Autoexperte Markus Schädlich „Die Chancen für ausländische Zulieferer in Japan waren noch nie so gut“

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„Bei Toyota läuft die Öffnung noch“

Wie weit haben einzelne OEMs diesen Strukturwandel schon durchlaufen?
Nissan ist am weitesten und kauft überall ein, wo es gut und günstig ist. Bei Toyota ist es noch deutlich schwieriger, aber die Öffnung läuft. Zum Beispiel basiert die automatische Bremshilfe, die Toyota seit 2015 in die eigenen Kompaktautos einbaut, auf einer Kamera-Radar-Einheit von Continental. Viele Sensoren für japanische Assistenzsysteme stammen von Bosch. Auch Honda öffnet sich immer mehr. Mazda und Subaru buhlen offen um Bewerbungen von externen Zulieferern. Die Erfahrung der Lieferengpässe nach dem Erdbeben vom März 2011 haben diese Internationalisierung noch beschleunigt. Die Chancen europäischer Zulieferer in der japanischen Automobilindustrie waren nie besser.

Zu viele Hersteller, zu wenig Innovationen, zu starker Fokus auf der Produktion – Japans Autoindustrie verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Übernahmen scheinen unausweichlich – was auch den Weltmarkt umkrempeln könnte.
von Martin Fritz

Welche Strategien sollten sie beim Japan-Einstieg verfolgen?
Ein „Greenfield“-Ansatz in Japan ist nach wie vor schwierig. Der Auto- und Karosseriebauer Karmann zum Beispiel hatte Erfolg mit einer Fabrik in Yokohama. Als die deutsche Mutter in Konkurs ging, war diese Fabrik ihr wertvollstes Asset und unterstützte später das Wachstum des Käufers Magna Steyr in Japan. Aber der übliche Weg ist ein Joint Venture oder eine Übernahme. Auch wenn die Innovationsfähigkeit von Übernahmekandidaten in der Regel nicht allzu hoch ist, sind sie bestens fähig, Technologien nach Anforderungen japanischer OEMs anzufertigen. Sie haben häufig gut ausgebildete, loyale und hart arbeitende Ingenieure. Allerdings tun sich diese oft familiengeführten Firmen schwer, komplett zu verkaufen und für die Hürde der Post-Merger-Integration werden Spezialisten benötigt.  

Japan gilt als schwierig für Investoren. Ist die Rendite für dieses Risiko hoch genug?
Viele europäische Zulieferer könnten kräftig wachsen, wenn sie mit japanischen OEMs so viel Umsatz machen würden wie der japanische Anteil an der Weltproduktion, nämlich rund dreißig Prozent. Der Schlüssel zum Erfolg mit japanischen OEMs ist jedoch nach wie vor eine solide Präsenz in Japan. Wer dort Engineering und Produktion hat, wird automatisch für Produktionen in China und allen anderen Regionen weltweit favorisiert werden. Die aktuelle Notwendigkeit japanischer OEMs, ihre Zuliefererbasis auszubauen in Kombination mit der Bereitschaft vieler ihrer mittelständischen Zulieferer, für Joint Ventures oder über M&As zu verhandeln, sind das perfekte „Fenster der Gelegenheit“ für einen Einstieg in Japan.

VW-Chef Matthias Müller kann das Dieselgate-Chaos nicht stoppen. Toyota hängt Müller bei dessen „Zukunftsthemen“ wie Hybrid- und Elektroautos weiter ab – ein Strategievergleich in sechs Punkten.
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Was sollten ausländische Zulieferer bei ihren Verhandlungen beachten?
Verhandlungen folgen meist einem strikten Prozess, der jenseits der Logik westlicher Manager liegt. In vielen Fällen ist für japanische Zulieferer die Zukunft des Unternehmens sowie seiner Mitarbeiter oder die Chance, plötzlich wieder wettbewerbsfähiger zu werden, wichtiger als der direkte finanzielle Nutzen einer Partnerschaft, einem Joint Venture oder einer M&A-Aktivität. Steht die japanische Seite unter Druck, gegenüber ihren Kunden das Gesicht zu wahren, kann man unter Umständen schnell zum Zuge kommen. Ich empfehle auch, über den japanischen OEM an das Beteiligungs- oder Übernahme-Ziel heranzugehen. Dann sitzt der Hauptkunde des Zulieferers quasi schon mit im Verhandlungsboot.

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