Batteriezellen für E-Autos aus Salzgitter VW-Boss Diess geht einen kühnen, aber notwendigen Weg

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Bosch und Conti winken ab, VW macht es nun

Doch die Asiaten haben mehrere Jahre Vorsprung in der Li-Ionen-Technologie. Weil es sich beim nötigen Knowhow weniger um Grundlagenforschung aus dem Labor als um Prozessknowhow handelt, ist der Rückstand ohne eigene Fabrik nicht aufzuholen. Trotz des immensen Drucks aus der Politik, und obwohl Peter Altmaier inzwischen sogar mit Subventionen in Milliardenhöhe winkt, hatten die infrage kommenden deutschen Konzerne zuletzt immer wieder abgewunken. Sowohl Vertreter von Bosch als auch von Continental sitzen zwar seit Jahren in Findungskommissionen der Ministerien für Forschung und Wirtschaft. Doch sie scheuen die hohen Anfangsinvestitionen.

Diess will nun eine Milliarde Euro für das eigene Zellwerk in Salzgitter locker machen. Damit würde die Fabrik aber zunächst nur rund ein Zehntel des Zellbedarfs des größten Autoherstellers der Welt decken. VW fährt daher eine radikale Multi-Sourcing-Strategie. In den USA, wo das Werk in Chattanooga ebenfalls bald Zellen bauen soll, arbeitet VW mit dem koreanischen Konzern SK Innovation zusammen. Daneben beziehen die Wolfsburger auch Zellen von LG und CATL. Der chinesische CATL-Konzern hat sich in kürzester Zeit und mit Rückendeckung des Pekinger Politbüros von der Nummer acht zur Nummer zwei im globalen Zelloligopol hochgearbeitet – und baut gerade in Erfurt die erste Massen-Zellfertigung in Deutschland auf.

Branchenexperten schätzen, dass VW alleine demnächst rund 105 Gigawattstunden Zellkapazität pro Jahr benötigt. Zum Vergleich: Die weltweit größte Zellfertigung von Tesla und Panasonic in Nevada liefert zurzeit rund 35 Gigawattstunden. Tesla versorgt damit rund 500.000 E-Autos pro Jahr.

Nicht ohne einen Partner

„Ein Autobauer kann die Zellproduktion vollständig vertikal integrieren. Ein Zulieferer kann das nicht“, sagte Bosch-Sprecher René Ziegler der WirtschaftsWoche. „Wir haben für uns und unsere Situation entschieden und immer gesagt, dass es für andere Unternehmen anders aussehen kann.“

Anders als Bosch oder Conti geht VW nicht in Konkurrenz zu den Zellherstellern, sondern setzt in Salzgitter auf einen Partner: das schwedische Akku-Start-up Northvolt, an dem sich VW auch mit Eigenkapital beteiligen wird. Im Kern ist das der Weg, den Tesla mit dem Partner Panasonic in der Gigafactory eingeschlagen hat. So geben Tesla und VW zwar einen Teil der Wertschöpfung ab, verhindern aber zugleich, dass der Aufbau einer eigenen Zellfabrik zu lange dauert und zu viel kostet. Auch die VW-LKW-Tochter Scania hat sich bereits einen erheblichen Teil der in Nordschweden geplanten Zellproduktion von Northvolt gesichert.

„VW macht da im Prinzip das einzig Gangbare“, sagt Sven Bauer, Chef des größten unabhängigen Akkuproduzenten BMZ. Auch Bauer arbeitet mit Partnern aus der Industrie an einer eigenen Zellfertigung, das von ihm geführte Konsortium hat sich – wie inzwischen auch Opel mit seiner französischen Mutter PSA – bei Altmaier um die ausgeschriebenen Fördermilliarden beworben.

Dennoch ist Volkswagens Partnerschaft mit dem Start-up Northvolt, das von Ex-Tesla-Batteriefachleuten gegründet wurde und in Nord-Schweden in der Nähe wichtiger Batterierohstoffminen sitzt, riskanter als die Partnerschaft mit einem etablierten Batteriekonzern wie Panasonic. „Die Qualität wird nicht aus dem Stand das Niveau der Etablierten wie Samsung oder Panasonic erreichen“, schätzt Dirk Harbecke, Chairman des kanadischen Lithium-Produzenten Rocktech Lithium. „Aber mit dem Geld von VW können die eher kleinen VW-Partner natürlich einiges anfangen.“ Außerdem, so Harbecke, komme aus den vielen neuen Gigafactorys in China auch nicht „immer gleich Tesla-Qualität.“ VW und seine Partner hätten nun „ein paar Jahre Zeit“, an der Zellfertigung zu arbeiten.

VWs Einstieg komme auf keinen Fall zu früh, meint Professor Martin Winter, Batterieforscher am Helmholtz-Zentrum, der Uni Münster und dem Forschungszentrum Jülich. „Im Gegenteil, es ist eher schon ein bisschen spät, vor allem die chinesischen Hersteller gehen sehr aggressiv vor und werben massiv Fachleute bei den Konkurrenten ab.“

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