Porsche-Fahrer sind gerne das Ziel von Stereotypen. Sportlich, stilvoll und erfolgreich sagen die einen, arrogant und abgehoben die anderen. Über Jahre haftete dem Porsche-Fahrer noch das Image des Traditionalisten an – schließlich fuhr er einen Klassiker (den 911, was sonst), legte Wert auf den Sechszylinder-Boxermotor (luftgekühlt, was sonst), die Einbaulage des Motors (Heckmotor, was sonst), das Getriebe (Handschaltung, was sonst) und über welche Räder all die Kraft auf die Straße gebracht wurde (Heckantrieb, was sonst).
Und wollte Porsche daran irgendetwas ändern, etwa auf einen wassergekühlten Boxermotor umstellen oder eine neue Baureihe mit Mittelmotor auf den Markt bringen, war der Aufschrei in der Fangemeinde groß. Schließlich liebte man sein Auto so, wie es ist. Die Bindung war groß zwischen einem 911 und seinem Fahrer.
Für viele ist es der Sportwagen schlechthin. Von diesem Nimbus lebt die Marke bis heute – und das sehr gut. 3,9 Milliarden Euro haben die Zuffenhausener im vergangenen Jahr verdient. Pro 100 Euro Umsatz macht Porsche 17,40 Euro operativen Gewinn. In der Autobranche hat nur Ferrari einen höheren Rendite-Wert mit 19,20 Euro.
Nur der 911 ist bei Porsche zu einem Modell unter vielen verkommen. Von den knapp 238.000 ausgelieferten Porsches trugen nur 32.365 Autos die drei legendären Ziffern auf dem Heck. Doch was macht das mit der Porsche-Gemeinde? Sind die Fahrer heutiger Porsches immer noch so emotional mit ihren Autos verbunden, wie die 911er-Traditionalisten?
Die emotionale Bindung ist wichtig für eine Premiummarke
Glaubt man Rüdiger Hossiep, lautet die Antwort „nein“. Zum elften Mal hat der Professor für Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum den „Involvement-Index“ erstellt. Dieser gibt an, wie sehr sich ein Autofahrer mit seinem Fahrzeug und dessen Marke auseinandersetzt. „Wir gehen grundlegend davon aus, dass die emotionale Bindung eines Autofahrers an sein Fahrzeug umso höher ist, je mehr er sich darüber austauscht“, sagt Hossiep.
Daher haben der Professor und sein Projektteam die Anzahl der Forenbeiträge bei „Motor-talk.de“ in Relation zu der jeweiligen Anzahl der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge einer Marke gesetzt. Das durchschnittliche Involvement entspricht dem Wert 1,0. Ergebnisse darüber oder darunter ergeben also ein über- oder unterdurchschnittliches Involvement.
Die Top15 im Involvement-Index 2017
Involvement 2017: 0,60 Punkte
Involvement 2016: 0,71 Punkte
Veränderung: -0,11 Punkte / -2 Plätze
Quelle: Involvement-Index 2017
Involvement 2017: 0,65 Punkte
Involvement 2016: 0,36 Punkte
Veränderung: +0,29 Punkte / +5 Plätze
Involvement 2017: 0,68 Punkte
Involvement 2016: 0,49 Punkte
Veränderung: +0,19 Punkte / +4 Plätze
Involvement 2017: 0,76 Punkte
Involvement 2016: 1,01 Punkte
Veränderung: -0,25 Punkte / -2 Plätze
Involvement 2017: 0,87 Punkte
Involvement 2016: 0,95 Punkte
Veränderung: -0,08 Punkte / +-0 Plätze
Involvement 2017: 0,98 Punkte
Involvement 2016: 0,74 Punkte
Veränderung: +0,24 Punkte / +1 Platz
Involvement 2017: 1,05 Punkte
Involvement 2016: 0,29 Punkte
Veränderung: -0,24 Punkte / -2 Plätze
Involvement 2017: 1,09 Punkte
Involvement 2016: 1,17 Punkte
Veränderung: -0,08 Punkte / +1 Platz
Involvement 2017: 1,25 Punkte
Involvement 2016: 1,25 Punkte
Veränderung: +-0,0 Punkte / +1 Platz
Involvement 2017: 1,48 Punkte
Involvement 2016: 1,79 Punkte
Veränderung: -0,31 Punkte / +-0 Plätze
Involvement 2017: 2,76 Punkte
Involvement 2016: 2,66 Punkte
Veränderung: +0,10 Punkte / +-0 Plätze
Involvement 2017: 3,31 Punkte
Involvement 2016: 3,07 Punkte
Veränderung: +0,24 Punkte / +-0 Plätze
Involvement 2017: 3,56 Punkte
Involvement 2016: 3,58 Punkte
Veränderung: -0,02 Punkte / +-0 Plätze
Involvement 2017: 3,92 Punkte
Involvement 2016: 4,16 Punkte
Veränderung: -0,24 Punkte / +-0 Plätze
Involvement 2017: 7,48 Punkte
Involvement 2016: 6,53 Punkte
Veränderung: +0,95 Punkte / +-0 Plätze
In der Auswertung für 2017, die WirtschaftsWoche Online exklusiv vorliegt, kommen die Zuffenhausener nur noch auf 1,05 Indexpunkte und sind damit auf den neunten Rang abgerutscht, noch hinter Marken wie VW, Opel oder Saab – obwohl letztgenannte seit Jahren keine Neuwagen mehr verkauft. „Porsche befindet sich schon seit 2010 in einem langsamen, aber stetigen Abwärtstrend“, so Hossiep. „Dass nun sogar VW und Opel vorbeiziehen, die beide keine großen Involvement-Gewinne verzeichnen können, überrascht dann aber dennoch.“
Die wahrscheinlichste Erklärung: Porsche ist endgültig im Massenmarkt angekommen. Oder zumindest dem Volumenmarkt des Premiumsegments, wenn man so will – und das mit enormen Wachstumsraten. 2012 verkaufte Porsche noch 141.000 Fahrzeuge, 2016 bereits die genannten 238.000 Exemplare. Auf die beiden beliebtesten Baureihen, den Macan und Cayenne, entfallen 165.000 Fahrzeuge. Sprich: 70 Prozent aller neuen Porsches sind inzwischen SUV. Und die haben ihren Motor vorne, Allradantrieb und ein Automatikgetriebe.
Die Zeit, in der Porsche von reinrassigen Sportwagen lebte, ist längst vorbei. Markiert wurde die Wende 2002, als man den damals noch viel zu plumpen Cayenne einführte. Seit diesem Zeitpunkt begann ein schleichender Prozess: Die Sportwagen gerieten in die Minderheit, weil die steigenden SUV-Verkäufe mehr Geld einbrachten. Offiziell stellt sich für Porsche auch nicht die Frage, welche Art von Autos das Unternehmen baut: Sportwagen, und ausschließlich Sportwagen. Mal haben sie reinrassig zwei Sitze, mal bieten sie den Komfort und Platz einer Limousine und mal geraten sie etwas höher und wuchtiger wie ein Geländewagen. Und doch, es bleiben immer Sportwagen, sagt die Konzern-Sprachregelung.
Die Fangemeinde von Volvo wächst
Und die 95.642 Macan-Kunden haben eine andere Bindung zur Marke Porsche als einer der historischen 911er-Fahrer. Ihm ist es nicht gleichgültig, dass er einen Porsche fährt – schließlich hätte er ja auch zu einem Audi Q5 mit ähnlicher Technik oder einem Mercedes GLC, Land Rover Velar oder sonstigen SUV-Alternativen greifen können. Er fährt einen Porsche, auch wegen des Images eines 911, er muss aber nicht mehr jede Schraube an seinem Auto kennen. Geschweige denn, sich darüber mit anderen austauschen.
„Die Fangemeinde von Volvo wächst seit Jahren. Keine andere Marke wird auf Motor-talk.de so intensiv diskutiert“, sagt Malte Krüger, Geschäftsführer der Motor-Talk-Mutter Mobile.de. Die Volvo-Fans diskutieren aber nicht nur über die Macken ihrer alten Schwedenpanzer vom Typ 240 oder 850. „Auch die neuen Modelle kommen im Markt sehr gut an“, so Krüger.
Das hohe Involvement ist auch konstant, seit 2013 haben die Schweden jeweils die höchsten Werte erzielt, jeweils vor Audi und BMW. Erstaunlich ist aber, dass Volvo seine Führung nochmals deutlich ausbaut. Für Hossiep ist das der „absolute Gewinner des diesjährigen Involvement-Index.“
Lexus gewinnt, Toyota verliert
Relativ stark dazugewonnen haben auch Subaru (vier Plätze nach oben) und Lexus (fünf Plätze). Dabei war die Edel-Tochter von Toyota im vergangenen Jahr noch deutlich abgerutscht. Das ist dieses Jahr dem Mutterkonzern passiert, Toyota verliert fünf Ränge. Nur bei Jeep mit sechs Plätzen viel der Verlust noch höher aus.
„Ebenfalls bemerkenswert ist der Verlust von Saab, welcher relativ der stärkste aller 36 Marken ist“, sagt der Wirtschaftspsychologe. „Dieser passt jedoch zum anhaltenden Abwärtstrend der Marke, die im Jahr 2009 noch auf dem ersten Rang zu finden war.“ Saab hat 2017 0,31 Indexpunkte verloren. Da der Vorsprung aber groß genug war, konnten die Schweden ihre Platzierung halten.
Das geringste Involvement weisen Marken wie Chevrolet, Dacia, Suzuki, Mitsubishi, Daihatsu und Nissan auf – sie kommen gerade einmal auf Indexwerte zwischen 0,13 und 0,1 Punkten. „Auffällig ist aber der Absturz der Marke Dacia, welche im Jahr 2014 noch auch Platz 15 zu finden war“, sagt Hossiep.
Der Status als „Anti-Statussymbol-Auto“, mit dem Dacia einst warb, zieht offenbar nicht mehr. Zumindest eine Gefahr, die Porsche nicht droht. Den Status als Statussymbol werden die Zuffenhausener so schnell nicht verlieren. Dafür sorgt schon alleine der etwas höhere Grundpreis.
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