Borgward-Comeback Borgward sucht Europa – braucht aber China

Borgward arbeitet weiter am Comeback: In Bremen soll ein Werk entstehen, mit einem französischen Zulieferer wurde jetzt ein Vertrag unterzeichnet. Um Europa sollte sich Borgward aber nicht zu sehr bemühen – über den Erfolg wird woanders entschieden.

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Borgward BX7 Quelle: Montage

Selbst für den Glanz und Glamour der Autoindustrie war es sehr ungewöhnlich, was sich auf dem Genfer Autosalon 2015 abspielte: Auf der notorisch überbuchten Automesse, wo sich selbst Branchengrößen mit kleineren Präsentationsflächen begnügen, buchte ein Unternehmen stolze 400 Quadratmeter – ohne ein einziges Auto zu zeigen.

Die Rede ist von Borgward. Jener deutschen Auto-Ikone, die einst größer und bedeutsamer als Daimler war – und jetzt unter der Führung des Gründerenkels Christian Borgward den Neuanfang versucht.

Begeisterung und Skepsis hielten sich ungefähr die Waage. In den Jahren zuvor hatten sich viele vollmundige Ankündigungen als Luftnummern erwiesen, gefeierte Messe-Stars waren schnell wieder verschwunden. Etwa Qoros, das mithilfe europäischer Autoexperten ansehnliche Autos baute, aber derartig auf dem Heimatmarkt floppte, dass der Sprung nach Europa abgeblasen wurde. Oder Quant, das mit neuartigen Flusszellen das Ladeproblem von Batterie-Elektroautos lösen wollte. Oder die deutschen Motorradmarken Horex und MZ, deren groß angekündigten Comebacks grandios scheiterten.

Dem Borgward wird neues Leben eingehaucht
Für Auto-Fans in aller Welt ist Borgward bis heute unvergessen – als Marke, die sogar Mercedes Paroli bot. Kein Wunder deshalb, dass sich immer wieder Prinzen fanden, die die schöne Bremerin aus ihrem Dornröschenschlaf holen wollten. Den vielleicht ernsthaftesten Versuch unternimmt jetzt Christian Borgward, der Marke und Modellen seines Großvaters neues Leben einhauchen will ... Quelle: PR
Geld verdiente Borgward auch mit den Goliath-Transportern, hier ein F400 aus dem Jahr 1935 Quelle: Autodrom
Der Entrepreneur eröffnete 1938 das neu errichtete Werk Sebaldsbrück, das endlich die ersten Limousinen mit Borgward-Logo produzierte. Kurz nach Kriegsende startete in seinen bombenzerstörten Werken die Lkw-Fertigung, denn die Amerikaner bedachten ihn bereits 1945 mit einem Auftrag. Direkt nach der Währungsreform beginnt 1948 in Bremen das bundesdeutsche automobile Wirtschaftswunder. Carl Borgward startet unter den drei Marken Lloyd, Goliath und Borgward die Automobilproduktion. Quelle: PR
War lange Zeit erfolgreichster Kleinwagen in Deutschland: der Borgward Lloyd Alexander. Quelle: dpa
Der frisch gebackene Allein-Entrepreneur eröffnete 1938 das neu errichtete Werk Sebaldsbrück, das endlich die ersten Limousinen mit Borgward-Logo produzierte Quelle: Borgward
Dank Lloyd lag die Borgward-Gruppe Anfang der 1950er Jahre nach VW und Opel auf dem dritten Platz der deutschen Zulassungscharts und auch zum Ende des Jahrzehnts war der norddeutsche Riese noch absatzstärker als Mercedes. Borgward war Bremens Stolz und einer der bedeutendsten Arbeitgeber Nordeuropas. Vor allem als der Konzernchef 1954 mit der Isabella zum ganz großen Schlag gegen Mercedes ausholte ... Quelle: PR
Als sportliche Mittelklasselimousine gehobenen Anspruchs fand die feminin geformte Familie aus zweitürigem Stufenheck, lifestyligem Combi (unter den Lasteneseln damals eine Sensation), Cabriolet und Coupé eine freie Marktnische, die sogar von Mercedes und BMW vernachlässigt worden war. Quelle: PR

Selbst als Borgward ein halbes Jahr später auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt mit dem BX7 einen Prototyp des ersten Serienmodells präsentierte, konnten nicht alle Zweifel ausgeräumt werden. So verkündete etwa Borgward-Chef Ulrich Walker, dass man weltweit 500.000 Fahrzeuge verkaufen wolle – was Borgward in etwa auf ein Niveau mit Volvo heben würde. Nur eben ohne etabliertes Produktions-, Zulieferer- und Händlernetz.

Borgward zieht es in die alte Heimat

Auch die anfängliche Verschwiegenheit über den großen Partner im Hintergrund, den chinesischen Nutzfahrzeughersteller Beiqi Foton Motor, hat das Vertrauen in die Führung des inzwischen in Stuttgart beheimateten Unternehmens nicht erhöht.

Mittlerweile sind aber sichtbare Fortschritte zu vermelden: In Bremen, der Heimat des alten Borgward-Konzerns, wird das neue Borgward eine Fertigung aufbauen. Der Hersteller hatte Bremen in den Jahren 1949 bis 1961 zu Deutschlands nördlichster Autometropole gemacht. Anfang der 1950er Jahre stand das Unternehmen mit seinen Tochtermarken nach VW und Opel auf dem dritten Platz der deutschen Zulassungscharts. Auch zum Ende des Jahrzehnts war der norddeutsche Riese noch absatzstärker als Mercedes. Trotzdem scheiterte Borgward Anfang der 60er-Jahre aus finanziellen Gründen. Um das Ende der Bremer ranken sich seitdem Mythen und Dolchstoßlegenden. Sie sollen keine Rolle mehr spielen.



„Mit unserer Rückkehr nach Bremen schlagen wir die Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft“, sagt Walker. Er misst der Heimkehr eine symbolische Bedeutung bei, führt aber auch rationale Argumente an. Dazu zählen für den Borgward-Chef etwa die logistische Anbindung zum Überseehafen, die gute Verfügbarkeit von Fachkräften und die hervorragende Zulieferindustrie. Die gelobten Zulieferer sitzen in Bremen, weil Mercedes dort in dem ehemaligen Borgward-Werk Sebaldsbrück die C-Klasse fertigt – und das Werk künftig in die Produktionsstätte des Elektro-Erstlingswerks EQ ausbaut.

Borgward plant wie Daimler die Fertigung eines Elektro-SUV. „Beide Vorhaben haben zwar zunächst eine überschaubare Größenordnung, die geplanten Stückzahlen sind nicht annähernd mit der ebenfalls in Bremen gebauten C-Klasse zu vergleichen. Aber hier tut sich die Chance auf, die Hansestadt zu einem bundesweiten Zentrum für die neue Welt des Autos zu machen, für eine Wiedergeburt der Deutschen liebstes Kind, emissionsfrei, voll digital und vernetzt“, jubelte schon der Bremer „Weser-Kurier“.

Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den Plänen von Daimler und Borgward. Während das Mercedes-Elektroauto von Grund auf in Bremen gebaut und der Elektro-Antrieb aus dem Hamburger Werk zugeliefert wird, scheut Borgward den Aufbau eines kompletten Fahrzeugwerks im Hochlohnland Deutschland. In Bremen – der genaue Standort soll in den kommenden Wochen bekannt gegeben werden – wird nur ein Montagewerk entstehen.

Dabei sind grundsätzlich zwei Konzepte möglich, in der Autobranche „Completely Knocked Down“ (CKD) und „Semi Knocked Down“ (SKD) genannt. Bei einer CKD-Produktion wird ein Fahrzeug direkt nach der Fertigung im Stammwerk wieder auseinandergenommen, verschifft und im Montagewerk wieder zusammengesetzt. Damit sollen üblicherweise hohe Einfuhr-Zölle umgangen werden – so macht es zum Beispiel auch Daimler mit dem in Düsseldorf gebauten Sprinter für den US-Markt.

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