
Es war eine harte Überschrift, die die WirtschaftsWoche im März 2010 über einer großen Story platzierte: „Auto? Nein, danke!“. Junge Menschen, so der Tenor des Artikels, verlieren das Interesse am eigenen Auto. Mancher Leser aus der Autoindustrie schluckte schwer bei dieser Überschrift. Das eigene Auto soll kein Traum mehr sein für junge Leute? Das sei nicht mehr als ein „gefühlter Trend“, beschwerten sich Automanager bei der WirtschaftsWoche. Mit Daten ließe sich die Entwicklung nicht belegen.
Am gestrigen Dienstag, genau drei Jahre nach dem Erscheinen des Artikels, legte BMW in München die Geschäftszahlen für das vergangene Jahr vor. Am Vorabend der Bilanzpressekonferenz lud der Autobauer Journalisten aus aller Welt zu einem Empfang in die BMW-Welt ein. Keynote-Speaker des Abends war die Soziologie-Professorin Juliet Schor vom Boston College in den USA. Die Konsumexpertin sprach über den „Megatrend Nachhaltigkeit“ und präsentierte Zahlen, die man eher nicht auf einer öffentlichen Veranstaltung eines Autobauers vermuten würde: Zahlen, die zeigen, wie abgekühlt selbst im Land der Straßenkreuzer das Verhältnis zum Automobil ist.
Mobilität ja, Auto nein!
Hatten in den 80er-Jahren noch rund 70 Prozent der 17-jährigen Amerikaner einen Führerschein, sind es heute nur 50 Prozent. Auch in höheren Altersgruppen registrierte die Forscherin Rückgänge um 10 bis 20 Prozent. Es gibt nicht nur weniger Führerscheininhaber, es wird auch weniger gefahren: Obwohl die Bevölkerung in den USA wächst, sinkt die Zahl der insgesamt in Autos zurückgelegten Kilometer Jahr für Jahr.
Die US-Daten bestätigen Trends in Deutschland und Japan: Die Menschen wollen mobil sein, aber nicht unbedingt im eigenen Auto. Platzmangel in den Städten, Staus, hohe Kosten, das schlechte Image des Autos als Klimakiller – die Gründe sind vielfältig für die Abkehr vom Automobil. Die jungen Menschen in westlichen Industrieländern sind dabei die Trendsetter, denen die Autofahrer in den Schwellenländern folgen werden. Denn auch dort wohnen immer mehr Menschen in Städten, auch dort werden lange Staus und hohe Spritkosten zunehmend zum Problem. Die Folgen von Luftverschmutzung und Klimawandel sind dort noch stärker zu spüren als im wohlhabenden Westen.





Aus alldem macht BMW kein Geheimnis. Offen wie nie zuvor sprachen die Münchner das Thema bei der Bilanzpressekonferenz an und präsentierten ihre Lösung: Nachhaltig gebaute und betriebene Autos, die zugleich komfortabel und eindrucksvoll designt sind. Sie sollen den Glamour des Automobils zurückbringen. Das Credo von BMW-Chef Norbert Reithofer: Grün ist das neue Premium.
Ganz unabhängig davon, ob die Rechnung aufgehen kann – wie ernst ist es den einstigen PS-Protzen aus dem Münchner Vierzylinder überhaupt mit dem neuen Kurs? Alles nur Greenwashing, das dazu dient, umweltbeseelte Kunden und Politiker milde zu stimmen bis der Klimawandel durch ein anderes Hype-Thema abgelöst wird?