Autobauer kämpfen mit WLTP-Problemen BMW liefert 7er ein Jahr lang nicht aus

BMW 7er Abgasproblem Quelle: imago images

Der neue Messzyklus WLTP wirft seinen Schatten voraus: Auch Benziner benötigen jetzt einen Partikelfilter. Doch die sind knapp – BMW greift deshalb bei seinem Flaggschiff 7er zu einer drastischen Maßnahme.

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Die Autobauer verzweifeln offenbar zunehmend am neuen Abgas-Messverfahren WLTP. Nach dem vorzeitigen Produktions-Aus der Sportwagen-Ikone M3 und Lieferproblemen bei einigen Benziner-Varianten des SUV-Bestsellers X3 wird BMW nun ein Jahr lang in Europa keine Fahrzeuge seines Flaggschiffs 7er mit Benzinmotor ausliefern. Der Grund ist simpel: Ohne Feinstaub-Partikelfilter erfüllen einige Autos die Emissionsvorgaben nicht mehr – zumindest, wenn mit dem ab 1. September 2018 geltenden WLTP-Verfahren gemessen wird und nicht nach dem alten NEFZ.

Nicht nur BMW muss seine Modelle jetzt zeitig auf das neue Prüfverfahren vorbereiten. Der WLTP soll realitätsnähere Normverbräuche ergeben als der frühere Prüfstandtest. Das Thema ist für die Industrie nicht neu, offenbar haben die Autobauer aber damit gerechnet, dass ihnen für bestehende Modellreihen längere Übergangsfristen gewährt werden. Doch seit dem Abgasskandal hat sich die politische Stimmung gedreht, die EU erhöht den Druck.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen NEFZ und WLTP

Feinstaub galt lange Zeit als reines Diesel-Problem – doch der erhöhte Partikel-Ausstoß hat weniger mit dem Kraftstoff zu tun als mit der verwendeten Technologie. Feinstaub ist ein Problem von Motoren mit Direkteinspritzung. Mit diesem Verfahren verbrennen die Motoren den Kraftstoff effizienter – was gut für den Verbrauch und CO2-Ausstoß ist –, es kann aber vermehrt zu Feinstaub-Emissionen kommen. Da wegen der CO2-Ziele der EU inzwischen auch bei Benzinern die Direkteinspritzung verbaut wird, werden auch hier Partikelfilter notwendig, um die Grenzwerte einzuhalten – zumindest, wenn nach dem strengeren WLTP gemessen wird.

Die große Herausforderung: Die EU-Vorgaben gelten ab September nicht nur für neue Modelle, sondern eben auch für bestehende Baureihen. Wenn der Hersteller diese weiterhin verkaufen will, muss er einen Partikelfilter nachrüsten. Dabei stoßen alle Autobauer, nicht nur BMW, auf zwei Probleme:

  • Feinstaubfilter sind derzeit knapp, weil die Nachfrage sprunghaft angestiegen ist. Zudem unterscheiden sich die Filter bei Benzinern und Dieseln voneinander: Bei Benzinern sind die Partikel noch etwas feiner, darauf muss die Technik angepasst werden. Die Zulieferer kommen kaum mit der Produktion hinterher, deshalb müssen die Autobauer priorisieren, welche Baureihen zuerst einen Filter erhalten.
  • Seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals bei VW haben auch andere Hersteller ihre kompletten Diesel-Flotten auf den Prüfstand gestellt. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die Prüfstandkapazitäten sind derzeit knapp, sowohl in den Entwicklungsabteilungen der Hersteller, als auch bei freien Anbietern. „Unsere Prüfstände sind ausgelastet und arbeiten im Drei-Schicht-Betrieb“, sagte ein BMW-Sprecher dem „Manager Magazin“. Auch VW bestätigte, dass freie Prüfstände derzeit Mangelware sind und es deshalb bei einigen nicht näher genannten Modellen zu Verzögerungen kommen könne.

Die Nachrüstung eines Partikelfilters ist technisch komplex: In dem Abgassystem am Unterboden des Autos muss genügend Bauraum für einen zusätzlichen Filter gefunden werden – alleine das führt teilweise zu kreativen Lösungen. Dazu muss die Motorsteuerung neu programmiert werden, wenn sich plötzlich der Abgasfluss ändert. Und: ein zusätzliches Bauteil verursache im Abgasstrang Schwingungen, die es abzudämpfen gelte, erklärte der BMW-Sprecher. Denn bei all der Nachrüstung müssen die Autobauer auch ihre gewohnte Qualität sicherstellen – und das dauert, wenn der Lebenszyklus eines Autos auf dem Prüfstand durchgespielt werden soll.

Zusammen mit den Problemen bei der Beschaffung führt das dazu, dass nicht alle Baureihen bis September umgerüstet werden können. BMW geht dabei nach den Stückzahlen vor, Modelle mit höherem Absatz werden also zuerst nachgerüstet. Bei Autos mit geringeren Verkaufszahlen wie dem 7er oder dem M550i kann es zu Verzögerungen kommen. BMW hofft aber, nicht nennenswert weniger Fahrzeuge zu verkaufen, weil Kunden auf alternative Fahrzeuge des Herstellers umsteigen würden. Laut dem Autobauer wurden 2017 in Europa ohnehin nur 2000 7er mit Benzinmotor verkauft. Der Haken: In der Debatte um drohende Fahrverbote fragen Kunden vermehrt Benziner nach anstelle von Dieselmodellen.

Auch Audi sieht Lieferschwierigkeiten auf sich zukommen. Bei der Jahrespressekonferenz in der vergangenen Woche sprach Audi-Chef Rupert Stadler von der „kräftezehrenden Umstellung auf den WLTP-Zyklus“, die sich zusammen mit dem Produktionsanlauf vieler neuer Modelle „in einigen europäischen Märkten auf unsere Auslieferungen auswirken“ könne. Zu einzelnen Modellen will sich Audi aber nicht äußern. Bereits im Februar teilte der Autobauer auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit, dass es das Ziel sei, die WLTP-Vorgaben für alle Modelle zu erfüllen. Zusätzliche Varianten werden sukzessive im Verlauf der nächsten Monate folgen“, sagte ein Sprecher. „Mit Blick auf den Wettbewerb“ will sich Audi aber noch nicht zu den weiteren Markteinführungen äußern.

Der derzeitige Premium-Krösus Daimler sieht der neuen Abgasnorm gelassener entgegen. „Wir erwarten nach derzeitiger Planung durch die Umstellung auf WLTP und den daraus resultierenden Mehraufwand bei der Zertifizierung keine Produktionsausfälle“, teilte ein Daimler-Sprecher dem „Manager Magazin“ mit.

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