Für Lutz-Ulrich Kubisch sind es Schätze, die er nicht heben kann. „Es ist einfach nicht genug Platz da für große Fahrzeuge“, sagt der Leiter der Abteilung Straßenverkehr des Deutschen Technikmuseums in Berlin. In die Dauerausstellung am Landwehrkanal haben es nur drei Elektroautos geschafft, darunter ein dunkelgrüner Einsitzer von Slaby-Beringer mit Holzverkleidung und Fahrradreifen aus dem Jahr 1921.
Die anderen Raritäten sind im „Dornröschenschlaf“, wie es Kubisch nennt. Leicht eingestaubt stehen sie in einem Depot, in dem früher die Schnelltriebwagen der Reichsbahn unterkamen. Ein leuchtend gelber Paketwagen, Baujahr 1928, ist dabei und ein Elektro-Spülfahrzeug, das ab 1936 staubige Straßen mit Wasser besprühte, beide vom Hersteller Bergmann aus Berlin-Wilhelmsruh.
Aus dem Schicksal der historischen Fahrzeuge lässt sich manches über die Schwierigkeiten, aber auch die Chancen der Elektromobilität von heute lernen. Deutschland befand sich wie die anderen Industrienationen in den beiden Jahrzehnten nach 1900 in einer Aufbruchstimmung und Experimentierphase, was individuelle Fortbewegungsmittel betraf. Die Elektrizität setzte sich in öffentlichen und privaten Leben durch und mit ihr kam eine Fülle von Elektrowagen auf den Markt.
Anfangs waren Elektroautos beliebter
Die beiden Berliner Unternehmen Slaby-Beringer und Bergmann gehörten zu den klingende Namen einer schnell wachsenden Elektrobranche mit AEG und Siemens an der Spitze. Wie New York in den USA entwickelte sich Berlin in Europa zur „Elektropolis“, erzählt Autoexperte Kubisch. Fast alle damals in Deutschland hergestellten Elektrowagen kamen aus Berlin. Heute will die Metropolenregion als eines von vier „Schaufenstern Elektromobilität“ Forschung und Nutzung wieder voranbringen.
Die Strommobile waren anfangs beliebter als ihre Konkurrenten mit Verbrennungsmotor. Sie stanken und ratterten nicht und mussten auch nicht mühsam per Handkurbel angeworfen werden. Und Sprit stand damals noch nicht in großen Mengen zur Verfügung. Doch hatten die Stromer von Beginn an Nachteile: Mit einer Ladung kamen sie oft nur 50 bis 80 Kilometer weit. „Die schweren Bleibatterien mussten nachts in der Garage aufgeladen werden“, blickt Kubisch zurück.
Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen
Noch sind die reinen E-Autos deutlich teurer als ihre Benzin-Pendants. Ein Beispiel: Der E-Golf von Volkswagen ist ab 35 000 Euro zu haben. Ein Golf mit vergleichbarer Ausstattung kostet nur 24 150 Euro. Doch das könnte sich ändern. Laut Berechnungen des Ingenieurbüros P3 sind Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar im Vorteil. Dabei werden neue Batterien zu Grunde gelegt, die einen höheren Nickelanteil vorweisen.
Die Batterietechnologie, die für den Preis verantwortlich ist, ist auch der Grund für einen weiteren Knackpunkt: Für den E-Golf gibt Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern an. Für eine Fahrt in den Urlaub dürfte das kaum reichen, zumal die Zahl der Ladepunkte in Deutschland im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen noch klein ist. Auch das dürfte sich aber mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Vor allem auf dem Land kann die geringe Reichweite zum Problem werden. Deutschland liegt laut der Nationalen Plattform Elektromobilität mit 4800 Ladepunkten an 2400 Standorten im internationalen Mittelfeld. Nach dem Willen der EU Kommission sollen bis 2020 in Deutschland 150 000 öffentlich zugängliche Ladestationen entstehen. Zum Vergleich: Laut ADAC lag die Zahl der herkömmlichen Tankstellen 2013 bei 14 328.
Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich schon lange offen für eine Förderung von E-Autos aus. Das müssen nicht unbedingt finanzielle Anreize sein: Der Bundestag erlaubte jüngst Städten und Gemeinden, kostenlose Parkplätze für E-Autos zu reservieren und ihnen die Nutzung von Busspuren zu erlauben. Ob das ausreicht, zweifelt unter anderem VDA-Präsident Matthias Wissmann an. Er fordert finanzielle Impulse - wie zum Beispiel Sonderabschreibungsregeln für Firmenwagen. In anderen Ländern wie den USA, China oder Frankreich bekommen Käufer Cash vom Staat beim Kauf eines E-Autos.
Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rollten Ende 2014 knapp 19 000 reine E-Autos auf deutschen Straßen. Die Zahl der sogenannten Plug-In-Hybride, die die Bundesregierung zu den E-Autos zählt und die sowohl an der klassischen Tankstelle als auch an der Steckdose betankt werden, lag bei 108 000. Insgesamt waren 44,4 Millionen Pkw in Deutschland unterwegs. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million elektrisch betriebenen E-Autos bis 2020 liegt damit noch in weiter Ferne. An der Auswahl kann es nicht liegen: Im vergangenen Jahr kamen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) 17 neue Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. 2015 sollen noch einmal zwölf weitere hinzukommen. Selbst der elektroskeptische Porsche-Chef plant offenbar mit einem E-Auto: Zuletzt schloss Müller nicht mehr aus, dass das bis Ende des Jahrzehnts geplante nächste Porsche-Modell rein elektrisch betrieben wird.
So gewannen innerhalb weniger Jahre doch die Benziner und Diesel die Oberhand. Nur sie ermöglichten längere Überlandfahrten, und schon bald war auch Sprit ausreichend vorhanden und bezahlbar. Ein Jahrhundert später zwingt der Klimawandel zu umweltfreundlicheren Techniken. Es ist die zweite Chance für das Elektroauto, doch der Weg zurück in die Zukunft ist dornig.
Die Modelle des Jahres 2015 besitzen leistungsstärkere, langlebigere Lithium-Ionen-Akkus. Ein E-Golf oder ein BMW i3 haben eine Reichweite von rund 150 Kilometern. Das ist deutlich mehr als vor 100 Jahren, aber für eine Reise noch immer zu wenig. Das Aufladen dauert mehrere Stunden, ein dichtes Netz an Ladestationen fehlt noch. Viel zu teuer für den Massenmarkt sind die Strom-Pkw außerdem. „Die Zeit ist noch nicht reif, dass sich diese Antriebstechnologie durchsetzt“, sagt deshalb Porsche-Vorstandschef Matthias Müller.
So scheint das Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektromobilen auf deutschen Straßen bis zum Jahr 2020 kaum noch erreichbar. Ende 2014 waren gerade einmal 19 000 Fahrzeuge nur mit Elektroantrieb zugelassen. Hinzu kamen 108 000 Hybridautos, die einen zusätzlichen Brennstoffmotor besitzen. Deutet sich da schon das zweite Scheitern an? Nicht unbedingt. Die Akkus dürften besser und billiger werden - und Kraftstoff langfristig immer teurer.
Der Autohistoriker Kubisch weist darauf hin, dass Elektrowagen in ihrer kurzen Blütezeit ab 1910 in größerer Zahl vor allem als Taxis oder Lieferwagen unterwegs waren. In eine ähnliche Richtung denkt heute die Autobranche. Sie dringt darauf, dass öffentliche Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen, wenn sie ihre Fuhrparks erneuern. Wenn so erst einmal einige Zehntausend Stromautos auf die Straße kämen, zögen viele andere nach, hofft Autoverbandspräsident Matthias Wissmann.