Autonome Autos auf der CES Deutschland verliert das Wettrennen ums autonome Fahren

Rinspeed Snap Quelle: Rinspeed

Elon Musk hat versprochen, dass Tesla-Autos 2018 weitgehend von alleine fahren. Doch selbst in den USA wird das autonome Auto nicht so bald den Durchbruch schaffen – und Deutschland ist noch langsamer.

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So manch ein Spötter fühlt sich bei autonomen Autos an das bisherige Schicksal der Elektroautos erinnert: Hoch gepriesen, oft angekündigt, aber noch immer nicht im Massenmarkt angekommen.

Eben jene Kritiker können sich auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas bestätigt sehen. Dort nisten sich mehr und mehr Anbieter aus der Autobranche zwischen den Ständen von Samsung, LG und Co ein. Sie nutzen die Plattform zwischen 4K-Fernsehern, Kameras und Smart-Home-Anwendungen, um ihre neuesten technologischen Entwicklungen zu präsentieren.

Das war meist das autonome Fahren. Roboterautos, die den Passagieren eine angenehme und unterhaltsame Fahrt bieten und als geteiltes Auto als Teil eines Mobilitätsdiensts zugleich die Großstädte vor dem Verkehrsinfarkt retten. Und unfallfrei sollen sie Verkehr der Zukunft auch noch machen.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

Doch wer nach Jahren der Ankündigungen auf konkrete Serienmodelle gehofft hat, wird enttäuscht. Das neue Elektro-SUV der jungen Marke Byton beherrscht zwar das autonome Fahren nach Level 4 (von 5), kommt aber erst 2019. Und das auch vorerst nur in China. VW zeigt unter anderem den ID Buzz, eine bereits bekannte Studie, die Anfang des kommenden Jahrzehnts mit Elektroantrieb und autonomen Fahrfunktionen die Straßen erobern soll.

Roboterautos erst ab 2021 für Privatleute

Auch Egil Juliussen sieht in den kommenden Jahren keinen schnellen Durchbruch für Robo-Autos. „Die ersten autonomen Fahrzeuge – abgesehen von nachgerüsteten Testträgern – kommen 2019 in den Flotten von fahrerlosen Mobilitätsdiensten“, sagt der Direktor des Automotive Technology Research bei dem Marktanalyseunternehmen IHS Markit.

Seine Prognose: 2021, wenn vollautonome Autos erstmals für Privatkunden käuflich sein werden, geht Juliussen von 51.000 Einheiten aus – weltweit. "Die Vorhersagen von IHS Markit erwarten rund eine Million verkaufter Einheiten im Jahr 2025, die sich über geteilte Fahrzeugflotten und Autos in Individualbesitz verteilen", sagt der Analyst.

Ob die Millionen-Marke nun als Durchbruch gilt oder nicht: Die Entwicklung ist laut Szenario der IHS-Forscher nicht aufzuhalten. 2040 gehen sie von 33 Millionen autonomen Fahrzeugen pro Jahr aus. Mit einer interessanten globalen Verteilung:

  • In den USA werden ab 2019 die ersten autonomen Fahrzeuge im Einsatz sein. Nicht nur dank Waymo, General Motors und Uber sind viele Bundesstaaten wie auch die US-Regierung technologiefreundlich gesinnt und dürften das ohnehin bereits offene Regelwerk noch stärker auf autonome Fahrzeuge zuschneiden. In den USA machen die angekündigten Testflotten den Anfang. 2021 kommen hier die ersten Autos für Privatkunden. Volumen 2040: 7,4 Millionen autonome Autos pro Jahr.
  • In China werden bald Gesetze für Tests und Entwicklung autonomer Fahrzeuge erwartet. Danach dürfte es schnell gehen: Mobilitätsdienste, die sich bereits heute in chinesischen Großstädten etabliert haben, werden auf autonome Fahrzeuge umstellen. Die Experten gehen davon aus, dass auch die fahrerlose Variante bei der technikaffinen Bevölkerung beliebt ist. Volumen 2040: 14,5 Millionen autonome Autos pro Jahr.
Wer beim autonomen Auto die meisten Patente hat
Google Waymo Quelle: AP
Platz 9 - DaimlerDer F015 zeigt, wohin die Reise von Daimler geht. Das Konzeptfahrzeug der Schwaben auf der CES hat kein Lenkrad. Mit 339 Patenten landet Daimler im Vergleich mit den deutschen Konkurrenten allerdings auf dem letzten Platz. Quelle: REUTERS
VW-Sedric Quelle: dpa
Toyota Elektroauto Quelle: AFP
BMW Elektroauto Quelle: dpa
Chevrolet Bolt Quelle: REUTERS
Platz 4 - FordDer US-Konzern richtet sich gerade radikal auf die Zukunft aus. Dabei hilft auch eine Kooperation mit dem Fahrdienst Uber auf den Straßen von Pittsburgh. 420 Patente zum selbstfahrenden Auto sind das Resultat. Nur ein Autobauer kann mehr vorweisen. Quelle: AP
  • In Europa ist die regulatorische Lage schwieriger, wie Uber und Co bereits heute erfahren müssen. In dem IHS-Szenario wird Europa also eine andere Entwicklung nehmen als die USA und China. Hier wird die Balance zugunsten autonomer Autos in Privatbesitz kippen – vor allem bei den technologiegetriebenen Premiummarken. Entsprechend geringer fallen die erwarteten Absatzzahlen aus. Volumen 2040: 5,5 Millionen autonome Autos pro Jahr.
  • Außerhalb dieser drei Hauptmärkte kann die Entwicklung sehr unterschiedlich verlaufen. In Ländern wie Japan, Südkorea, Australien und Kanada sehen die IHS-Experten durchaus das Potenzial für eine zügige Entwicklung. In anderen Teilen der Welt seien die Bedingungen aber deutlich schwieriger, was die Entwicklung verlangsame. Volumen 2040: 6,3 Millionen autonome Autos pro Jahr.

Tech-Unternehmen drängen ins Geschäft

Der Treiber für die Entwicklung sind klar die Mobilitätsdienste. „Mobility-as-a-Service ist ein Segen für das autonome Fahren, und es wird helfen, die Technologien zu beweisen und zu verbessern“, erwartet Jeremy Carlson, Hauptanalyst bei IHS Markit. „In dieser Zeit kann die Industrie die Beziehung zwischen Auto und Fahrer sowie die Benutzererfahrung neu definieren.“

Für die etablierten Autobauer kann das entscheidend werden: Derzeit drängen Technologieunternehmen wie die Google-Schwester Waymo, Apple und viele andere Konzerne ohne eigenen Autobau in die Branche, vor allem bei technologisch getriebenen Themen wie selbstfahrenden Autos oder Fahrvermittlungsdiensten. Auch die CES-Premiere Byton wird von Tencent aus China und Foxconn aus Taiwan finanziert.

Sprich: Warum sollte ein Nutzer in wenigen Jahren auf seinem Smartphone das Mobilitätsangebot von Daimler oder Audi aufrufen, wenn er über Google eine Fahrt viel günstiger und vermutlich mit geringeren Hürden vermittelt bekommt?

Ein Bildschirm auf Rädern
Byton Concept auf der CES Quelle: Byton
Byton Concept auf der CES Quelle: Byton
Byton – der Name soll für „Bytes on Wheels“ stehen – wurde erst vergangenes Jahr gegründet.
Byton Concept auf der CES Quelle: Byton
Byton Concept auf der CES Quelle: Byton
Byton Concept auf der CES Quelle: Byton
Byton Concept auf der CES Quelle: Byton

Der Ansatz der Unternehmensberatung KPMG: Wenn die Autobauer nicht zum bloßen „Stahlbieger“ verkommen wollten, müssten sie sich vom derzeitigen Wettbewerb untereinander ein Stück weit lösen. „Die 50 größten Autohersteller kommen heute zusammen nur noch auf 20 Prozent der Marktkapitalisierung der 15 größten Technologieunternehmen. 2010 waren es noch 40 Prozent“, sagte KPMG-Autoexperte Dieter Becker. Digitalkonzerne spielten inzwischen in einer ganz anderen Liga. „Vor allem für die Massenhersteller führt kein Weg an Fusionen vorbei, wenn sie den Kampf ums Überleben gegen die Technologiegiganten nicht verlieren wollen.“

Die nächsten fünf Jahre entscheiden

Axel Schmidt, globaler Geschäftsführer für den Bereich Automotive bei der Unternehmensberatung Accenture, sieht noch eine Alternative zu Fusionen. „In den nächsten drei bis fünf Jahren wird sich zeigen, wer das Feld anführt“, sagt Schmidt. „Das Wettrennen wird gewinnen, wer die klügsten Partnerschaften eingeht: Sowohl Tech-Unternehmen wie die Halbleiterhersteller oder klassische Zulieferer, die etwa bei Batterie- und Ladetechnologie wichtige Lücken im Portfolio der Hersteller füllen, sind dafür entscheidend.“

Ein Nissan mit Nasa-Technik
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan

So hat VW im Vorfeld der CES angekündigt, beim autonomen Fahren mit dem US-Start-up Aurora zusammenarbeiten zu wollen. Dessen Gründer ist kein Geringerer als Chris Urmson, jahrelang der Kopf hinter den selbstfahrenden Google-Autos. Auch mehrere Entwickler von Teslas Autopilot arbeiten inzwischen für Aurora. Das erklärte Ziel der Partnerschaft: Die Entwicklung selbstfahrender Elektroautos für „Mobility-as-a-Service“-Dienstleistungen.

2018 zieht die KI ins Auto ein

Nicht nur aus Schmidts Sicht ist sich die Branche einig, dass sowohl Elektroautos als auch das autonome Fahren alternativlos sind. Beim Elektroauto seien die Pläne fertig und in Umsetzung. Doch bis Privatleute vollautonome Autos kaufen können, vergehen „vermutlich noch ein paar Jahre“.

Deshalb glaubt Schmidt, dass sich der Fokus im Jahr 2018 auf ein anderes Thema legen wird, das bald zum größeren Hype werden könnte: die Vernetzung von Autos mit dem Internet. „Hier entscheidet sich vieles, und zwar sehr bald“, meint er.

Ein Beispiel: Aufgrund der Bewegungsprofile weiß das Smartphone, wann die morgendliche Fahrt ins Büro oder ein Termin anstehen. Damit wissen das auch Apple oder Google, nicht aber das Navi des Autos in der Garage. „Die Konnektivität ist vorhanden, die Rechenleistung auch. Aber noch fehlen einfache und effiziente Wege, um mit den Daten zu interagieren“, sagt Schmidts Kollege Gabriel Seiberth. „Genau das verändern Künstliche Intelligenz und Algorithmen gerade.“

Neue Geschäftsmodelle basieren auf Datenanalyse

Seiberths Argument: Fast alle künftigen Geschäftsmodelle, die derzeit diskutiert werden – also Sharing-Dienste, Mobilitätsdienste oder schlichtweg Services rund um Elektroautos –, verlangen nach einer intelligenten Datenverarbeitung im Auto. „Neue Technik macht eine sinnvolle Nutzung der Daten möglich – und das ist ein entscheidender Schritt“, so Seiberth.

Die „in-vehicle-AI“ (Artificial Intelligence, Künstliche Intelligenz), wie Schmidt und Seiberth sie nennen, sei weitgehend marktreif. „Dienste wie Amazons Alexa oder der Google Assistant bringen KI ins Auto, die dem Nutzer auch zu Hause und bei der Arbeit zur Verfügung stehen“, sagt Schmidt. „Auf diese Weise wird das vernetzte Auto endlich vom Transportmittel zum wirklich nützlichen Mobilgerät.“

Wie das selbstfahrende Auto die Wirtschaft jenseits der Fahrzeugbauer verändert

Dort liegt eine weitere Herausforderung für die „Stahlbieger“: Die genannten KI-Systeme kommen von US-Größen. „Künstliche Intelligenz revolutioniert das Auto“, sagt auch VW-Markenvorstand Herbert Diess auf der CES. „Autonomes Fahren, emissionsfreie und digital vernetzte Mobilität sind ohne Fortschritte bei künstlicher Intelligenz und ‚Deep Learning‘ nicht möglich.“

Im selben Atemzug kündigte Diess an, einen intelligenten Co-Piloten entwickeln zu wollen – zusammen mit dem Chiphersteller Nvidia. Und Sie ahnen schon, wo Nvidia seinen Hauptsitz hat: in Santa Clara, Kalifornien.

Ethische Grundregeln für autonome Autos

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