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Beat Balzli: Wäre Volkswagen das nächste Nokia? Quelle: imago images

Wäre Volkswagen das nächste Nokia?

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

VW-Chef Herbert Diess verpasst dem Konzern zu Recht eine Brachial-Modernisierung. In Sachen Stil und Glaubwürdigkeit muss er allerdings noch zulegen.

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Das Florett passt nicht zu ihm. Herbert Diess gilt eher als Säbelmann. Der VW-Chef liebt es voll auf die Zwölf, ohne Rücksicht auf Verluste. Weggefährten beschreiben ihn als ruppig. Gerne beklagt er lautstark „den Feldzug gegen das Auto“. Und obwohl er sich dafür entschuldigt hat, wird er seine geschichtsvergessene Pietätslosigkeit „Ebit macht frei“ nie mehr los.

Auch auf seiner jüngsten Mission bleibt Diess seinem rustikalen Stil treu. Vor den erstaunten Augen der Republik gibt er jetzt den grünsten Autokönig aller Zeiten. Der Petrolhead tingelt plötzlich als bessere Greta durch die Talkshows und predigt die E-Mobilität als einzige Lösung für das Klimaproblem. Dass die Japaner und neuerdings auch die Chinesen auf Wasserstoff setzen, bezeichnet er schon mal als „Quatsch“. Klar und krass eben, man kennt es von ihm nicht anders.

Folgerichtig verpasst der Ex-BMW-Mann seinem Konzern gerade einen Elektroschock, eine Art Brachial-Modernisierung, die beim Betriebsrat alle Sicherungen durchbrennen lässt. Diess will mithilfe von Microsoft und Amazon viel mehr Vernetzung, er will viel mehr E-Autos, viel mehr neues Denken – und bald wohl viele Angestellte loswerden. Man kann es verstehen. Seit die wichtigste Industrie mit ihren Abgasmanipulationen aufflog, ist das Image dahin. Diess will wieder in die Offensive, eine positive Story erzählen können. Und er hat keine andere Wahl.

Zwar wirkt der Neustart nicht 100-prozentig glaubwürdig. VW behandelt seine Dieselkunden immer noch zu schlecht, und die geplante Produktion von Verbrenner-SUVs liegt für einen selbsternannten Klimaschützer immer noch erstaunlich hoch. Dennoch muss Diess den Weg gehen. Auf dem Friedhof der Wirtschaftsgeschichte liegen zu viele Firmen, deren erfolgsverwöhnte Chefs einst vor lauter Arroganz den Trend verschlafen haben. Diess bleibt nur diese eine Chance. Noch sind seine Kassen voll. Aber am Horizont zeichnen sich die existenziellen Bedrohungen bereits ab. Die chinesischen E-Auto-Hersteller sind bereits auf Augenhöhe mit VW und Co., und im Silicon Valley verstehen sie Vernetzung besser als die Deutschen. Mehr Gründe braucht es zum Handeln nicht. Gut möglich, dass Diess die krasseste Wette seines Berufslebens am Ende verliert, etwa, weil er nicht technologieoffen agiert. Aber wäre er die Wette nicht eingegangen, hätte er jetzt schon verloren – und Volkswagen würde wohl als nächstes Nokia enden.

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