Autozulieferer in der Krise Firmenkultur der Reformangst beschert Benteler Entlassungen

Der Paderborner Autozulieferer steht vor umfangreichen Entlassungen. Schuld daran ist der Patriarch an der Spitze des Familienunternehmens, der Einschnitte zu lange hinauszögerte.

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Automobilzulieferer Benteler streicht weltweit 1800 der 22.000 Stellen in der Autosparte. Rund 500 davon werden vermutlich am deutschen Stammsitz in Paderborn wegfallen. Benteler erzielte 2012 einen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro, im Kerngeschäft mit Achsen und Karosserieteilen waren es 5,9 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat wichtige Umstrukturierungen zu lange herausgezögert, jetzt bleibt nur noch der Personalabbau. Quelle: PR

Der Maico Champion 400 war ein typischer Kleinwagen der Nachkriegszeit: zwei Sitze, ein Ein-Zylinder-Rasenmähermotor im Heck, entwickelt 1948 von der Zahnradfabrik Friedrichshafen und gefertigt von verschiedenen Lizenznehmern in ganz Deutschland. Einer davon war Benteler. Das Unternehmen wurde 1876 als Eisenwarenhandel in Bielefeld gegründet. Knapp 2000 Maico Champion liefen 1951 und 1952 im Werk Paderborn-Mönkeloh vom Band.

Der Wirtschaftswunderwinzling war nur eines von vielen Beispielen für die Anpassungsfähigkeit des traditionsreichen Familienunternehmens. 1918 produzierte der einstige Stahlhändler die ersten gezogenen Stahlrohre, 1930 Masten und Kandelaber, 1935 Auspuffrohre für den Ford Eifel. Im Krieg folgten Flakgeschütze, danach Fahrradteile, Textil-, Kunststoff- und Glasbearbeitungsmaschinen, 1950 Kühlschränke der Marke Delta. 1974 eröffnete Benteler sogar ein Elektrostahlwerk.

Wichtige Anpassungen wurden verschoben

Benteler

So schön, schön war die Zeit. Flexibilität und Prosperität sind verflogen, von der Anpassungsfähigkeit der vergangenen Jahr ist kaum noch etwas zu spüren. Der in vierter Generation von Hubertus Benteler geführte Konzern mit zuletzt rund 7,5 Milliarden Euro Umsatz steckt in der Abhängigkeit von der Autoindustrie fest, fast 80 Prozent der Einnahmen stammen von der konjunkturgebeutelten Branche. Dringend notwendige Anpassungen an das kriselnde Umfeld vor allem in Europa wurden immer wieder verschoben. Die offene Nachfolgeregelung trieb Manager ausgerechnet in der wichtigen Autosparte von der Fahne. Seit Anfang des Jahres steht fest, dass weltweit 1800 von 22 000 Stellen in der Autosparte gestrichen werden sollen, davon vermutlich 500 am deutschen Stammsitz in Paderborn.

Benteler, der Unternehmensberatung Berylls Strategy Advisors zufolge 2012 mit einem Spartenumsatz von 5,9 Milliarden Euro weltweit auf Platz 32 der Autozulieferer, hat riesige Probleme mit der Marge. Um Aufträge nicht an Konkurrenten zu verlieren, machte das Unternehmen Insidern zufolge hohe Preiszugeständnisse an etliche Autokonzerne, die im vergangenen Jahr fast den gesamten Gewinn auffraßen.

Benteler gilt als lukrativ

Dabei läuft im 137. Jahr seit der Gründung längst nicht alles schlecht bei Benteler. Die Gruppe, die seit Mitte 2010 von einer Holding in Salzburg geführt wird, ihren Stammsitz aber weiter in Paderborn hat, steht auf drei rechtlich selbstständigen Säulen und verfügt über eine recht ordentliche Eigenkapitalquote von gut 26 Prozent. Das Stahlgeschäft, das 2012 rund eine Milliarde Umsatz beisteuerte, gilt unter Experten als lukrativ.

Auch das Engagement der Benteler-Autosparte bei der Verwendung neuer Materialien und im Leichtbau wird positiv beurteilt. "Das seit 2007 bestehende Joint Venture mit SGL Carbon und die Investitionen in den Aluminiumleichtbau sind ein wichtiges Differenzierungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern, die dafür sorgen, dass Benteler in allen Materialien lieferfähig ist", lobt ein Branchenexperte. "Das Karbon-Engagement ist zwar noch eine offene Wette, aber so ein Risiko muss ein Unternehmen eingehen."

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