WirtschaftsWoche: Herr Huang, Ihr Unternehmen will in der Nähe von Erfurt eine Batteriezellfabrik für E-Autos bauen. Warum gerade in Deutschland?
David Huang: Die geplante Fertigung ist nicht nur für unseren Konzern ein wichtiger Meilenstein, sondern hat auch eine große Bedeutung für die deutsche Automobilindustrie. Wir haben vor eineinhalb Jahren mit der Standortsuche begonnen und uns am Ende für das Gelände am Erfurter Kreuz entschieden.
Bisher haben chinesische Investoren hierzulande vor allem Unternehmen gekauft. Ihr Projekt ist die erste Greenfield-Investition. Was bedeutet das?
Es gab in der letzten Zeit in Deutschland viele Diskussionen um einen Ausverkauf deutscher Technologie nach China und eine Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China. Wir machen etwas anderes. Wir bringen chinesische Technologie nach Deutschland, investieren hier und schaffen Arbeitsplätze.
Wie viele Arbeitsplätze werden Sie schaffen?
Rund 1000. Das hängt aber auch vom Bedarf unserer Kunden ab. Je nachdem werden wir die Produktion in Thüringen in Phasen hochfahren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Deutschland einer der teuersten Standorte in Europa ist. Das macht es auch schwierig.
Zur Person
David Huang ist Europachef des chinesischen Batteriezellhersteller Contemporary Amperex Technology (CATL) aus dem ostchinesischen Ningde. Das vor sieben Jahren gegründete börsennotierte Unternehmen ist der weltgrößte Batteriezellhersteller und beschäftigt rund 10000 Mitarbeiter. Huang hat unter anderem in Hannover studiert und lebt in München. Der Chinese ist gleichzeitig Geschäftsführer von CATL Deutschland und CATL Frankreich.
Warum bauen Sie die Fabrik nicht in Polen oder der Slowakei?
Natürlich haben wir uns Polen angesehen, auch mehrere Standorte in Ungarn und Tschechien. Am Ende wurde es Thüringen, weil Deutschland bei der Digitalisierung sehr weit ist. Wir wollen eine hochmoderne Smart Factory und gehen davon aus, dass mit der fortschreitenden Digitalisierung die Arbeitskosten eine immer kleinere Rolle spielen werden. Dazu kommt, dass Deutschlands stabiles politische System und die wirtschaftliche Stärke es uns ermöglichen, langfristig zu planen.
Wann wird die erste Phase ihrer Fabrik in Thüringen starten?
Ende 2020 wird es soweit sein. Das ist sportlich, aber wir müssen dann loslegen, weil unsere Kunden es so wollen.
Kunden und die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden
Ihr wichtigster Kunde in Deutschland ist BMW. Gibt es sonst noch welche?
Es gibt noch einen weiteren großen Autohersteller aus dem Norden Deutschlands.
Es heißt, BMW habe eine Option, sich an CATL zu beteiligen. Wie funktioniert das?
Beteiligung ist nicht das richtige Wort. BMWs China-Joint-Venture Brilliance kann in unsere Fertigung investieren, etwa in Maschinen und Anlagen, auf denen dann ausschließlich für BMW produziert wird. Dieses Modell bietet BMW Liefersicherheit und Transparenz. Außerdem sorgt so ein Modell für Vertrauen zwischen Kunden und dem Lieferanten.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden?
Wir bekommen alles an Förderung, was die entsprechenden deutschen und europäischen Richtlinien gestatten. Aber dafür müssen wir auch etwas tun. Um beispielsweise eine Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu bekommen, müssen wir nach allerhöchsten Standards bauen. Vor allem beim Land Thüringen ist die Unterstützung sehr effektiv und unbürokratisch.
Der Verband für Elektromobilität hat etwas beleidigt behauptet, was Sie in Thüringen jetzt bauen, hätten deutsche Unternehmen auch leicht gekonnt.
Das weiß ich nicht. Ich habe in der Zeitung nur gelesen, dass Bosch nicht weiter ins Risiko gehen will und Milliardensummen in diese Technologie investieren will. Das ist deren Entscheidung. Wir wollen mit unserem Produkt, unserer Technologie und unserer Risikobereitschaft den deutschen Markt beliefern. Da muss niemand beleidigt sein.
Werden in Ihrer Fertigung in Thüringen deutsche Maschinen stehen?
Nein. In unserem Stammwerk in Ningde verwenden wir auch zu 90 Prozent chinesische Maschinen. Wir haben es dort vereinzelt mit deutschen Maschinen probiert. Das war aber ein Fehlschlag. Der deutsche Maschinenbau müsste sich mal überlegen, ob er nicht möglicherweise gerade den Bereich Batteriefertigung verschläft. Wir wollen jetzt chinesische Technologie nach Deutschland bringen.
Was planen Sie außerdem?
Wir werden mittelfristig hier in Deutschland zusammen mit Fraunhofer und dem Roboterhersteller Kuka eine Forschungskooperation starten, um die Batterietechnologie weiterzuentwickeln. Unsere Technologie jetzt ist gut, aber für die Jahre 2025 und danach nicht gut genug. Wir machen es hier, weil Deutschland sehr gute Ingenieure, eine hoch entwickelte Automobilfertigung und einen Top-Maschinenbau hat.
Welthandel oder nationale Lösung: Gratwanderung bei Batteriezellen
VW, Daimler und BMW kaufen Zellen in Asien und bauen diese dann selbst zu großen Akkus für ihre Elektroautos zusammen. Panasonic in Japan, LG, Samsung und SK in Korea, CATL und BYD in China – der Markt sei „eher ein Oligopol mit höchstens zehn dominierenden Anbietern“, sagt Branchenexperte Jörn Neuhausen von der Beratung PwC. Immerhin: „Aktuell gibt es genug Wettbewerb, und alle Autohersteller kaufen ihre Zellen bei mehreren Herstellern ein, damit kein Monopol entsteht.“ Auch Batterieexperte Kai-Christian Möller von der Fraunhofer-Gesellschaft sagt: „Jeder Autobauer hat mehrere Lieferanten. Korea und Japan sind sehr stabil, da sind wahrscheinlich keine Lieferengpässe, keine Zollschranken zu befürchten.“
Das ist die große Frage. „Wer wird als erster beliefert, wenn die Stückzahlen gewaltig hochgehen sollten?“ fragt der bayerische IG-Metall-Chef und BMW-Aufsichtsrat Jürgen Wechsler. Die Produzenten könnten eines Tages verkünden, sie lieferten jetzt keine einzelnen Zellen mehr, die Autobauer bekämen nur noch fertige Batteriepakete. „Das ist unsere Angst.“ Eine chinesische Zellfabrik in Thüringen sei gut, aber die deutsche Industrie müsse Schlüsseltechnik selbst produzieren. „Wenn wir die Batteriezelle aufgeben, weil wir sie ja geliefert bekommen, sind wir irgendwann weg.“
Die Batterie macht gut ein Drittel der Wertschöpfung eines E-Autos aus, sie bestimmt Leistung und Reichweite. Autobauer versuchen, den Spieß umzudrehen: Sie entwickeln heute in Pilotanlagen selbst Zellen und versuchen, die Zulieferer zu Auftragsfertigern zu machen.
Das hängt davon ab, wie schnell die Nachfrage nach Elektroautos steigt. Das Angebot an Batterien wächst. Es gebe massive Überkapazitäten, trotzdem stiegen weltweit neue Firmen in den übersättigten Markt ein, heißt es in einer Studie der Beratung Beryll. 2021 werde ein Drittel mehr Batterien produziert, als die Autobranche brauche. Auch nach 2025 sei eine Überproduktion absehbar.
„Die Gewinnmargen bei Zellen sind gering, da ist nicht viel Gewinn zu machen. Teuer sind die Rohstoffe“, sagt Möller. Wegen der Strompreise sei eine Zellfertigung in Deutschland „nur denkbar, wenn die Fabrik von der EEG-Umlage befreit und subventioniert würde“, meint Neuhausen. Daimler und der Chemiekonzern Evonik hatten es im sächsischen Kamenz versucht, aber aufgegeben. Northvolt baut jetzt mit Siemens in Schweden eine Zellfabrik. Dort koste Strom ein Zehntel des deutschen Preises, so sei die Fabrik wettbewerbsfähig, sagte Northvolt-Chef Peter Carlsson. 2500 Mitarbeiter reichen, um Speicher für 400.000 E-Autos im Jahr zu bauen.
„Wenn in fünf Jahren Millionen E-Autos gebaut werden, muss es auch in Europa Zellfabriken geben“, sagt Neuhausen. Ein Akku für ein E-Auto wiegt eine halbe Tonne. Der Transport der brennbaren Zellen ist aufwendig und teuer, von Asien nach Deutschland dauert es per Schiff einen Monat – Just-in-time-Anlieferung nicht garantiert.
Deutschland habe seine Batterieproduktion vor Jahren auch aus Umweltschutzgründen „vom Hof gejagt“, meint Wechsler. Asiatische Elektrokonzerne stiegen in die Elektrochemie ein, weil sie Batteriezellen für ihre Handys und Laptops brauchten. Inzwischen haben sie sich viel Know-how erarbeitet: Die richtige Mixtur der Rohstoffe, das fehlerfreie Beschichten der Alu- und Kupferfolien in hohem Tempo – „das ist Hightech“, sagt Möller.
„Lithium-Ionen-Batterien werden mindestens 20 Jahre noch das Maß der Dinge sein“, glaubt Möller. Die deutschen Autobauer müssten ihre Herstellung im Detail verstehen. „Dafür muss man nicht gleich eine Gigafactory aufbauen.“ Die Autokonzerne investieren gerade viel Geld in E-Autos und Digitalisierung – und Elektrochemie ist nicht gerade ihre Kernkompetenz. Aber sie halten sich noch alle Optionen offen, ebenso wie der Zulieferer Continental.
Vielleicht bei der nächsten Zell-Generation? Bosch dagegen ist ausgestiegen: 20 Milliarden Euro wären nötig, um einen wettbewerbsfähigen Marktanteil zu erreichen – und ob sich das je rechnen würde, sei fraglich.
Ist Ihr Projekt in Thüringen auch ein Signal aus Peking an die Deutschen, dass China hierzulande nicht nur Technologiefirmen kauft, sondern der Zug auch in umgekehrte Richtung fährt?
Nein. Wir sind ein hundertprozentiges Privatunternehmen. Wir bekommen null Unterstützung oder Anweisungen vom Staat, sondern riskieren hier das Geld unserer Aktionäre. Aber wir sehen gute Chancen, dass es klappt.
Wann wird die Fabrik in Thüringen profitabel sein?
Ich hoffe, vom ersten Tag an. In der ersten Phase investieren wir 240 Millionen Euro, und dann geht es je nach Kundenbedarf weiter. Platz ist genug da. Ich bin optimistisch.