Autonomes Fahren Warum die Autobauer neue Partner brauchen

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Auch die Konkurrenz drückt aufs Tempo

Auch Konkurrent Intel drückt aufs Tempo. Spätestens mit dem Kauf von 84 Prozent an der israelischen MobilEye für 15,3 Milliarden US-Dollar im August hat sich der Chiphersteller einen zentralen Platz im Automarkt der Zukunft gesichert: Die Israelis sind mit großem Abstand Marktführer für Kameras und Sensoren, die das Nahfeld der Autos erfassen und die optischen Signale in Daten wandeln. Zusammen mit BMW, Fiat-Chrysler, Google, Delphi und Continental bildet Intel/MobilEye nun eine Plattform, die so gut wie alle Komponenten eines selbstfahrenden Autos aus einer Hand liefern kann: von Hochleistungschips und Sensoren über die Steuerelektronik und das Auto selbst bis hin zur Software, die es lenkt.

„Überall in der Industrie bilden sich solche Allianzen und neue Partnerschaften“, meint Philipp Haas, auf die Autobranche spezialisierter Investor bei DJE Kapital Pullach. Daimler etwa setzt auf eine Allianz mit Bosch. Hersteller, die nicht Teil einer Plattform sind, müssen aufpassen, nicht aus der Entwicklung wichtiger Neuerungen herauszufallen.

Neue Nischen für alte Hasen

Um in Zukunft nicht aus der Entwicklung hochautonomer Fahrzeuge ausgeschlossen zu werden, hat sich BorgWarner eine wichtige Nische im Automarkt der Zukunft ausgeguckt: das Energiemanagement. „Was nämlich gerne vergessen wird“, meint Frédéric Lissalde, Vice President des Unternehmens, „ist, dass all die Sensoren und Chips mit ihrer enormen Rechenleistung auch enorm viel Strom verbrauchen werden. Zumal das Autonome Auto der Zukunft ab einem gewissen Punkt auch voll elektrisch sein wird, „diese Energie, die man beim Fahren mitführen kann, also grundsätzlich sehr limitiert ist“, sagt Lissalde.

Wo ein Verbrennerauto die elektrische Energie für Bordsysteme, Licht, etc. beim Fahren mit der Lichtmaschine selbst erzeugt, muss das Auto der Zukunft alles vorher in seinen Akku laden.

„Der Anteil, der nicht für das Fahren von A nach B zur Verfügung steht, weil er von allerhand Sensorik und Steuer-Computern verbraucht wird, wird gleichzeitig um ein Vielfaches größer sein als heute“, sagt Lissalde. BorgWarner entwickelt daher für das autonom-elektrische Auto der Zukunft besonders energiesparende Heizungen und Lüftungen.

Auch neue Player, die aus ganz anderen Branchen kommen, spült der radikale Umbruch ins Autogeschäft – wie Here, ein Unternehmen, das einst dem finnischen Handyhersteller Nokia gehörte. Ohne digitale Daten geht nichts beim Autonomen Fahren. Um nicht völlig in einseitige Abhängigkeit von Geodaten-Weltmarktführer Google zu geraten, kauften die drei deutschen Premiumhersteller Audi, Daimler und BMW zusammen für knapp drei Milliarden Euro den Geodatendienst. Derzeit arbeitet Here an einer so genannten Live Map: die Karte soll, dezentral über die Cloud stets aktualisiert, in Echtzeit Veränderungen an Straßenverlauf- und Beschaffenheit wiedergeben können, etwa neue Baustellen oder Unfälle.  

An einem ähnlichen Projekt arbeitet 3M, bisher eher bekannt für Klebeband, Zahnersatz oder die gelben Post-ist-Papiersticker.

3M-Ingenieurin Anke Kappenhagen hat eine Technologie entwickelt, mit der sich maschinenlesbare Informationen auf Verkehrsschilder bringen lassen.

Technische Details mag sie aus Rücksicht auf den hellhörigen Wettbewerb lieber noch nicht nennen, nur so viel: Auf die Schilder wird eine Art Barcode aufgebracht, der von den Infrarotkameras der Autos gelesen werden kann. „Für Menschen sind die Codes unsichtbar; wir sehen ein normales Verkehrsschild“, sagt Kappenhagen. Aber dem Bordcomputer der Autos vermitteln sie Informationen, wie: „Glatteis in 700 Metern“ oder „Unfall in der nächsten Kurve“.

Der Clou: 3M braucht keine teuren Bildschirme oder LCD-Panels – die vorhandenen Verkehrsschilder genügen als Informationsträger. Auf dem Schild ist immer derselbe optische Code, der in einer Cloud-Datenbank mit wechselnden Informationen hinterlegt wird. Die Schilder selbst müssen nicht neu bedruckt oder beklebt werden. Das System, das in etwa drei Jahren marktreif sein soll, funktioniert auch bei Nacht und Nebel, Schnee und Starkregen – und könnte so ein großes Problem lösen: Bislang scheitern Kameras und Laserscanner oft am schlechten Wetter.

Vor zwei Jahren hatte 3M bei Autoherstellern und großen Zulieferern schon einmal mit der Idee vorgefühlt. „Damals herrschte noch die Haltung vor, alles selbst machen zu wollen“, so Kappenhagen. Inzwischen dürfte den Herstellern klar sein: Das autonome Auto ist zu komplex, um es alleine zu bauen.

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