Autonomes Fahren Deutschland prescht voran

Der Bundesverkehrsminister will selbstfahrende Autos erlauben – mit Einschränkungen. Die Industrie begrüßt den Schritt. Deutschland könnte sogar zum Taktgeber des autonomen Verkehrs werden.

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Verkehrsminister Dobrindt in einem selbstfahrenden Prototypen von Audi. Quelle: Audi

Der Vorstoß kommt überraschend, aber nicht unvorbereitet. Seit Wochen arbeitet Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt mit Hochdruck an einem Gesetzesentwurf zum autonomen Fahren. Noch in den kommenden Wochen will er ihn vorlegen. Sein Ziel: Dobrindt will Deutschland zur treibenden Kraft bei der Entwicklung des autonomen Fahrens machen. Er will schneller und besser sein als die Konkurrenz etwa aus den USA.

Es könnte ihm gelingen. Denn die Initiative von Dobrindt kommt rechtzeitig. Deutsche und ausländische Autohersteller haben bereits zahlreiche Fahrerassistenzsysteme entwickelt, können sie aber nicht voll einsetzen, weil die rechtliche Situation etwa bei Haftungsfragen ungeklärt ist. In einem Jahr, so das Ziel der Bundesregierung, könnten die juristischen Hürden aus dem Weg geräumt sein.

Der Gesetzesentwurf, den Dobrindts Beamte derzeit erarbeiten, will das Straßenverkehrsrecht laut Medienberichten in zwei Punkten ändern: Zum einen erhalten Autokonzerne dadurch überhaupt erst die Möglichkeit, ihre Modelle mit vollautomatisierten Fahrerassistenzsystemen für den Alltagsbetrieb zuzulassen. Zum anderen schafft das Gesetz die Voraussetzungen dafür, dass Fahrer ihre Hände vom Lenkrad nehmen können und sich anderen Dingen widmen dürfen, wie dem Lesen von Online-Seiten oder das Checken von E-Mails. Einzige Voraussetzung: Der Fahrer muss jederzeit in der Lage sein, die Kontrolle übernehmen zu können.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

Die Initiative von Dobrindt ist klug. Es schafft Absatzchancen für deutsche Premiumhersteller im eigenen Land, selbst wenn komplett autonom fahrende Autos weiterhin nicht zugelassen werden. „Wir werden in naher Zukunft selbstfahrende Autos haben und wir als Daimler werden ganz vorne dabei sein“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche in der aktuellen Ausgabe der WirtschaftsWoche. Allerdings seien „noch nicht alle Aufgaben gelöst“. Der tragische Vorfall eines verunglückten Tesla-Fahrers zeige, dass es eine intensive Debatte um den verantwortungsvollen Umgang mit der Technik geben müsse. „Wir als Hersteller haben die Verantwortung zu diesem Zeitpunkt nur so viel zu wagen, wie man technologisch auch beherrscht.“

Die Bundesregierung setzt genau da an: behutsame Regulierung statt blinde Freigabe. Und sie erarbeitet damit Standards, die als Blaupause für internationale Rechtsnormen gelten können. Denn noch ist kein Land weltweit uneinholbar vorgeprescht. Zwar haben einige US-Bundesstaaten wie Kalifornien, Florida, Nevada und Washington D.C. Gesetze erlassen, die automatisiertes Fahren ermöglichen. Doch auch dort verpflichtet das Gesetz die Hersteller zum Einbau eine Lenkrades und Sicherheitskomponenten. Außerdem muss der Fahrer immer wieder die Kontrolle über die Steuerung übernehmen können. Komplett autonomes Fahren, das dem Fahrer einen Schlaf auf der Rückbank erlaubt, ist auch im progressiven Amerika nicht möglich.

Kalifornien erlaubt noch nicht einmal den Verkauf automatisierter Autos. Die Hersteller müssen Betreiber der Flotten bleiben. Alleinfalls die Vermietung der Autos werde erlaubt, heißt es in dem Gesetzestext. Mit am weitesten ist Florida. Der US-Bundesstaat erlaubt immerhin, dass Testwagen auf einen Fahrer verzichten können. Dennoch bleibt komplett autonomes Fahren kommerziell weiterhin Zukunftsmusik. IT-Konzerne wie Google sind darüber enttäuscht.

So gibt es in den USA bis heute auch noch kein nationales Gesetz, dass automatisiertes Fahren einheitlich regelt. Vor wenigen Monaten haben deshalb Vertreter von Google, General Motors und dem Ridesharing-Anbieter Lyft die nationale Legislative aufgefordert, Gesetze auf Bundesebene zu erlassen.

Dobrindts Gesetz zum autonomen Fahren wäre damit sogar maßgebend für andere Industrienationen. Künftig soll der Fahrer nicht mehr haften, wenn er sich auf die Technik verlässt. Er muss aber bei Bedarf das Steuer übernehmen können. Streitfragen will Dobrindt über eine Blackbox regeln, die im Auto eingebaut werden muss und die Daten speichert.

Viel mehr kann der Verkehrsminister ohnehin nicht regeln. Ihm sind die Hände gebunden. Laut Wiener Abkommen, eine Übereinkunft von 74 Nationen (die USA haben nicht ratifiziert) zum Straßenverkehr, muss ein Fahrer weiterhin die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen können. Komplett autonom fahrende Autos sind also ausgeschlossen. Noch. Mit den Erfahrungen, die der Bund in den nächsten Jahren sammeln wird, könnte Deutschland eine federführende Rolle übernehmen. Der Verkehrsminister hätte das maximal Mögliche angestoßen.

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