Autosalon Genf Wie die Autobauer am Elektro-Durchbruch arbeiten

Die große Elektro-Euphorie ist verflogen. In Genf zeigen die Autobauer kaum neue Elektroautos. Doch hinter den Kulissen laufen die Arbeiten weiter, dass der nächste Elektro-Vorstoß nicht wieder zum Flop wird.

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Die Elektroautos der deutschen Premium-Hersteller kommen frühestens 2018. Quelle: dpa

Es ist noch nicht allzu lange her, da klang die Zukunft der Autobauer sehr grün. Nach und nach stellten Audi, Daimler und Co ihre großen Elektropläne vor. Ob unter dem Druck der CO2-Gesetzgebung, den ersten Erfolgen von Tesla oder aus Eigenantrieb sei dahingestellt.

Die Nachricht aber war klar: Wir sind vielleicht nicht die Ersten – aber wenn wir kommen, dann richtig!

Wer in diesen Tagen durch die Genfer Messehallen geht, der findet von diesen vollmundigen Ankündigungen nur wenig wieder. Audi zeigt in erster Linie neue RS-Modelle und eine SUV-Studie mit fettem Benziner, Porsche den Panamera Sport Turismo und den Sportwagen 911 GT3, Mercedes ein Monster-SUV mit V12-Motor und das Konzept eines viertürigen Sportwagens, der eines Tages gegen einen Porsche Panamera antreten könnte. Was sie eint: Unter 400 PS geht nichts.

Auf der anderen, grünen Seite: Pionier Tesla schwänzt die erste große Messe des Jahres auf europäischem Boden gleich ganz. Aber die anderen der E-Gilde sind natürlich alle da: Der BMW i3, der Renault Zoë und der Nissan Leaf. Auch die beiden elektrisch angetriebenen Smart-Versionen zeigen sich und bei VW steht der E-Golf zwar nicht im Mittelpunkt, aber auch nicht im Abseits. Neues gibt es kaum, einzig der Opel Ampera-e wurde noch nicht auf europäischem Boden gezeigt.

Aus den Studien müssen schnell Serienmodelle werden

Doch das ist nur ein oberflächlicher Blick: Viele Hersteller rollen ihre Concept Cars zwar nicht mehr in die erste Reihe – Porsche hat seine Elektro-Studie „Mission E“ bereits im September 2015 gezeigt – doch hinter den Kulissen befinden sich die E-Mobile der deutschen Hersteller in einer entscheidenden Phase: Aus den Studien und dem ersten Feedback müssen jetzt Serienmodelle werden.

Eine große Herausforderung – schließlich müssen auch die Werke für die Produktion der neuen Autos und Teile umgerüstet werden. Audi stellt das Werk in Brüssel auf Elektroautos um, Daimler investiert mehr als eine Milliarde Euro in verschiedene deutsche Werke, Porsche baut seinen Stammsitz in Zuffenhausen für den „Mission E“ im laufenden Betrieb um.

Dennoch: Autos und Werke reichen alleine nicht aus. „Das Thema Elektromobilität betrifft nicht nur das Auto“, sagt Detlev von Platen, Vorstand für Marketing und Vertrieb bei Porsche. „Die Infrastruktur um das Auto herum ist genauso wichtig.“ Aber auch mit einigen Ladesäulen ist der Erfolg der Elektroautos nicht garantiert – die Autobauer müssen auch ihre Händler bis 2018 oder 2019 für Verkauf und Wartung der E-Autos vorbereitet haben.

Bei null fängt aber keiner an: Die meisten Hersteller haben bereits heute Plug-In-Hybride im Angebot, auch hier müssen in den Werkstätten Batterien geladen und Hochspannungsteile getauscht werden können. „Für ein vollelektrisches Auto werden wir aber natürlich noch aufstocken“, sagt Martin Sander, Leiter des Vertriebs von Audi in Deutschland.

Die wichtigsten Premieren des Genfer Autosalons
BMW 5er Quelle: BMW
Ford Fiesta Quelle: Ford
Kia Picanto Quelle: Kia
Lamborghini Aventador S Quelle: Lamborghini
McLaren Super Series Quelle: McLaren
Mercedes-Benz E-Klasse Cabrio Quelle: Daimler
Mercedes-Maybach G650 Landaulet Quelle: Daimler

Wie viel die Händler in Maschinen, Werkzeuge und Personal investieren müssen, will jedoch keiner verraten. Schließlich sind die Betriebe unterschiedlich groß und bereits heute unterschiedlich ausgestattet. „Wir setzen im ersten Schritt eine Ladeleistung von 50 Kilowatt im Handel voraus. Ist diese bereits vorhanden, reden wir über geringe Investitionen für die Installation der Ladesäulen“, sagt Sander. „Ist die Anschlussleistung heute noch nicht gegeben, ist die Investition entsprechend höher.“

BMW verliert seinen Elektro-Spitzenplatz

Gegen die Investitionen sperren können sich die Händler nicht. Im Gegensatz zu BMW, das bei der Markteinführung seiner Elektromodelle auf spezielle BMW-i-Agents als Verkäufer gesetzt hat, sollen laut Sander alle Audi-Händler künftig Elektroautos verkaufen. „Die Elektromobilität bleibt keine Nische“, so der Deutschland-Vertriebschef. „Wenn wir im Jahr 2025 25 bis 30 Prozent Elektroautos verkaufen, ist es für einen Kunden nicht nachvollziehbar, wenn er nicht zu jedem Audi-Betrieb gehen kann.“

Laut den Prognosen des Analysehauses IHS Markit Automotive werden es die Elektroautos der deutschen Premium-Marken tatsächlich aus der Nische schaffen – mit sechsstelligen Stückzahlen. Derzeit liegt BMW mit dem i3 vorne, die elektrische B-Klasse von Mercedes spielt kaum eine Rolle. Doch den Elektro-Spitzenplatz werden die Münchner bald verlieren. Denn die IHS-Zahlen zeigen auch eines: Den Kunden ist die Reichweite der Autos extrem wichtig.



Der verbesserte i3 steht zwar inzwischen mit einer Norm-Reichweite von 300 Kilometern im Prospekt, wirklich auf die Sprünge hilft das dem BMW-Elektro-Absatz jedoch nicht. Kommen aber der für 2018 angekündigte Audi etron quattro und der Mercedes-Benz EQ (2019) mit jeweils über 500 Kilometern Reichweite, hat dem BMW nichts entgegenzusetzen – der „iNext“ als nächste Elektroauto-Generation ist erst für 2021 geplant. Bis dahin ist die Konkurrenz aus Ingolstadt und Stuttgart längst an München vorbeigezogen, wie die Grafik zeigt.

„Ein Elektroauto darf kein Verzicht-Mobil sein“

Selbst Porsche wird mit seinem 600-PS-Elektroauto (ebenfalls 500 Kilometer Reichweite im Normtest) im ersten vollen Verkaufsjahr 2020 auf deutlich über 20.000 produzierte Exemplare kommen. Nach heutigem Stand wäre damit rund jeder zehnte Porsche ein Elektroauto – Plug-in-Hybride nicht mit eingerechnet.

Ein Kernsatz für Porsche-Vorstand von Platen: „Ein Elektroauto darf kein Verzicht-Mobil sein.“ Was auf die Zuffenhausener bezogen heißt: „Ein Porsche-Elektro-Kunde will auch Spaß haben, und das nicht nur einmal mit einer tollen Beschleunigung. Er muss auch auf die Rennstrecke können, aber auch das Erlebnis auf der Landstraße und im Alltag muss stimmen.“

Die wichtigsten Automessen der Welt

Doch auch für den gesamten Markt steckt darin eine wichtige Beobachtung: Mit Autos wie dem futuristischen i3, dem man auf den ersten Blick seine Besonderheit ansieht, sind Elektroautos kaum massentauglich. Sind es schicke Premium-Autos, die gewohntes Design und gewohnte Qualität bieten, sind Kunden durchaus bereit, für ein Elektroauto viel Geld zu zahlen.

Wird das Schnellladenetz der Schlüssel zum Erfolg?

Wenn, ja, wenn die Kunden ihre Elektroautos dann auch laden können. „Die Kunden werden die Autos vorrangig an zwei Orten laden: zu Hause in der Garage und bei Langstreckenfahrten über ein öffentliches Schnellladenetz“, sagt Audi-Manager Sander. In dem sogenannten teilöffentlichen Laden sieht er allerdings keine große Zukunft. „Wenn ich einkaufen gehe und auf dem Parkplatz kurz laden kann, kann das in einigen Situationen Sinn ergeben – ist aber nicht notwendig, wenn ich mich in meinem regulären Umfeld befinde und zu Hause 500 Kilometer Reichweite lade.“

Der smarteste Smart
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler

Auch von Platen setzt auf die Kombination vom Heim-Ladern und einem öffentlichen Schnellladenetz. Doch das fehlt bislang noch: Von den 6800 öffentlichen Ladepunkten in Deutschland sind laut Zahlen des Auto-Verbands VDA weniger als 200 Schnellladesäulen.

Nach Jahren des Abwartens sind die Autokonzerne inzwischen selbst aktiv geworden: Im vergangenen November kündigten BMW, Daimler, der VW—Konzern und Ford an, gemeinsam ein solches Netz aufbauen zu wollen. Von 2017 an sollen zunächst 400 Schnellladestationen entlang der großen Verkehrsachsen in Europa aufgebaut werden. Bis 2020 sollen es dann schon Tausende Stationen sein.

Ein Nissan mit Nasa-Technik
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan
Nissan Quelle: Nissan

Auch Sander sieht in dem Netz den entscheidenden Durchbruch. „Auch wenn das Auto 500 Kilometer Reichweite hat, brauchen wir eine gute Lade-Infrastruktur“, sagt der Audi-Manager. „Ist diese vorhanden, sehe ich keine weiteren Hemmnisse für Elektroautos.“

Es zeigt aber auch, wie halbherzig die bisherigen Elektro-Projekte waren, ohne all diese Vorbereitungen im Hintergrund. Auch der Ansatz, Elektroantriebe mit 100 bis 200 Kilometern Reichweite in Klein- und Kompaktwagen zu bringen, war falsch. In diesem Preissegment waren die E-Autos im Verhältnis zu teuer – und konnten so nur Überzeugungstäter und nicht die Massen erreichen.

Daraus haben die Hersteller gelernt – jetzt sollen es vorerst große und Leute Limousinen und SUV richten. Sind diese Autos ab dem Ende des Jahrzehnts auf dem Markt, können später kleinere und preiswertere Modelle folgen. Oder wie es von Platen ausdrückt: „Die Elektrifizierung ist keine Modeerscheinung. Das startet jetzt erst richtig – und dann werden wir auch sicher über weitere Modelle nachdenken.“

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