Autosalon Paris Warum der Erfolg der Elektroautos nicht ausgemacht ist

VW, Mercedes und Co locken mit neuen E-Auto-Konzepten. Gleichzeitig soll es Benzinern und Diesel an den Kragen gehen. Der Siegeszug der E-Autos scheint sicher. So realistisch sind die Pläne von Autobauern und Politik.

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VW I.D., Renault Zoë und Mercedes EQ Quelle: Presse

Die Aufregung am vergangenen Wochenende war groß. Gerade erst hatten die Autobauer auf dem Autosalon in Paris ihre Neuheiten präsentiert, darunter zahlreiche Elektroautos, die endlich vernünftige Reichweiter versprechen. Endlich auch von deutschen Herstellern. Und da verbreitete sich die Meldung, der Bundesrat fordere ein Verbot für Benzin- und Dieselmotoren ab 2030. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Von einem „logischen und längst überfälligen Schritt“ bis hin zu einem „Wunschdenken einer Hardcore-Fraktion der Auto-Nihilisten“ war alles dabei.

Die Schlagzeile überspitzt allerdings. Die Vertretung der Bundesländer hat vielmehr in einem Beschluss die EU-Kommission um „eine europäische Strategie für emissionsarme Mobilität“ gebeten. Ob es das formulierte Ziel, dass „spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden“, am Ende auch in diese Strategie schafft, ist längst nicht sicher.

So weit will es die Bundesregierung offenbar nicht kommen lassen. „Ein komplettes Aus von Verbrennungsmotoren ab 2030 ist vollkommen unrealistisch“, sagte etwa Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). „Es wäre falsch, wenn man Erwartungen weckt, die überhaupt nicht erfüllbar sind.“

Das sind die Hingucker vom Autosalon Paris
Sportliche Eleganz: Der LaFerrari ApertaOptisch und technisch ähnelt der Roadster dem bekannten LaFerrari Coupé. Lediglich auf das Dach wird bei dem Sportwagen verzichtet. Einen Preis für das schöne Stück will Ferrari allerdings nicht verraten. Quelle: REUTERS
Leistungsstarke TechnikDer V12 Motor im Heck soll den Wagen von 0 auf 100 km/h in unter drei Sekunden beschleunigen. Quelle: REUTERS
Kleinstes Coupé: Das BMW X2 Concept CarDie X-BMW bekommen mit dem SUV-Coupé Nachwuchs. Den Wagen wird es nur mit Drei- und Vierzylindermotoren geben. Besonders auffällig ist das charakteristische blaue X in den sechseckigen Scheinwerfern. Quelle: dpa
Starker Sound: Der Mercedes AMG GT RoadsterDer V8 Motor des Roadster kann seinen Sound nun ungefiltert an den Fahrer weitergeben. Das Dach lässt sich ein- und ausfahren. Die leistungsstarke Technik ermöglicht eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 3,7 Sekunden. Quelle: REUTERS
Strom statt Benzin: Der Mercedes Generation EQIm Gegensatz zu seinem sportlichen Kollegen läuft das Coupé-Konzept der Deutschen mit einem Elektromotor. Dieser soll laut Hersteller die bestehenden Standards der Elektroautos revolutionieren. Quelle: dpa
Rennmaschine: Der Jaguar F-Type SVRDie F-Type Serie soll nun durch den SVR ergänzt werden. Das 550 PS starke Schwergewicht beschleunigt von 0 auf 100 km/h in 3,7 Sekunden. Quelle: dpa Picture-Alliance
Futuristisches Design: Der Renault TrezorDas Design des neuen Renaults-Konzeptautos überraschte einige Autoliebhaber. Das Dach lässt sich wie eine Austernschale wegklappen. Im Cockpit leuchten OLED-Displays und die feuerroten Sitze reizen zum Einsteigen. Quelle: dpa

Dass der Verband der Automobilindustrie gegen solch drastische Pläne ist, erklärt sich von selbst. Auch Experten halten den kompletten Verzicht ab 2030 für schwer umsetzbar – aber nicht wegen der Autoindustrie. „Unsere heutigen Stromnetze wären sicherlich überfordert“, sagt Christoph Stürmer, Autoanalyst bei der Unternehmensberatung PwC. „Es müsste ein umfassendes und grenzübergreifendes Smart Grid aufgebaut werden. Ob das in diesem Zeitrahmen möglich ist, bezweifle ich.“

Pariser Klimaabkommen setzt strenge Maßstäbe

So oder so: Benziner und Diesel werden es zunehmend schwerer haben. In Norwegen etwa hat es ein ähnlicher Vorschlag immerhin in den nationalen Verkehrsplan geschafft. Großbritannien diskutiert ähnliche Zulassungsbeschränkungen, allerdings erst ab dem Jahr 2040.

Getrieben werden derartige Vorschläge vom Pariser Klimaabkommen, dass im Jahr 2050 einen vollständig emissionsfreien Verkehr vorsieht. „Wenn wir die Ziele des Abkommens ernst nehmen, müssen wir sehr schnell konkrete Anreize schaffen, um später starke administrative Eingriffe, wie etwa Fahrverbote, zu vermeiden“, sagt Stürmer. „Momentan geht das eher langsam, der Übergang muss sich beschleunigen.“

Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015

Der Grund ist einfach: Im Gegensatz zu den aktuellen Abgas-Vorschriften, die sich ausschließlich auf Neufahrzeuge beziehen, sollen die Vorgaben aus dem Pariser Abkommen für den gesamten Fahrzeugbestand gelten.

Bei einem Bestand von mehr als 900 Millionen Pkw weltweit und einem durchschnittlichen Verkaufsvolumen von knapp 67 Millionen Einheiten ergibt sich – ohne weiteren Bestandsaufbau – mindestens eine Zeitspanne von rund 14 Jahren, um alle CO2-intensiven Pkw gegen saubere Pendants auszutauschen, realistisch sind eher 20 Jahre. „Das bedeutet, dass die Automobilindustrie schon ab 2030 in der Lage sein sollte, überwiegend CO2-neutrale Autos anzubieten. Bei einem durchschnittlichen Modelllebenszyklus von sechs Jahren sprechen wir also von der übernächsten Produktgeneration“, so Stürmer.

Der Mercedes Generation EQ

In dem Szenario, das Stürmer in einer aktuellen Studie zeichnet, wird 2030 jeder dritte in Europa verkaufte Neuwagen ein reines Elektroauto sein. Bereits zwei Jahre früher überholen demnach die E-Autos mit einem Neuzulassungs-Anteil von 30 Prozent die reinen Verbrenner (28 Prozent). Den Großteil der Neuwagen werden Hybride unterschiedlichster Bauart ausmachen.

Angesichts der aktuellen Marktanteile von rund 0,3 Prozent für E-Autos und einem Prozent für Hybride scheint das PwC-Szenario ambitioniert. Selbst die Kaufprämie konnte den Absatz bislang nicht entscheidend ankurbeln. Das CO2-Ziel von 95 Gramm pro Kilometer im Jahr 2021 (jener Grenzwert, der nur an den verkauften Neuwagen bemessen wird) ist bislang vor allem ein Problem der Hersteller – die Kunden kaufen lieber PS-starke SUV.

Die Frage, wie auf diese Weise das noch nicht festgelegte CO2-Ziel für das Jahr 2025 (in der Diskussion sind Werte zwischen 68 und 78 Gramm) erreicht werden soll, lässt nur eine Antwort zu: Die Hersteller müssen mehr und mehr reine Verbrenner durch einen (teil-)elektrischen Antrieb ersetzen. Sonst drohen empfindliche Strafen.

Autobauer starten unsinniges Reichweiten-Rennen

Im Umkehrschluss heißt das: Wenn auch bis zu 4.000 Euro Förderung der Nachfrage nicht auf die Sprünge helfen, sind die Produkte derzeit einfach nicht attraktiv genug.

Einen Ausblick auf die kommenden Modelle gab es in den vergangenen Wochen auf dem Pariser Autosalon: Opel zeigte den Ampera-e, Mercedes mit dem „Generation EQ“ und VW mit dem „I.D.“ jeweils Studien ihrer Elektroautos, die 2018 auf den Markt kommen sollen. Die Reichweiten liegen jeweils bei mindestens 500 Kilometern, so zumindest die Ankündigungen. BMW, VW und Renault wollen zudem bei den bestehenden Elektroautos verbesserte Akkus verbauen, damit sie künftig 300 Kilometer (i3 und e-Golf) oder gar 400 Kilometer (Renault Zoë) weit kommen.

So will Tesla den Massenmarkt elektrisieren
Tesla-CEO Elon Musk stellt das Model 3 vor Quelle: AP
Das Model 3 feierte seine Premiere im Tesla Motors Design Studio im kalifornischen Hawthorne. Quelle: AP
Tesla Model 3 Quelle: PR
Tesla Model 3 Quelle: PR
Einige Kunden warteten schon einen Tag vor der Präsentation vor den firmeneigenen Shops: Quelle: dpa
Tesla Model 3 Quelle: PR
Elon Musk im Jahr 2010 anlässlich des Tesla-Börsengangs an die Nasdaq Quelle: AP

Mit dem Wettrennen um die größten Reichweiten wollen die Autobauer einem großen Hemmnis der Elektromobilität entgegentreten: der Angst der Kunden, mit einer leeren Batterie liegen zu bleiben. Experte Stürmer hält das für unnötig. „Das macht die Autos nur schwerer und teurer“, sagt der Auto-Analyst. „Eine reale Reichweite von 100 Kilometern unter allen klimatischen Bedingungen reicht aus. Niemand zahlt in der Golf-Klasse den Preis für eine 100-kWh-Batterie.“ 100 Kilowattstunden ist die derzeit größte verfügbare Option bei dem kalifornischen Elektroautobauer Tesla – allerdings kosten die Autos dann über 150.000 Euro.

Batterie-Kosten sind ein entscheidender Faktor

Auch BMW verbaut nicht die größtmögliche Batterie – aber nicht mangels Nachfrage. „Wer die CO2-Bilanz eines Elektroautos gegenüber einem Diesel verbessern möchte, darf nicht die größtmögliche Batterie in das Fahrzeug einbauen“, sagt Heinrich Schwackhöfer, zuständiger Produktmanager für die BMWi-Elektroautos. „BMW bringt auch nicht alles auf die Straße, was technologisch heute schon möglich ist, aber noch nicht nachhaltig ist.“

Nachhaltigkeit und Kosten sind in der energieintensiven Batterie-Herstellung wichtige Faktoren. Bei einem Verbrenner steigen die Produktionskosten kaum, wenn man anstelle eines 200-PS-Motors einen mit 300 PS einbaut – oder einen 90-Liter-Tank anstelle eines mit 60 Litern. Soll aber eine Batterie 50 Prozent größer werden, steigen auch die Kosten um 50 Prozent – mindestens. So musste Tesla-Gründer Elon Musk eingestehen, dass man den technologischen Aufwand unterschätzt hatte, um bei gleichbleibender Batteriegröße von 90 auf 100 Kilowattsunden bei der Kapazität zu kommen. Die im Vergleich zu dem 90-kWh-Modell 100 Kilometer zusätzliche Reichweite kosten über 32.000 Euro.

Nicht nur angesichts solcher Zahlen hält Stürmer an seinem Szenario fest: Die Nachfrage nach Elektroautos wird zunächst vor allem im urbanen Raum steigen, denn da sind nur geringe Reichweiten notwendig. „Im Stadt- und Pendelverkehr wird es mit potenziellen Einfahrverboten oder Vorteilen wie freiem Parken bald gute Gründe für Elektroautos geben“, so Stürmer. „Wegen der sinkenden Batteriekosten werden gerade in kleinen Fahrzeugen die Elektroantriebe auch günstiger als Verbrenner werden.“

Auch Opel bewirbt sein kommendes Elektroauto mit Eigenschaften, die in der Großstadt praktisch sind. „Da in einem Elektroauto wesentliche Teile wie die Abgasanlage oder der Tank fehlen, gewinnen wir Platz im Innenraum des Fahrzeuges“, sagt Ralf Hannappel, Leiter der europäischen Elektroautoentwicklung bei Opel. „Von den Außenmassen ist es ein Kleinwagen, aber von innen eher ein familientauglicher Kompaktwagen.“

Auch das Thema Reichweite sieht Hannapel gelöst: Zu dem Autosalon ist er in einem Vorserienmodell des Ampera-e von London nach Paris gefahren. Ohne Nachladen, versteht sich.

Mit solchen Demonstrationsfahrten versuchen die Autobauer regelmäßig, öffentlichkeitswirksam den Bedenken der Kunden entgegenzutreten – sei es nun ein autonomes Auto oder eines mit Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb. Ein rein deutsches Problem, wie PwC-Experte Stürmer findet: „Das Mobilitätsverhalten in Deutschland ist von unserem Habitus als Autoland geprägt. Das kommt den Diesel- und Premiumfahrzeugen stark entgegen und widerspricht der Nutzung von Elektroautos, wie wir sie in anderen Ländern sehen.“

Für diese Autos gibt es die Elektro-Kaufprämie
Der kompakte Nissan Leaf profitiert nach der Ankündigung der staatlichen E-Auto-Prämie von einer Aktion Quelle: Presse
Der Kleinwagen Renault Zoe ist der aktuelle E-Auto-Bestseller in Europa.Hierzulande steht der Franzose für mindestens 21.500 Euro in der Preisliste, hinzu kommt eine monatliche Batteriemiete von mindestens 49 Euro. Renault hat angekündigt, zusätzlich zum Herstelleranteil weitere 1.000 Euro vom Preis nachzulassen, der Kunde zahlt also insgesamt 5.000 Euro weniger. Der Elektromotor leistet maximal 65 kW/88 PS. Damit kommt der Renault Zoe in 13,5 Sekunden bis auf Tempo 100, maximal bei 135 km/h. Als Reichweite gibt Renault 210 Kilometer an. Je nach Methode dauert das Aufladen der Akkus zwischen 30 Minuten und 9 Stunden. Quelle: Presse
Der kompakte Nissan Leaf profitiert nach der Ankündigung der staatlichen E-Auto-Prämie von einer Aktion:Der japanische Hersteller hat angekündigt, nicht nur den geforderten Industrieanteil von 50 Prozent zu zahlen, sondern mit dem Preis seiner E-Autos um weitere 1.000 Euro runterzugehen. Der regulär ab 23.365 Euro erhältliche Kompaktwagen wird somit 5.000 Euro günstiger. Hinzu kommt die Batteriemiete von 79 Euro pro Monat. Den 80 kW/109 PS starken Stromer gibt es in zwei Varianten: mit einer 24 kWh oder 30 kWh großen Batterie. Mit dem stärkeren Akku steigt die Reichweite des Kompakten auf 250 Kilometer. Quelle: Presse
Die baugleichen Elektro-Kleinstwagen Citroen C-Zero, Mitsubishi Electric Vehicle (Foto) und Peugeot Ion stellen eine Leistung von 49 kW/67 PS bereit Quelle: Presse
Peugeot IonDer Franzose ist Teil eines Trios, denn er ist baugleich mit den Elektro-Kleinstwagen Citroen C-Zero und Mitsubishi Electric Vehicle. Mit 49 kW bzw. 67 PS beschleunigen alle drei von 0 auf 100 km/h in 15,9 Sekunden und erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von 130 km/h. Rund 150 Kilometer reicht der Akku, die Ladezeit liegt zwischen 30 Minuten (80 Prozent) und neun Stunden. Die Preise für den C-Zero und den Ion starten bei 19.390 Euro. Das dritte Modell im Trio, das Mitsubishi Electric Vehicle, kostet ab 23.790 Euro. Quelle: Presse
Die Elektro-Version des Kleinstwagens VW Up kommt inklusive Batterie und kostet 26.900 Euro Quelle: Presse
Smart for two electric drive (bis 2015)Der Smart Fortwo Electric Drive  befindet sich gerade im Wechsel der Modellgenerationen. Die alte mindestens 23.680 Euro (inkl. Akku) teure Generation mit 55 kW/75 PS starkem Elektromotor wird nicht mehr produziert, bei einigen Händler sind aber noch vorkonfigurierte Neufahrzeuge erhältlich. Das auf der aktuellen Generation Smart basierende neue E-Auto kommt Ende des Jahres auf den Markt. Neben dem zweisitzigen Smart Fortwo und seinem Cabrio-Ableger wird erstmals den viersitzige Smart Forfour mit E-Motor geben. Der 65 kW/88 PS starke Antrieb stammt vom Zoe des Kooperationspartners Renault. Quelle: Presse

Auf Langstrecken, bei denen der Deutsche noch in sein Auto steigt, nimmt ein Franzose fast selbstverständlich den TGV, um nur ein Beispiel zu nennen. Hierzulande wird noch auf Reichweiten und fehlender Schnelllade-Infrastruktur herumgeritten, wo sich in Kalifornien längst zeigt, dass die überwiegende Mehrheit ihren Tesla zu Hause über die Steckdose lädt – was zwar länger dauert, aber auch schonender für den Akku ist.

Stürmer schätzt, dass es bei dem Ladenetz bald einige neue Angebote geben wird, da das Thema bei vielen Energieversorgern und zunehmend auch Mineralölunternehmen ganz oben auf der Agenda stehe. Ob der Kunde die Elektroautos dann besser annimmt, bleibt offen. Für die Autobauer gilt laut Stürmer: „Je größer der Druck von Gesellschaft und Gesetzgeber auf konventionelle Antriebe wird, desto eher wird in neue Technologien investiert. Das Marktrisiko bleibt aber.“

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