenheiten, ein selbstfahrendes Elektro- oder ein Wasserstoffauto in der Stadt auch einmal selbst auszuprobieren. Fahrradhersteller sind auf dieser „IAA Mobility“ vom 7. bis zum 12. September ebenso vertreten, Umweltschützer zu den Foren eingeladen.

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Ob der Plan aufgeht – zumal in Corona-Zeiten – wird sich zeigen. Die Branchenriesen Toyota und Stellantis (Peugeot, Citroën, Opel, Fiat, Maserati, Jeep) sind zum Beispiel nicht dabei. Das von den Linken, Attac, Verdi und Fridays for Future in München unterstützte Bündnis noIAA hat außerdem bereits Proteste angekündigt: „Die IAA will uns öffentliche Plätze nehmen? Nicht mit uns!“

Mehr zum Thema: Die Verkäufe von Elektroautos legen kräftig zu, der Klimagipfel der EU dürfte das Ende des Verbrenners beschleunigen. Aber taugen die neuen Modelle schon für den Alltag? Und können die deutschen Autobauer auch Elektro? Antworten liefert der E-Auto-Check von WirtschaftsWoche und ADAC.

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