Automobilindustrie Was die Luxusstrategie von Mercedes gefährlich macht

Die riskante Luxusstrategie bei Mercedes. Quelle: Presse

Der Daimler-Konzern will das Taxigeschäft und die wenig profitable A- und B-Klasse aufgeben. Doch die neue Luxus-Strategie der „Economics of Desire“ hat betriebswirtschaftliche Tücken, warnt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer in einem Gastbeitrag.

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Im Dezember 2021 wurde der Daimler-Konzern aufgespalten. Zum einen in die Mercedes-Benz Group, die das Pkw- und Transporter-Geschäft betreibt, und in Daimler Truck, die mit rund 100.000 Beschäftigten der weltgrößte Nutzfahrzeughersteller sind. Seit der Aufspaltung verfolgt die Mercedes-Benz Group mit Pkw und Transporter noch konsequenter ihre Luxusstrategie. Mercedes-Benz will „die wertvollste Luxus-Automobilmarke der Welt“ werden. So der Anspruch des Mercedes-Benz-Managements, der am 19. Mai 2022 an der französischen Côte d’Azur den Investierenden vorgestellt wurde.

Der Absatz im Top-Luxus-Segment soll mit vier Untermarken – Maybach, AMG, G-Klasse, S-Klasse – kräftig gesteigert werden, die Umsatzrendite soll stabil bei 14 Prozent liegen. Die wenig profitablen Autos der A- und B-Klasse sowie das Taxi-Geschäft werden aufgegeben. Mercedes wird Luxusperle. Dazu hat man die „Economics of Desire“ erfunden. Der Anspruch lautet, „die begehrenswertesten Autos der Welt zu bauen“, so der Vorstandsvorsitzende.

Mercedes driftet ab in die Welt der Reichen und Schönen, in die Welt der herausragenden Gewinne als Liebling der Börse. Nicht ganz vergleichbar, aber ähnlich sollte die Deutsche Bank unter ihrem früheren Chef Josef Ackermann eine Ertragsperle werden. 25 Prozent Eigenkapitalverzinsung hatte damals Josef Ackermann als Ziel vorgegeben. „Economics of Desire“ war für Ackermann das Investment-Banking. Der Schweizer manövrierte die Deutsche Bank in eine lebensbedrohliche Lage.

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Natürlich sind das Auto- und Bankgeschäft unterschiedliche Dinge. Dennoch stellt sich die Frage, ob man sich mit den „Economics of Desire“ nicht große Risiken einhandelt. Eine französische Luxusmarke scheint die Gedanken der Mercedes-Manager stark inspiriert zu haben: Hermès, der Hersteller von edlen Taschen und teuren Accessoires. Neulich wurde bei Sotheby eine Birkin Bag von Hermès versteigert. Die Damenhandtasche erzielte den Erlös von 107.000 Euro. Wahrer Luxus, eine Welt in der Taxifahrer und A- oder B-Klasse keinen Platz haben.

Hermès macht rund sieben Milliarden Euro Umsatz mit 16.600 Beschäftigten. Mercedes-Benz erzielte zuletzt 168 Milliarden Euro Umsatz mit 172.000 Beschäftigten: ein kleiner Unterschied. Ist ein  hochprofitabler Luxusautohersteller – ein Giga-Rolls-Royce – mit 170.000 Beschäftigen vorstellbar?

Dazu ein paar Fakten: Wenn die letzte Mercedes A-Klasse und B-Klasse der Kundschaft übergeben werden, fehlen dem Autobauer mehr als 400.000 Fahrzeugverkäufe pro Jahr. Über die vergangenen vier Jahre hatte die A/B-Klasse einen Anteil von 20 Prozent am Produktmix der Mercedes Cars ohne Smart und Transporter. Smart ist bei Mercedes bald Historie, nicht mehr als ein Joint Venture mit einem chinesischen Fahrzeugbauer. Wenn wir jetzt die weltweiten Verkaufszahlen von Mercedes ohne Smart und Transporter des vergangenen Jahres mit BMW vergleichen, fällt ein dickes Minus auf. Danach hat BMW 636.000 Fahrzeuge mehr gebaut als die Desire of Economics Company. Und auch Audi, die immer noch am Nachhall der Dieselbetrügereien leiden, hatte 66.000 Fahrzeuge mehr verkauft als die Edel-Stuttgarter.



„Economics of Scale“ treiben die Wettbewerbsfähigkeit im Autogeschäft. Mit der Kündigung der Taxifahrer sowie der Käuferinnen und Käufer von Kompaktfahrzeugen hat Mercedes im Pkw-Bereich deutliche Volumennachteile. Diese Kostennachteile machen sich in drei oder vier Jahren voll bemerkbar, wenn die heutigen A/B-Klasse-Modelle auslaufen und das Taxigeschäft eingestellt ist.

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Zusätzlich verändert sich die Autoindustrie elementar, zum einen mit dem Elektroauto, zum anderen mit der sogenannten Software Defined Car. Im VW-Konzern braucht es zukünftig nur noch eine Elektrofahrzeugplattform, auf der alle Elektroautos basieren. Kostenpunkt und Differenzierungsfaktor sind dann die Batterien. Jährlich laufen dann bei VW zehn Millionen Fahrzeuge auf einer Plattform, einer Batterie-Einheitszelle.

Die Beschreibung macht deutlich, dass Scale Economics in der Autoindustrie von morgen Quantensprünge ausmachen. Das gilt noch mehr bei der nächsten Revolution, dem softwaregetriebenen Fahrzeug, dessen Paradedisziplin das autonome Fahren sein wird. Software wird einmal entwickelt und mit variablen Kosten von null dupliziert.

Die Autoindustrie bewegt sich in eine völlig neue Ära der Super Scales. Das größte Risiko der Economics of Desire sind die Super Scales. Entweder Mercedes kauft bei Lieferanten Stangenware, etwa bei Batteriezellen von Fiat, Peugeot oder Opel oder die Software von Apple, Google oder anderen, um im Kosten- und Preiswettbewerb der Mittelklasse und oberen Mittelklasse – also der Mercedes C-und E-Klasse – wettbewerbsfähig zu sein. Oder die Preise laufen davon, gefolgt von der Kundschaft.

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Ein Zurück gibt es in der Autowelt von morgen nicht. Wer die Scales verloren hat, kann nur klein bleiben. Gegen ein bestehendes natürliches Monopol anzukämpfen, gleicht dem Kampf gegen Windmühlen. Die Marge kann hoch bleiben, aber man sitzt in der Nische, eben Hermès statt Mercedes.

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Der Beitrag ist zuerst erschienen in: Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 102. Jahrgang, Heft 7/2022.

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