Autobauer im Visier der Staatsanwälte Was die erneute Razzia bei Audi bedeutet

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Das Ende der Ära Stadler rückt näher

Einer der Mitarbeiter, die bei der Staatsanwaltschaft auspackten, ist Giovanni P. Die Staatsanwaltschaft München hatte ihn im vergangenen Jahr vorübergehend in Untersuchungshaft nehmen lassen. Ein Dokument, das seine Strafverteidiger Ende Juli der Staatsanwaltschaft München vorlegten, listet penibel auf, wer was wann gewusst und entschieden hat. In dem Papier wird der gesamte Audi-Vorstand und damit auch Audi-Chef Rupert Stadler belastet, der seine Mitwisserschaft bis heute dementiert.

Auch Audi-interne E-Mails, Grafiken und Präsentationen haben die Verteidiger den Fahndern auf den Schreibtisch gelegt. Es ärgert sie, dass der die Ermittlungen leitende Staatsanwalt der Meinung sein könnte, dass ihr Mandant seine Führungskräfte als gutgläubige Werkzeuge benutzt habe. Dass diese von nichts gewusst haben sollen, widerspreche „jeder Lebenserfahrung“, heißt es bei Giovanni P.'s Verteidigern.

Audi will die Vorwürfe mit Hinweis auf laufende Ermittlungen nicht kommentieren. Stadler selbst wurde bislang keine Mitwisserschaft oder gar Mittäterschaft nachgewiesen, auch hat die Staatsanwaltschaft bisher kein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Aber je mehr Audi- und VW-Manager von den Strafverfolgern in Deutschland und den USA ins Visier genommen werden, umso schneller nähert sich das Ende der Ära Stadler.

Die Suche nach einem Nachfolger für den Vorstandsvorsitzenden läuft nach Informationen der WirtschaftsWoche bereits auf Hochtouren. "Er ist faktisch schon weg, bloß wurde das noch nicht kommuniziert, weil man noch keinen Nachfolger gefunden hat", sagte ein Insider aus der VW-Konzernspitze der WirtschaftsWoche bereits im vergangenen Jahr. Laut mit dem Vorgang vertrauten Personen sind mehrere Kandidaten in der engeren Wahl und werden in internen Runden für mögliche Zukunftsmodelle diskutiert.

Dass Audi der Geburtsort der Manipulationssoftware war, hat VW bereits zugegeben. Neben P. könnten weitere frühere Konzernmitarbeiter Audi gefährlich werden. Allen voran der frühere Dieselmotoren-Chef Ulrich Weiß. Er wurde im Zuge des Abgasskandals entlassen und will – wie P. – mit allen Mitteln verhindern, zum Sündenbock gemacht zu werden.

Stadler sei so oder so als Audi-Chef nicht mehr zu halten, heißt es deshalb in VW-Kreisen - unabhängig davon, wie die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Audi-Manager weitergehen. Denn er sei zum Risiko geworden, da Ermittlungen und möglicherweise auch Schadensersatzforderungen von Anlegern und Kunden nicht ausgeschlossen sind.

Stadlers Austausch an der Spitze gehört dabei zu den heikelsten Operationen im Gestrüpp der Diesel- und Kartellaffären innerhalb des VW-Reichs. Nicht ohne Grund galt bislang die Devise, den Skandal mit allen Mitteln von Stadler und Audi fernzuhalten. Gerät auch er, der Audi seit zehn Jahren führt, ins Zentrum des Skandals, ist die Affäre endgültig im innersten Zirkel der obersten VW-Manager angekommen. Und rückte damit näher an VW-Chef Matthias Müller, den ehemaligen Konzernlenker Martin Winterkorn, Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und dessen Vorgänger Ferdinand Piech heran, zu denen Stadler immer einen engen Draht hatte.

Zudem wäre damit das Zugpferd des Konzerns lädiert. Ohne die bisher stets üppigen Gewinne aus Ingolstadt würde der VW-Konzern zu einem Riesen erstarren, der den Umbau in Richtung elektrischer und selbstfahrender Autos finanziell kaum noch stemmen könnte.

Aus Angst um die Milliardenerlöse aus Ingolstadt soll der Konzernaufsichtsrat deshalb Stadlers Abruf auf Raten planen. Zunächst soll in einem ersten Schritt der Audi-Vorstand umgebaut und das Unternehmen neu ausgerichtet werden. Erst wenn dieser Umbau vollzogen ist, soll die Personalie Stadler endgültig geklärt werden, heißt es aus dem VW-Aufsichtsrat.

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