Die Google-Schwesterfirma Waymo darf als erster Roboterwagen-Entwickler ihre Autos ohne Sicherheitsfahrer auf öffentliche Straßen in Kalifornien schicken. Die Fahrzeuge sollen zunächst rund um die Zentralen von Google und Waymo in Mountain View und Palo Alto unterwegs sein, wie die Firma am Dienstag ankündigte. In diesem Teil des Silicon Valley sind die selbstfahrenden Autos von Waymo bereits seit Jahren mit Fahrer im Einsatz. Insgesamt haben die Wagen bisher über zehn Millionen Meilen (16 Mio Kilometer) auf öffentlichen Straßen zurückgelegt.
Im benachbarten Arizona mit seiner lockeren Regulierung hält Waymo bereits eine Erlaubnis zum Fahren ohne einen Menschen am Steuer. In dem Bundesstaat baut die Firma gerade einen Robotertaxi-Service für Einwohner eines Vororts der Stadt Phoenix auf.
Kalifornien hat deutlich strengere Regeln für Roboterwagen und sieht diverse Auflagen für den Betrieb von Wagen ohne Sicherheitsfahrer auf öffentlichen Straßen vor. In dem Bundesstaat haben insgesamt rund 60 Firmen – darunter auch deutsche Autobauer und Zulieferer - die Erlaubnis für Roboterwagen-Tests mit Sicherheitsfahrern. Waymo brauchte sechs Monate, um die Zulassung für Roboterwagen ohne Menschen am Steuer zu bekommen. Der Antrag eines weiteren Anbieters sei als unvollständig zurückgeschickt worden, berichtete die „Financial Times“.
Waymo darf Autos ohne Menschen am Steuer in der Stadt, auf Landstraßen und Autobahnen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von knapp 105 Kilometern pro Stunde (65 Meilen pro Stunde) einsetzen. Sie dürfen auch bei Nebel und leichtem Regen fahren. Wenn ein Waymo-Roboterwagen nicht wisse, wie er in einer Verkehrssituation vorgehen solle, bleibe er zur Sicherheit stehen, bis eine Lösung gefunden wird, eventuell auch mit Hilfe von per Funk zugeschalteten Spezialisten. Der Einsatzbereich im Silicon Valley soll mit der Zeit ausgeweitet werden.
Waymo entstand aus dem Roboterwagen-Projekt von Google, bei dem bereits seit 2009 selbstfahrende Autos auf die Straße geschickt wurden. Zunächst wurden umgebaute Toyotas eingesetzt, dann zeitweise auch Elektro-Zweisitzer aus eigener Entwicklung. Aktuell nutzt Waymo hunderte umgerüstete Minivans des Modells Chrysler Pacifica, die mit dem neuen stromgetriebenen Jaguar-Modell I-Pace ergänzt werden sollen.
Schneller schlau: Die fünf Stufen des autonomen Fahrens
Das „assistierte Fahren“ ist bereits in unterschiedlicher Ausprägung bis in untere Fahrzeugsegmente verbreitet. Wie der Name schon sagt, helfen Assistenten beim Fahren. Sie warnen beispielsweise vor Fahrzeugen im toten Winkel, beim Verlassen der Fahrspur oder halten den eingestellten Abstand zum Vordermann. Die Helfer assistieren nur, fahren muss immer noch der Mensch hinter dem Steuer.
Beim „teilautomatisierten Fahren“ kann der Wagen bereits einzelne Fahraufgaben selbst übernehmen, muss dabei aber immer vom Fahrer überwacht werden. Dieses Stadium haben die meisten Autohersteller aktuell erreicht. Beispiel dafür ist ein Stau-Assistent, der im Stop-and-Go-Verkehr lenkt, abbremst und selbstständig wieder anfährt. Der Fahrer muss dabei zwar nicht aktiv lenken, darf die Hände aber nicht vom Steuer nehmen. Tut er das doch, wird er nach wenigen Sekunden vom Auto aufgefordert, das Lenkrad zu greifen. Zuletzt hat sich eine Ausbaustufe der Technik etabliert, die als „Level 2 Plus“ oder „Level 2 Hands Free“ bezeichnet wird und das Loslassen des Steuers explizit erlaubt und auch für längere Zeit toleriert.
Das Auto übernimmt beim „hochautomatisierten Fahren“ in bestimmten Verkehrssituationen diverse Funktionen, kann zum Beispiel längere Autobahnstrecken vollständig allein bewältigen. Der Fahrer muss aber das Steuer nach einer Aufforderung durch das Auto wieder übernehmen können. Theoretisch beherrschen bereits mehrere Pkw-Modelle diese Technik, legal nutzen dürfen sie aktuell aber nur wenige, darunter die Mercedes S-Klasse und der BMW 5er. Einschränkungen gibt es etwa bei Geschwindigkeit und Straßenart – so ist Level-3-Fahren in Deutschland nur auf geeigneten Autobahnabschnitten und mit maximal Tempo 130 erlaubt.
Ist das Fahrzeug „voll automatisiert“, kann das Auto spezifische Anwendungsfälle komplett allein meistern – von der Autobahnfahrt bis zu hochkomplexen urbanen Verkehrssituationen. Der Fahrer kann derweil zum Beispiel schlafen und haftet bei Schäden oder Verkehrsverstößen nicht mehr. Hier verlassen wir den Bereich, den Privat-Pkw heute noch beherrschen. Vollautomatisiert fahren aktuell unter anderem die Robotaxis oder -Shuttle von Mobilitätsdienstleistern, die in lokal begrenzten Gebieten unterwegs sind. Ein weiteres Beispiel ist das auch in Deutschland angebotene „Automated Valet Parking“ von Bosch und Mercedes, bei dem sich Pkw in speziell ausgerüsteten Parkhäusern selbstständig ihren Stellplatz suchen.
Beim „autonomen Fahren“ werden die Insassen vollständig zu Passagieren, nicht mal mehr ein Lenkrad oder Pedale sind notwendig. Das Auto kann alle Fahraufgaben alleine bewältigen. Auf jeder Straße, bei jedem Wetter und in komplexesten Verkehrssituationen. Noch Anfang des Jahrzehnts hofften Ingenieure, die oberste Stufe noch Mitte der 2020er-Jahre erreichen zu können. Das wird nicht passieren. Einige Branchenvertreter zweifeln, ob es jemals so weit kommt. Nicht zuletzt, weil die Kosten wohl so hoch wären, dass sich der Einsatz kaum lohnen würde. Bosch-Experte Lanwer kennt ein weiteres Problem: „So ist es beispielsweise sehr schwierig ein autonomes Fahrzeug auf eine Hebebühne zu bekommen, wenn man es nicht steuern kann.“ Es sieht Level 5 erst mal nicht im Markt, weil es im Vergleich zu Level 4 derzeit keinen Vorteil bringt.
Die Firma arbeitet auch an selbstfahrenden Lastwagen. Branchenexperten sehen Waymo besonders weit bei der Entwicklung von Roboterwagen-Technologie – auch wenn die meisten traditionelle Autohersteller eine enge Kooperation mit der Google-Schwesterfirma scheuen.
Entwickler von Roboterwagen versprechen, dass sie den Straßenverkehr viel sicherer machen werden – schließlich gingen über 90 Prozent der Unfälle auf Fehler von Menschen zurück. Wann selbstfahrende Autos jedoch in großem Stil auf die Straße kommen, ist offen. In diesem Jahr gab es den ersten tödlichen Unfall mit einem Roboterauto: Ein Wagen von Uber erfasste bei einer Testfahrt in Arizona in der Dunkelheit eine Fußgängerin, die die mehrspurige Straße überquerte und dabei ein Fahrrad schob. Ein ausführlicher Untersuchungsbericht zu diesem Unfall steht noch aus.