WirtschaftsWoche: Herr Schädlich, wo liegen die Unterschiede bei Autozulieferern in Europa und Japan?
Markus Schädlich: Europäische Zulieferer sehen sich als Systempartner ihrer Kunden, unterstützen und treiben Innovationen in der Fahrzeugentwicklung voran und helfen ihnen durch Investitionen und Knowhow bei der Globalisierung. Die breite Basis solcher unabhängigen Systemzulieferer in Europa ist einer der Gründe für den globalen Erfolg der europäischen und insbesondere der deutschen Automarken und Zulieferer in den letzten Jahren. In Japan lassen sich solche Systemzulieferer an den Fingern einer Hand abzählen. Der Großteil sind Komponentenhersteller (Buhin Maker), die nach den Vorgaben der Autohersteller (OEM) fertigen. Ihre selbständige Innovationsfähigkeit entspricht ihren Margen: gering bis Null.
Was sind die Vorteile, was die Nachteile des japanischen Systems?
Das japanische System spart Kosten, weil die Zulieferer keine großen Entwicklungsteams brauchen. Der Zulieferer ist auf Applikation und Produktionsdesign spezialisiert, der OEM kümmert sich um Innovation. Aber das hat Japan in den Galapagos-Effekt gebracht: Der Ansatz der Japaner ist bis heute noch produktions- und qualitätsgetrieben. Das reicht vielleicht noch für Japan. Aber die Kunden im Ausland verlangen inzwischen auch ein vielfältiges, ansprechendes Innen- und Außendesign und ein spezifisches Fahrerlebnis, angepasst an unterschiedliche Märkte. Zusätzlich wird die Integration des Infotainments in das lokale Netzwerk immer wichtiger. Als jüngste Anforderungen sind unterstützende Assistenzsysteme und die Elektrifizierung dazu gekommen. Hier bremst das traditionelle Verhältnis von OEM und Zulieferern.
Haben Sie Beispiele dafür, dass die bisherigen Keiretsu-Strukturen in Japan nicht flexibel und agil genug für den rapiden Wandel der Autoindustrie sind?
Zum Beispiel haben die japanischen OEMs bis vor kurzem Motoren mit Turbo-Lader sträflich vernachlässigt. Daher hat auch kaum ein japanischer Zulieferer in diesem Bereich gearbeitet. Ein zweites Beispiel sind die elektronischen Bordnetze. Hard- und Software und Protokolle sind häufig auf japanische Standards oder OEM-Standards zugeschnitten. Weltweit genutzte Diagnose- und Steuerungstools können somit nicht verwendet werden. In Europa sind viele Systeme, Strukturen, Soft- und Hardwarewerkzeuge vereinheitlicht. Dadurch können die Systemzulieferer für mehrere Unternehmen arbeiten, Kosten sparen und weltweit unterstützen.
Wie kommen die Japaner aus dieser gefährlichen Sackgasse heraus?
Sie müssen Partnerschaften mit global agierenden System-Lieferanten aufbauen, um ihre Grenzen von Innovation und Zuliefererkooperation zu überwinden. Verschiedene große deutsche Zulieferer haben sich durch Akquisitionen und Integration japanischer Organisationen bereits erfolgreich ihren Weg in Japan gebahnt. Gleiches gilt für einige Hidden Champions wie Webasto, JOST, Stabilus, IAV, Eberspächer. Die Unternehmen, die in ihre Beziehungen mit japanischen OEMs investiert und sich als loyal erwiesen haben, verdienen heute gutes Geld in Japan, weil ihre Innovationskraft die OEM-Landschaft unterstützt und dies respektiert wird.