Autobauer im Visier der Staatsanwälte Was die erneute Razzia bei Audi bedeutet

Audi-CEO Rupert Stadler in Ingolstadt Quelle: REUTERS

Audi-Chef Stadler hatte bereits vor Weihnachten das Ende der Dieselaffäre verkündet. Mehr hätte er kaum daneben liegen können.

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Rupert Stadler hatte sich das es so schön ausgemalt: Kurz vor Weihnachten verkündete der Audi-Vorstandschef das faktische Ende der Dieselaffäre. „Wir werden Ende des ersten Quartals die Taskforce Diesel auflösen“, versprach Stadler. Die Truppe war bei Audi dafür zuständig, alle Modelle auf das Vorhandensein von Betrugssoftware abzuklopfen. Die Auflösung des Teams sei ein Beleg dafür, dass Audi die Abgasaffäre – im VW-Konzern als „Dieselkrise“ bezeichnet – nun „Stück für Stück“ hinter sich lassen könne.

Mehr hätte Stadler kaum daneben liegen können. Auf seine Task-Force wird noch eine Menge Arbeit zukommen: Seit Dienstagmorgen durchsucht die Münchner Staatsanwaltschaft die Ingolstädter Audi-Zentrale und Büros im Werk Neckarsulm. 18 Staatsanwälte und Beamte der Landeskriminalämter Bayern und Baden-Württemberg sollen nach Beweisen für die Verstrickung von Managern in illegale Abgasmanipulationen suchen.

Die Razzia ist ein weiterer Rückschlag für Audi. Nur Wochen, nachdem Stadler versucht hatte, den Skandal abzuhaken, spitzt sich die Lage für Audi immer weiter zu. Schon unmittelbar nach Stadlers angekündigtem Ende der Skandalaufarbeitung war bekannt geworden, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Rückruf eines VW-Modells angeordnet hatte. Die Ursprünge dessen Schummelsoftware dürften bei Audi liegen. Kurze Zeit später folgte ein Zwangsrückruf des KBA für fast 130.000 weitere Dieselfahrzeuge der Marke Audi wegen „unzulässiger Abschalteinrichtungen“, sprich: illegaler Abgastechnik. Betroffen sind die Audi-Modelle A4, A5, A6, A7, A8, Q5, SQ5 und Q7.

von Markus Fasse, Martin Murphy, Volker Votsmeier

Auf diesen Rückruf folgte eine Razzia, bei der die Münchner Staatsanwaltschaft die Privatwohnungen von mehreren Audi-Mitarbeitern in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz durchsuchte. Es habe sich dabei um Mitarbeiter aus der Motorenentwicklung gehandelt, nicht aber um Vorstände. Der Kreis der Beschuldigten sei von vier auf 13 Personen ausgeweitet worden.

Und nun also eine erneute Razzia in Ingolstadt und Neckarsulm. Die Umtriebigkeit der Staatsanwälte lässt auf zweierlei schließen: Die Fahnder stehen – auch zwei Jahre nach Beginn der Ermittlungen – noch relativ am Anfang. Obwohl Mitarbeiter schon eingeräumt haben sollen, an der Manipulation der Autos mitgewirkt zu haben, hat die Staatsanwaltschaft noch keine Anklage erhoben. Offenbar sind selbst bei den geständigen Audianern noch Fragen offen.

Andererseits zeigen die Razzien, dass die Strafverfolger engagiert sind und klären wollen, ob auch der Vorstand in die Manipulationen eingeweiht war. Hinweise darauf bekamen die Fahnder viele, wie von Insidern zu hören ist, aber echte Beweise für die Verstrickung der Top-Etage sind wohl noch Mangelware.

Das Ende der Ära Stadler rückt näher

Einer der Mitarbeiter, die bei der Staatsanwaltschaft auspackten, ist Giovanni P. Die Staatsanwaltschaft München hatte ihn im vergangenen Jahr vorübergehend in Untersuchungshaft nehmen lassen. Ein Dokument, das seine Strafverteidiger Ende Juli der Staatsanwaltschaft München vorlegten, listet penibel auf, wer was wann gewusst und entschieden hat. In dem Papier wird der gesamte Audi-Vorstand und damit auch Audi-Chef Rupert Stadler belastet, der seine Mitwisserschaft bis heute dementiert.

Auch Audi-interne E-Mails, Grafiken und Präsentationen haben die Verteidiger den Fahndern auf den Schreibtisch gelegt. Es ärgert sie, dass der die Ermittlungen leitende Staatsanwalt der Meinung sein könnte, dass ihr Mandant seine Führungskräfte als gutgläubige Werkzeuge benutzt habe. Dass diese von nichts gewusst haben sollen, widerspreche „jeder Lebenserfahrung“, heißt es bei Giovanni P.'s Verteidigern.

Audi will die Vorwürfe mit Hinweis auf laufende Ermittlungen nicht kommentieren. Stadler selbst wurde bislang keine Mitwisserschaft oder gar Mittäterschaft nachgewiesen, auch hat die Staatsanwaltschaft bisher kein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Aber je mehr Audi- und VW-Manager von den Strafverfolgern in Deutschland und den USA ins Visier genommen werden, umso schneller nähert sich das Ende der Ära Stadler.

Die Suche nach einem Nachfolger für den Vorstandsvorsitzenden läuft nach Informationen der WirtschaftsWoche bereits auf Hochtouren. "Er ist faktisch schon weg, bloß wurde das noch nicht kommuniziert, weil man noch keinen Nachfolger gefunden hat", sagte ein Insider aus der VW-Konzernspitze der WirtschaftsWoche bereits im vergangenen Jahr. Laut mit dem Vorgang vertrauten Personen sind mehrere Kandidaten in der engeren Wahl und werden in internen Runden für mögliche Zukunftsmodelle diskutiert.

Dass Audi der Geburtsort der Manipulationssoftware war, hat VW bereits zugegeben. Neben P. könnten weitere frühere Konzernmitarbeiter Audi gefährlich werden. Allen voran der frühere Dieselmotoren-Chef Ulrich Weiß. Er wurde im Zuge des Abgasskandals entlassen und will – wie P. – mit allen Mitteln verhindern, zum Sündenbock gemacht zu werden.

Stadler sei so oder so als Audi-Chef nicht mehr zu halten, heißt es deshalb in VW-Kreisen - unabhängig davon, wie die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Audi-Manager weitergehen. Denn er sei zum Risiko geworden, da Ermittlungen und möglicherweise auch Schadensersatzforderungen von Anlegern und Kunden nicht ausgeschlossen sind.

Stadlers Austausch an der Spitze gehört dabei zu den heikelsten Operationen im Gestrüpp der Diesel- und Kartellaffären innerhalb des VW-Reichs. Nicht ohne Grund galt bislang die Devise, den Skandal mit allen Mitteln von Stadler und Audi fernzuhalten. Gerät auch er, der Audi seit zehn Jahren führt, ins Zentrum des Skandals, ist die Affäre endgültig im innersten Zirkel der obersten VW-Manager angekommen. Und rückte damit näher an VW-Chef Matthias Müller, den ehemaligen Konzernlenker Martin Winterkorn, Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und dessen Vorgänger Ferdinand Piech heran, zu denen Stadler immer einen engen Draht hatte.

Zudem wäre damit das Zugpferd des Konzerns lädiert. Ohne die bisher stets üppigen Gewinne aus Ingolstadt würde der VW-Konzern zu einem Riesen erstarren, der den Umbau in Richtung elektrischer und selbstfahrender Autos finanziell kaum noch stemmen könnte.

Aus Angst um die Milliardenerlöse aus Ingolstadt soll der Konzernaufsichtsrat deshalb Stadlers Abruf auf Raten planen. Zunächst soll in einem ersten Schritt der Audi-Vorstand umgebaut und das Unternehmen neu ausgerichtet werden. Erst wenn dieser Umbau vollzogen ist, soll die Personalie Stadler endgültig geklärt werden, heißt es aus dem VW-Aufsichtsrat.

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