Autonomes Fahren Warum die Autobauer neue Partner brauchen

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Qualität der KI entscheidet

Deshalb kommt es vor allem auf die Qualität der künstlichen Intelligenz (KI) an, die das Auto steuert. Sie besteht aus selbstlernenden Algorithmen. Und Algorithmen, die Autos steuern, lernen nicht aus Patent-Datenbanken; sie werden nur durch praktische Übung besser. „Im Moment versuchen daher alle Hersteller, möglichst viele komplexe Verkehrssituationen praktisch einzuüben, damit die Steuer-Algorithmen sie beim nächsten Mal erkennen und besser darauf reagieren“, sagt Roland-Berger-Berater Bernhart.

Bei Continental in Frankfurt ist man sich dieser Gefahr offenbar durchaus bewusst. Andree Hohm leitet die Self-Driving-Car-Aktivitäten des drittgrößten deutschen Zulieferers, er sagt; „Conti ist nicht mehr nur Komponenten-Lieferant, sondern baut komplette Systeme; das technische Fundament aber sind nun mal unsere Komponenten.“ Bei Conti arbeiten derzeit 13.500 Software-Experten „auch an K.I“, sagt Hohm. „Wir entwickeln KI-Systeme etwa für die Erkennung von freiem Raum, anderen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur.“ Um beim Steuern des Fahrzeugs die richtigen Entscheidungen zu treffen, sollen Contis Kamera- und Sensorsysteme künftig nicht nur Objekte erkennen, sondern auch aus dem Zusammenhang bestimmter Bewegungsabläufe der Objekte (zum Beispiel Fußgänger, Autos, Radfahrer) auf eine bestimmte Verkehrssituation schließen und entsprechend reagieren können.

Doch Google hat ein riesiges Plus: Im Vorteil ist, wer möglichst viele Kilometer fahren und so die meisten Daten empirisch ermitteln kann. So wie der Internetkonzern Alphabet, zu dem Google gehört. Die Google-Tochter Waymo testet selbstfahrende Autos bereits seit mehr als sechs Jahren auf öffentlichen Straßen. Über zwei Millionen Kilometer sind die kugelförmigen Google-Autos schon gefahren und haben dabei einen wahren Datenschatz eingesammelt.

„Google kann zudem seine weltweit führende KI-Forschung aus anderen Bereichen im Auto einsetzen“, sagt Brian Nowak, Analyst bei Morgan Stanley. So ist der Internetkonzern zum Beispiel führend in der Entwicklung der automatisierten Objekt- und Gesichtserkennung oder bei der Bewegungssteuerung von Robotern – alles Bereiche, die auch die Steuersoftware des autonomen Autos beherrschen muss.

Tesla setzt ebenfalls auf Fahrpraxis statt Patentschutz. Zwar  ist der Ansatz des US-Unternehmens, neue Autopilot-Funktionen schon in einem frühen Entwicklungsstadium auszurollen, in der Industrie umstritten. Konkurrenten werfen der Firma vor, die eigenen Kunden als Betatester zu missbrauchen, sogar gefährliche Situationen in Kauf zu nehmen. „Aber Tesla sammelt auf diese Weise sehr effizient wertvolle Fahrdaten“, sagt Bratzel: Daten, „für die andere Hersteller Testflotten auf wenigen freigegebenen Strecken wie etwa der A 9 cruisen lassen müssen“.

Ohne Chips geht nichts im Robo-Auto

Der technologische Umbruch bringt aber nicht nur die großen Datenkonzerne, sondern auch neue Player ins Autogeschäft. Wie Nvidia. „In der Autobranche kannte die vor zehn Jahren keiner“, sagt Bratzel. Der Chiphersteller aus Santa Clara in Kalifornien hatte sich vor allem mit extrem leistungsfähigen Grafikchips für Computerspiele einen Namen gemacht. Heute gibt Nvidia bei vielen Neuerungen im Auto den Ton an: Mehr als 25 Autobauer und -zulieferer nutzen die Chips zur Datenverarbeitung aus Kameras, Sensoren und Lasern.

Daimler zeigt sein erstes City-Robotaxi
Smart Vision EQ Fortwo Quelle: Daimler
Smart Vision EQ Fortwo Quelle: Daimler
Smart Vision EQ Fortwo Quelle: Daimler
Smart Vision EQ Fortwo Quelle: Daimler
Smart Vision EQ Fortwo Quelle: Daimler
Smart Vision EQ Fortwo Quelle: Daimler
Smart Vision EQ Fortwo Quelle: Daimler

Ohne die Rechnergehirne geht nichts im selbstfahrenden Auto. Ein vollständig autonomes Fahrzeug generiert am Tag etwa 4000 Gigabyte an Daten. Um die in Echtzeit zu verarbeiten, braucht man extrem leistungsfähige Prozessoren. Der Anteil der Mikroelektronik wird von heute 15 bis 2030 auf mehr als 50 Prozent der Wertschöpfung am Auto ansteigen. Das macht Chiphersteller wie Nvidia, Qualcomm und Intel zu mächtigen Playern – mit weit mehr Verhandlungsmacht, als die Autohersteller das von ihren bisherigen Zulieferern kennen.

Nvidia erkannte als erster Chipfertiger dieses Potenzial. Vergangene Woche verkündete der Konzern mit Autozulieferer ZF und der Deutschen Post eine Partnerschaft: Die Post will ihre Elektrotransporter im nächsten Jahr mit einem neuen Nvidia-Chip bestücken, der gleichzeitig die Daten von 16 Ultraschallsensoren, Kameras und Radargeräten auswertet. Damit könnten die Wagen um den Block fahren und den nächsten Parkplatz suchen, während der Fahrer noch Pakete aushändigt. Der neue Nvidia-Chip hat eine Rechenleistung von 400 modernen PC-Prozessoren.

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