Der ehemalige Daimler-Mann Frank Vießmann ist beim Zulieferer Continental noch nicht mal ein Jahr im Amt. Eine Anlaufzeit hat es für den Manager, der in Stuttgart Chef der Compliance-Abteilung in der Lkw- und Bussparte war, in Hannover aber von Anfang an nicht gegeben. Schließlich stieß Vießmann im November vergangenen Jahre in einer turbulenten Phase zu dem Unternehmen: Der Aufsichtsrat hatte den damaligen Finanzvorstand Wolfgang Schäfer, der auch für Compliance zuständig war, gerade mit sofortiger Wirkung vor die Tür gesetzt. Ihm wurden Defizite bei der internen Aufklärung möglicher Abgasmanipulationen vorgeworfen.
Was die Öffentlichkeit damals noch nicht ahnte: Vießmann musste sich schon bald nicht nur in das Thema Diesel einarbeiten – sondern noch einen zweiten Skandal rund um dreckige Schläuche verfolgen. Dabei ging es zunächst „nur“ um Schläuche für Klimaanlagen in Autos. Intern hatte ein Mitarbeiter Ende 2021 mögliche Unregelmäßigkeiten gemeldet.
Die Autobauer hatten Continental vorgegeben, wie rein die Schläuche von innen sein sollten. Schließlich sollten die Klimaanlagen nicht verstopfen. Bei der Produktion können Fasern von Gummi oder Textil, die etwa beim Schneiden der Schläuche entstehen, jedoch leicht hängen bleiben. Die Reinheit soll oft nicht den individuellen Vorgaben der Kunden entsprochen haben.
Vießmanns Complianceabteilung machte sich mit der internen Revision ans Werk. Die Ergebnisse waren wenig zufriedenstellend: Die Schläuche sind dreckiger als gedacht.
Untersuchung auf Industrieschläuche ausgeweitet
Deshalb hat das Unternehmen die Untersuchung erweitert. Vießmanns Abteilung überprüft nun auch das Geschäft mit Industrieschläuchen. Insider attestieren dem Compliance-Chef dabei eine ruhige, aber harte Hand. Das Ergebnis war dagegen weniger beruhigend: Es habe sich gezeigt, so Conti, dass „die vorgesehenen Normen für Prüfprozesse von Industrieschläuchen am ContiTech-Standort Korbach nicht immer eingehalten“ worden seien. Dabei geht es nicht mehr um Kundenvorgaben, sondern um nicht eingehaltene DIN- und ISO-Normen.
In der Folge informierte Continental kürzlich seine Kunden über die Fehler: Abnehmer sind vor allem Zwischenhändler, die die Industrieschläuche weiter verkaufen. Bei den Endkunden werden diese etwa als Betankungs-, Wasser- und Dampfleitungen eingesetzt. Kunden kommen unter anderem aus dem Maschinenbau, der chemischen Industrie und der Getränkeindustrie.
Der Verkauf und die Auslieferung der betroffenen Schläuche aus Korbach wurde zwar ausgesetzt. Der unmittelbare wirtschaftliche Schaden, heißt es, halte sich vorerst in Grenzen: Im Jahr 2021 hat die Schlauchproduktion in Korbach einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag zum Konzernumsatz beigetragen, der wiederum bei 33,8 Milliarden Euro lag.
Viel entscheidender, so Insider, sei das „PR-Desaster“. Auch die Aktie stürzte erstmal ab. Ob die Börse recht hat, muss nun die Zeit zeigen: Denn noch sei offen, so ein Insider, „welche Dimension“ die Sache in Korbach habe.
Continental-Chef Nikolai Setzer jedenfalls legte sich verbal vorsorglich auf den Rücken: Man sei „den Anforderungen nicht gerecht geworden“, das entspreche „nicht unserem unternehmensweiten Selbstverständnis“. Vertrauen sei eine „unverzichtbare Basis“ des Handelns. Nun müsse man es zurückgewinnen.
Sanierungswürdigen Bereich hinterlassenen
Damit das klappt, muss auch Vießmann wohl noch weitere Überstunden anhäufen: Insider trauen ihm eine lückenlose Aufklärung zu und attestieren ihm „große Erfahrung“. Er gehe das Thema „sehr methodisch“ an – und baue den von Schäfer sanierungswürdig hinterlassenen Bereich mit neuen Leuten frisch auf.
Es muss jetzt klappen: Denn zum Dieselskandal und dem Ärger um die Schläuche sollte möglich kein weiteres Ungemach hinzukommen. Konzernchef Setzer hat mit dem Turnaround des Bereichs Automotive und der Halbleiterkrise wahrlich schon genug zu tun.
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