Die Infotainment-Systeme, die zahlreichen Assistenzsysteme und auch teil- oder vollelektrifizierte Antriebe machen das Auto zu einem sehr komplexen Software-Konstrukt. Werden wir in einigen Jahren vermehrt Rückrufe wegen IT-Problemen erleben?
Heute sind etwa 90 Prozent der Innovationen über Software realisiert. Wir holen seit Jahren Software- und IT-Spezialisten in unser Unternehmen, die das notwendige Know-How zu den neuesten Technologien mitbringen. Damit können wir sicher sein, dass wir bestmöglich vorbereitet sind und wir keine technischen Aktionen zu erwarten haben. Bei Tests und Absicherungen steht die Software auf einem Level mit der Elektronik und der Mechanik. In den drei Jahren Entwicklungszeit für ein neues Fahrzeug wird die Software auf denselben Standard wie alle BMW Premium Produkte gebracht.
Die Innovationszyklen in der Consumer Electronics, etwa bei Smartphones, ist aber deutlich kürzer als drei Jahre. Können durch die Verbindung mit neuen Geräten Probleme und Sicherheitslücken entstehen?
Die Smartphone-Industrie hat Entwicklungszyklen von neun bis 18 Monaten. Um möglichst viele von den neuen Funktionalitäten im Auto nutzen zu können, haben wir ein Update über einen USB-Stick eingeführt. Wenn an Weihnachten ein neues Smartphone unter dem Baum liegt, bekommen Sie auf unserer Homepage den neuesten Treiber und laden diesen auf einen USB-Stick, mit dem Sie das Fahrzeug updaten. Damit verkürzen wir die Entwicklungszeit in diesem Bereich auf drei Monate, so dass der Kunde sein neuestes Smartphone in seinem BMW auch sofort nutzen kann.
BMW bietet inzwischen teilautonome Stauassistenten an. Wann ist mit hochautomatisierten Systemen zu rechnen?
Das hochautomatisierte Fahren ist kein Urknall, den wir zu erwarten haben. Ich bin vor zwei Jahren mit einem unserer Forschungsfahrzeuge bereits von München zum Flughafen hochautomatisiert gefahren und musste während der ganzen Fahrt keine Hand am Lenkrad haben. Bis das an den Kunden geht, dauert es aber noch einige Jahre. Wir haben vergangenes Jahr unseren Stauassistenten vorgestellt. Zudem haben wir bereits das vollautomatisierte Parken in Serie. Der Schritt vom heutigen teilautomatisierten zum hochautomatisierten Fahren wird nicht aus einem großen Sprung, sondern zahlreichen kleinen Neuheiten bestehen.
Wie werden diese Schritte aussehen?
Wir werden irgendwann autonom ins Parkhaus fahren oder in die Privatgarage. Dann werden wir auch bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn hochautomatisiert unterwegs sein, bis es sich auf immer mehr Bereiche ausweitet. Die Freude am Fahren bleibt voll bestehen: in belastenden Situationen wie zum Beispiel einem Stau unterstützt das System und wenn Sie Fahrspass haben möchten, schalten Sie das System einfach ab und fahren selbst, so wie jetzt auch.
Müssen für das autonome – und vermutlich unfallfreie – Fahren politische und juristische Grundlagen geschaffen werden, bevor die Technik in die Großserie gehen kann?
Die kürzlich erschienene Lockerung der Wiener Konvention ist ein erster richtiger Schritt hin zu einigen erforderlichen Anpassungen bei Zulassungsregeln und der Straßenverkehrsordnung. Es gibt auch in den USA erste Staaten, die erste Regelungen dazu getroffen haben. Wir brauchen aber auch in Deutschland und Europa die politische Unterstützung, dass wir irgendwann hochautomatisiert fahren können.
Ein nächster Schritt wäre es, wenn die Autos untereinander und mit der Infrastruktur kommunizieren könnten. Wie schätzen Sie die Chancen der Car-to-X-Kommunikation für Serienautos ein?
Wenn wir von einer Vernetzung der Fahrzeuge sprechen, brauchen wir ein Backend. Mit dieser Plattform muss das Fahrzeug kommunizieren können. Mit unserem ConnectedDrive-System haben wir das vor 15 Jahren begonnen. Alle BMWs haben eine integrierte SIM-Karte, über die wir Online-Dienste anbieten. Über diese Verbindung bieten wir aber beispielsweise auch Real-Time-Traffic-Informationen an. Wir haben heute über zwei Millionen Fahrzeuge vernetzt, deren Stau-Informationen auf einem BMW-Backend landen. Wir glauben, dass wir für die nächsten Jahre gut gerüstet sind, wenn ein Fahrzeug etwas dem BMW-Backend meldet und so der ganzen Flotte zur Verfügung stellt. Eine Konnektivität mit der Infrastruktur ist aber um Klassen schwieriger, weil irgendjemand die Kosten tragen muss.
Aber so kann nur ein BMW von BMW-Daten profitieren?
Heute wäre das noch so, ja.