Autozulieferer Wie Panasonic die Zuliefererbranche aufrollen will

Am Freitag liefert Tesla die ersten 30 Model 3 aus. Wichtige Bauteile des Elektroautos kommen von Panasonic. Jetzt wollen die Japaner mehr: Das Ziel sind die zehn größten Autozulieferer der Welt.

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Das sind die innovationsstärksten Autobauer
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Panasonic wurde mit Konsumelektronik wie Plasma-Fernsehern und Audiogeräten groß. Scharfe Konkurrenz aus Korea und China und Rekordverluste in Milliardenhöhe zwangen die Japaner zu einem radikalen Schwenk zum Industriegeschäft. Inzwischen erwirtschaftet Panasonic mehr Umsatz und Gewinn mit Komponenten und Systemen für die Industrie als mit Elektronik für private Haushalte.

„Wir haben einige Zeit gebraucht, um uns an die anderen Produktzyklen zu gewöhnen“, gestand Yoshio Ito, Vize-Präsident des Konzerns und seit April 2014 der Chef der Sparte für Automobil- und Industriesysteme, jetzt in Tokio. Doch nun zeichne sich eine größere Gewinnwende ab. Dabei sollen die alten Stärken aus der Konsumelektronik zu Wettbewerbsvorteilen bei der Digitalisierung, Elektrifizierung und Vernetzung der Fahrzeuge werden.

Itos Geschäftsbereich war bereits im Vorjahr mit einem Umsatz von 20 Milliarden Euro und einem Betriebsgewinn von 841 Millionen Euro der stärkste Geschäftszweig. Das Autogeschäft selbst kam auf 10 Milliarden Euro Umsatz und somit ein Sechstel der Konzerneinnahmen. Hier sieht Ito das größte Wachstumspotenzial.

Die weltweit größten Autozulieferer

Der reine Automobilumsatz soll in diesem und nächsten Jahr um insgesamt die Hälfte auf über 15 Milliarden Euro zunehmen. „Für 93 Prozent davon haben wir schon heute feste Aufträge“, verkündete Ito. Bis zum Geschäftsjahr 2021 rechnet er mit einer Steigerung der Einnahmen um ein weiteres Viertel auf 19 Milliarden Euro. „Damit würden wir auch ohne Zukäufe zu den zehn größten Automobilzulieferern gehören, selbst falls die Konkurrenz bis dahin weiter wächst“, betonte Ito. Derzeit steht Panasonic auf Platz 23.

Vom einfachen Teile- zum wichtigen Systemzulieferer

Der Schwenk zum Industriegeschäft hat die Japaner auch gelehrt, bei Produktion und Vertrieb ganzheitlicher denken. „Wir verkaufen künftig mehr Systeme statt Komponenten und bewegen uns damit in der Lieferkette eine Stufe nach oben“, meinte Ito. Dadurch werde sich die operative Marge um mehr als ein Drittel auf 5,2 Prozent erhöhen.

Dabei will Panasonic jedoch nicht nur seine bisherigen Kunden in der japanischen Autoindustrie bedienen. „Wir haben in den USA und Europa eigene Design- und Entwicklungszentren, die mit entsprechenden Anpassungen in diesen Regionen auch Neukunden gewinnen sollen“, erläuterte Ito. Damit sieht sich Panasonic auch als Zulieferer der deutschen Autoindustrie und tritt gegen Bosch und Continental an, die zu den führenden Elektronikherstellern im Auto gehören.

Als wichtigsten Wachstumstreiber nannte der Spartenchef die Produktion von Lithium-Ionen-Batteriezellen (LIBs) mit einer Umsatzverdopplung von 2016 bis 2018 auf 4,2 Milliarden Euro. Die Lithium-Zellen entwickelten die Japaner einst für ihre Laptops und Handys, bis Tesla sie als Antrieb fürs Elektroauto entdeckte. Noch stärkeres Wachstum erwartet der Manager bei Schaltrelais als Folge der Elektrifizierung der Fahrzeuge. Hier werde sich die Nachfrage bis 2021 um den Faktor 4 bis 6 erhöhen.

Technologische Führung

2016 war Panasonic mit 38 Prozent Anteil der weltgrößte LIB-Produzent vor BYD aus China mit 18 Prozent Anteil. LG Chem aus Südkorea kam auf 11 Prozent. Durch die Zellenproduktion in der Gigafactory von Tesla mit einer Kapazität von 35 Gigawattstunden (GWh) will Panasonic die Marktführung verteidigen. Panasonic-Zellen erzeugen derzeit in 88 Plugin- und Elektroauto-Modellen den Strom. „Wir können die Nachfrage nicht befriedigen“, sagte Ito.

Tesla baut weiter an seiner Batteriefabrik
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Im Juli 2016 hatte Tesla zur offiziellen Eröffnung erstmals Presse-Fotografen auf das Gelände gelassen. Die bezeichnend "Gigafactory" genannte Anlage gehört sogar zu den größten Produktionsstätten überhaupt. Hier sollen Akkus für Elektroautos und Heimspeicher vom Band laufen – mehr als alle Hersteller der Welt heute zusammen produzieren. (Stand: Juli 2016) Quelle: AP
Im Juli waren erst 14 Prozent der Anlage in Betrieb. Dennoch hatte Tesla-Gründer Elon Musk Ende Juli zur Eröffnungsfeier geladen – einige Tage vorher durften sich bereits Journalisten und Fotografen auf dem Fabrikgelände umsehen. Voll in Betrieb soll die Anlage erst 2018 sein. Bis dahin wird an allen Ecken und Enden gebaut. Quelle: REUTERS
Auch wenn es noch nicht so aussieht: Diese Halle ist einer der Grundpfeiler der Strategie von Elon Musk, mit der er Tesla von einem Nischen- zu einem Massenhersteller machen und ganz nebenbei dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen will. Quelle: REUTERS
Die eigenen Batterien sind unerlässlich, wenn Tesla mit dem Model 3 (im Bild ein ausgestellter Prototyp) ab dem kommenden Jahr die Massen mobilisieren soll. Zum einen, weil momentan gar nicht genügen Akkus für die angepeilten Stückzahlen des Model 3 zugekauft werden könnten. Zum anderen, weil sie schlichtweg zu teuer wären. Der angekündigte Preis von 35.000 Dollar für den Wagen wäre nicht zu halten. Quelle: REUTERS

Beim Hochfahren der Gigafactory wird sich die Panasonic-Kapazität bis 2018 auf 44 GWh mehr als verfünffachen. Allein die Bänder in Nevada spucken dann 75 Zellen pro Sekunde aus. Die massive Konkurrenz in China, die gerade eigene Gigafabriken aus dem Boden stampft, fürchtet Ito nicht. Ab 2018 produziert Panasonic in Dalian die ersten LIBs für China. Zugleich wollen die Japaner die technologische Führung behalten. „Wir werden die Energiedichte der prismatischen LIBs bis Anfang 2020 verdoppeln und ihren Stromausstoß um die Hälfte erhöhen“, kündigte Ito an.

Auch bei digitalen Auto-Cockpits erwartet der Manager Absatzerfolge für Panasonic. Als führender Lieferant von Unterhaltungssystemen für Flugzeuge können sie ihr technologisches Knowhow nun auch für Automobile ausspielen. Bei Cockpits wolle man mit einem Umsatzplus von 16 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro schon 2018 zum Weltmarktführer werden. „Derzeit läuft alles glatt“, erklärte er. Der erste Großauftrag für ein Infotainment-System mit zwei Bildschirmen und einem Head-up-Display kam von Jaguar Land Rover – erstmals eingesetzt im Range Rover Velar.

Zum E-Cockpit gehörten künftig auch eine Kamera zur Fahrerbeobachtung, Kameras statt Seitenspiegel und elektronische Rückspiegel, so Ito. Dafür erhöhte Panasonic soeben seinen Anteil am spanischen Zulieferspezialisten Ficosa auf 69 Prozent. „Ohne Ficosa bräuchten wir zehn Jahre, um diese Systeme selbst zu entwickeln“, rechtfertigte Ito den Zukauf.

Ähnlich kräftig soll das Geschäft mit Kamera- und Sonar-Systemen für zunehmend autonom fahrende Autos zulegen. Hier erwartet Panasonic einen Umsatzsprung bis 2018 um mehr als zwei Drittel auf 4,8 Milliarden Euro. Zwar könnten Apple und Google mit künstlicher Intelligenz punkten, kommentierte Ito selbstbewusst. Aber die Bildverarbeitungssoftware von Panasonic, die man für die eigenen Lumix-Kameras entwickelt habe, mache mehrere der derzeit noch notwendigen sieben Kameras pro Fahrzeug überflüssig.

von Stefan Hajek, Martin Seiwert, Lea Deuber, Martin Fritz

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