Automobilindustrie Deutsche Autobauer geraten unter Beschuss

Seite 6/6

Zögerliche Werksschließungen

Mit einem solchen Befreiungsschlag könnte die europäische Autoindustrie die durchschnittliche Auslastung der US-Fabriken erreichen. Die erreichen die Amerikaner, weil sie seit 2007 vor allem während der Insolvenz von General Motors und der heutigen Fiat-Tochter Chrysler in den USA 18 Werke dichtmachten. In Westeuropa schlossen im gleichen Zeitraum nur drei Werke. Gleichzeitig wurden aber in Osteuropa und Russland acht neue Werke gebaut, die nun vom Osten her den Markt überschwemmen.

Gewerkschaften verzögern Werksabbau

Für den zögerlichen Abbau von Produktionskapazitäten in Europa gibt es einen entscheidenden Grund. „Die Schließung von Werken dauert aufgrund der starken Stellung der Gewerkschaften wesentlich länger und ist erheblich teurer als in den USA“, sagt Alix-Partners-Berater Elmar Kades. Selbst wenn jetzt das Aus für Werke beschlossen werde, entlaste das die Hersteller deshalb erst in einigen Jahren. Zunächst gebe es „sehr hohe Schließungskosten“.

Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob ein „Autozar“, wie Credit-Suisse-Analyst Ellinghorst rät, die Probleme der Branche lösen könnte. Zwar hatte US-Präsident Barack Obama damit Erfolg und sorgte dafür, dass die Hersteller seines Landes in ihrer Heimat die Überkapazitäten loswurden und Gewinne einfahren.

Doch seine Autorität verdankte der Yankee-Zar Steven Rattner den Anteilen, die der amerikanische Staat an den insolventen Konzernen GM und Chrysler übernahm. Derlei scheint in der EU ausgeschlossen. „Dennoch könnte ein Autozar Einfluss haben“, glaubt Ellinghorst, „etwa wenn die Politik dafür sorgt, dass er mit dem für die Werksschließungen nötigen Geld von der Industrie und der EU ausgestattet wird.“ Zudem könnte er Schließungen koordinieren.

Opel allein zu Haus

Äußerst gering sind die Chancen, dass Opel von solchen industriepolitischen Überlegungen jemals profitieren könnte. Der Autobauer hat die gleichen Probleme wie Fiat, PSA und Renault, als Tochter des US-Konzerns GM aber keine starke Lobby in Europa. Auf staatliche Rettungsaktionen wie in Frankreich oder Italien kann Opel allein schon deshalb nicht hoffen, weil der Rest der deutschen Autoindustrie so blendend dasteht.

Zudem hat die Konzernzentrale in Detroit mit dem Rückzug ihres Verkaufsangebots für Opel die rettungsbereite Bundesregierung 2009 an der Nase herumgeführt. Das hat die nicht vergessen.

So muss Thomas Sedran, der neue Opel-Interims-Chef, der bis vor wenigen Monaten für die Restrukturierungsberatung Alix Partners tätig war, ohne staatliche Rückendeckung arbeiten. Als Berater predigte er jahrelang den Abbau von Überkapazitäten in Europa. Nun kann er bei Opel, dessen Werke nur zu rund zwei Drittel ausgelastet sind, ernst machen – und zum Vorbild für Fiat, Renault und PSA werden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%