Autozulieferer Läutet der Fall Volkswagen eine Zeitenwende ein?

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9,1 Prozent Gewinnmarge

Der Druck auf viele Zulieferer ist einerseits groß. So rechnet Berater Dannenberg von Berylls damit, dass bis zum Jahresende etwa 70 Autozulieferer in Deutschland aufgekauft werden. 42 von ihnen sind 2016 bereits übernommen worden.

Wahr ist andererseits aber auch: Zulieferer verdienen im Schnitt besser als Autobauer. 2015 rutschte kein deutscher Zulieferer, der unter die globalen Top 100 fällt, in die roten Zahlen – im Schnitt lagen hiesige Zulieferer mit 9,1 Prozent Gewinnmarge vom Umsatz im Spitzenfeld der profitabelsten Automobilzulieferer der Welt. Zum Vergleich: Die Europäer lagen ohne Deutschland bei 8,8 und die Japaner bei 7,5 Prozent.

Natürlich verdient nicht jeder Zulieferer so gut – das Feld spaltet sich in solche, die Innovationen entwickeln, und bloße Produzenten: Laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger sind die Margen bei Anbietern von Antriebssystemen zuletzt unter den Branchenschnitt gefallen. Zulieferer, die auf gefragte Fahrassistenzsysteme oder automatisierte Fahrfunktionen spezialisiert sind, schneiden bei der Rendite besser ab. „Im Schnitt verbuchen Unternehmen, die auf Innovationen bei ihren Produkten setzen, eine um rund zwei Prozent höhere Profitabilität als Unternehmen, die nur produzieren“, sagt Thomas Schlick, Partner bei Roland Berger.

Das zeigt, dass es zu wenig ist, wenn ein Zulieferer nur Standardware produziert. „Innovation ist die Kernkompetenz der deutschen Industrie. Nur so können wir im Wettbewerb mit asiatischen oder anderen Unternehmen bestehen – das gilt für die Autobauer, aber auch die Zulieferer“, sagt Arndt Kirchhoff, Chef des Karosseriebauers Kirchhoff Automotive aus Iserlohn. Damit Deutschland international nicht abgehängt wird, müssen spezialisierte Zulieferer daher gut verdienen.

Die Autobauer überlassen den Zulieferern heute auch wichtige Forschungsarbeiten, die sie früher selbst gemacht haben. „Diese Entwicklung macht die Autobauer abhängiger von den führenden Zulieferern“, sagt Personalberater Jon Nedelcu, der bei großen Zulieferern und Automobilherstellern international Führungspositionen besetzt. Er meint, dass Hersteller und Zulieferer daher mehr auf partnerschaftliche Zusammenarbeit setzen sollten. Dies nicht zuletzt, weil sich vor allem im Silicon Valley in den USA neue Mobilitätskonzepte entwickelten, die klassische Automobilhersteller und Zulieferer herausforderten.

Zulieferer forschen heute für die Autobauer

Nedelcu trifft damit den Nerv vieler Zulieferer, doch nur wenige sprechen so offen wie die börsennotierte SHW aus Aalen, die Motoröl- und Getriebeölpumpen baut und bei der gut 40 Prozent des Umsatzes an VW hängen: „Zulieferer müssen in der Lage sein, auskömmliche Margen zu erzielen, um langfristig hinreichend in die Produktentwicklung sowie neue Märkte investieren zu können“, sagt Michael Schickling von SHW. Das Unternehmen ist in Europa Marktführer im Bereich Motorschmierölpumpen.

Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hofft, dass VW seine Partner künftig besser behandelt. „Manchmal braucht man ein reinigendes Gewitter, das passiert eigentlich viel zu selten.“

Der Streit zwischen VW und seinen Zulieferern gilt als beendet. Auch wenn über die finanziellen Modalitäten Stillschweigen vereinbart worden ist – aus Verhandlungskreisen ist zu hören, dass Prevent am Ende durchaus zufrieden mit dem Ergebnis war.

Vielleicht ist ein Anfang damit gemacht. Die Frage ist aber, zu welchem Preis, denn es ist denkbar, dass der Schuss mittelfristig nach hinten losgeht. Manch ein Experte befürchtet, dass Prevent nun bei vielen Herstellern „auf der schwarzen Liste stehen“ könnte, wie Berater Staudenmayer sagt. David gegen Goliath – möglicherweise gibt es in diesem Kampf noch eine nächste Runde.

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