Die Schockwellen nach dem Bekanntwerden der Betrügereien sind in der März-Statistik des Verbands der chinesischen Autobauer bereits zu sehen. Offiziell wurden nur noch 46 Prozent mehr E-Autos mehr verkauft als im Vorjahresmonat. Eine solche Zahl würde in Deutschland freilich Begeisterungsstürme auslösen. Doch im Januar war die Zahl noch um 170 Prozent gewachsen und im gesamten Jahr 2015 um 340 Prozent.
Wie schnell das Interesse an Stromern erlischt, wenn die Behörden den Subventionshahn abdrehen, zeigt sich in Shanghai. Dort wurden 2015 rund 5000 der insgesamt 43.000 Plug-In-Hybride in China zugelassen, weil die Fahrzeuge sofort ein Nummernschild bekamen. Normalerweise werden die Schilder verlost. Seit diesem Jahr ist das allerdings an eine Bedingung geknüpft. Der Halter muss nachweisen, dass er tatsächlich elektrisch unterwegs ist und sein Auto regelmäßig zu Hause an der Steckdose lädt.
„Die meisten Halter haben schlicht die Prämie kassiert und dann den Verbrennungsmotor genutzt“, so Jochen Siebert, von JSC Automotive Consulting, der den chinesischen Markt von Shanghai aus beobachtet. Seit die neue Regelung in Kraft getreten ist, streben die Neu-Zulassungen der Steckdosen-Hybride in Shanghai gen null.
Kein Wunder, denn so gut wie kein Chinese findet am heimischen Wohnblock eine Ladestation. Die Zentralregierung will mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm ändern, doch die Chancen auf Umsetzung stehen schlecht – Eigentümer und Wohnungsbaugesellschaften sehen nur Kosten und Aufwand – kaum Nutzen.
Die Statistiken entpuppen sich umso mehr als Blendwerk, je tiefer man in sie eindringt. Die Top zehn der meistverkauften Stromer und Steckdosen-Hybriden bestreiten die chinesischen Hersteller allein. Nicht aber, weil ihre Produkte dem Angebot der westlichen Autobauer so überlegen wären, sondern weil sie auf die gewährten Subventionen hin optimiert sind.
„Das ist alles altes Gelumpe mit ein bisschen Elektronik“, so das vernichtende Urteil von Jochen Siebert. „Das ist keine ernst zu nehmende Konkurrenz für westliche Elektroautos“, erklären Ingenieure eines deutschen Premiumautobauers hinter vorgehaltener Hand. Nicht ein einziges der batteriebetriebenen Modelle sei international wettbewerbsfähig. „Kreisliga gegen Champions League“, bemüht Siebert eine Analogie aus dem Fußball.
Auch die chinesischen Medien prangern mittlerweile die verfehlte Industriepolitik der Regierung an. Es sei peinlich, heißt es sinngemäß in den Tageszeitungen Shanghai Daily und China Daily, was die chinesischen Autohersteller als Elektromobile hervorbrachten. Vom Ziel der chinesischen Regierung einen Global Player für E-Autos zu schaffen sei man Lichtjahre entfernt. Clemens Wasner von EFS: „Die schiere Größe des Landes wird dafür sorgen, dass in China so viel Elektroautos verkauft werden wie nirgends sonst auf der Welt. Dies bedeutet aber keineswegs, dass China dadurch zu einem Leitmarkt wird, denn qualitativ haben die chinesischen Autohersteller derzeit nichts zu bieten. Sie werden auch in fünf Jahren nicht zu den weltweit führenden Anbietern von E-Autos gehören“.
Bis 2020 werden die Prämien für Elektro-Fahrzeuge auf null sinken. Gleichzeitig schreibt Peking einen deutlich niedrigeren Kraftstoffverbrauch der Flotten eines Herstellers. 2020 dürfen die Autos eines Konzerns im Schnitt dann nur noch fünf Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen. In Peking gilt der Wert schon ab 2018. Ohne stärkere Elektrifizierung und Hybridisierung ist das nicht zu schaffen. „Dann schlägt auch die Stunde der deutschen Hersteller“, sagt Siebert. Daimler, Audi und BMW haben bereits mit der Hybridisierung ihrer Flotten begonnen. VW zeigt auf der Automesse in Peking einen sportlichen Geländewagen mit Plug-In-Hybrid-Antrieb.
Wie gut die deutschen Hersteller ihre großen Hybride in China noch verkaufen können, wird sich weniger auf der Automesse in Peking zeigen. Zetsche, Müller Krüger und Co sollten eher auf die Zulassungszahlen in Shanghai schauen – auch wenn diese inzwischen ernüchternd ausfallen.