Automobilindustrie Deutsche Autobauer geraten unter Beschuss

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Gefährliche Mischung

Die Kostenexplosion trifft die Autobauer ausgerechnet in einer Zeit, in der es vielen Konzernen so schlecht geht wie nie zuvor – eine gefährliche Mischung.

  • In Europa herrscht ein knallharter Verdrängungswettbewerb, weil der Markt auch auf lange Sicht nicht wachsen wird. Nach einer Prognose der amerikanischen Unternehmensberatung Alix Partners gehört der Kontinent zu den Regionen der Welt, auf denen sich der Autoabsatz bis 2016 am schlechtesten entwickeln wird. Gerade 91 Prozent der Fahrzeug, die 2007 neu verkauft wurden, finden dann einen Abnehmer. Wie gnadenlos der Wettbewerb in dem stagnierenden Markt ausgetragen wird, lässt sich an den ruinösen Rabattschlachten ablesen, die sich die Autobauer schon jetzt bieten. Selbst in Deutschland, wo der Absatz mit gut zwei Prozent Rückgang im laufenden Jahr noch zu den stabilsten in Europa gehört, grassieren die Preisnachlässe. „Das Rabattniveau ist in Deutschland auf Rekordhöhe“, sagt Automobil-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. „Die Rabatte sind höher als zum Höhepunkt der letzten Krise 2009.“ Durchschnittlich mehr als 18 Prozent Rabatt würden im Internet für die beliebtesten Modelle gewährt. Fiat gewähre für einzelne Modelle fast 27 Prozent Rabatt, Renault und Peugeot rund 25 Prozent.

  • Hersteller wie Peugeot Citroën (PSA) aus Frankreich oder Fiat aus Italien haben schlechte Karten. Sie sind in den schnell wachsenden Schwellenländern kaum vertreten und müssen sich in erster Linie in Europa behaupten. Zwar haben auch Fiat und PSA die Expansion nach China angekündigt, doch der Sprung nach Osten kommt zu spät. Fabriken für sechs Millionen Fahrzeuge bleiben in China bereits ungenutzt – das entspricht der gesamten Produktionskapazität Deutschlands.

Fiat-Chef Sergio Marchionne Quelle: dapd
  • Der Markt für die klassischen Massenmarken wird in Europa zudem immer kleiner. 1993 gehörten noch 90 Prozent aller in Europa verkauften Autos zu diesem Mittelsegment, dem Marken wie VW, Opel, Renault oder Toyota zuzurechnen sind. Nur jedes zehnte abgesetzte Fahrzeug stammte von Premiumherstellern wie Audi, BMW oder Mercedes. Inzwischen schrumpfte das Mittelsegment jedoch auf unter 20 Prozent. Verdrängt wurde die automobile Mittelschicht zum einen von teureren Premiumautos, die rund 40 Prozent des Marktes eroberten. Zum anderen legten preiswertere Marken wie Skoda, Kia, Hyundai oder Chevrolet zu und kommen nun ebenfalls auf 40 Prozent Marktanteil. Von beiden in die Zange genommen wurden die französischen Marken und Fiat, deren Chefs keine geeignete Gegenstrategie einfiel.

  • Wegen der anhaltenden Absatzschwäche in Europa lasten Überkapazitäten wie Blei auf vielen Konzernen. Ab 80 Prozent Auslastung gilt ein Autowerk als profitabel – im europäischen Durchschnitt werden 2012 und in den Folgejahren jedoch nur 75 Prozent erreicht, wie aus einer Untersuchung des Brancheninformationsdienstes IHS Global Insight hervorgeht. Fiat schafft in diesem und im nächsten Jahr nicht einmal 60 Prozent, PSA und Renault liegen bei rund 75 Prozent. Das verteuert die Produktion jedes Autos extrem. Freuen können sich dagegen vor allem die deutschen Autobauer, die ihre hiesigen Werke im Schnitt zu über 80 Prozent auslasten. BMW darf von 2014 an sogar mit mehr als 90 Prozent rechnen.

  • Die Euro-Krise verschärft die Lage dramatisch. In Europa werden nach Berechnungen von Alix Partners in diesem Jahr bereits 815 000 Autos weniger verkauft als 2011. Renault wurde in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres rund 20 Prozent weniger Autos los, Fiat 17 Prozent und PSA 15 Prozent weniger.

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