Faktencheck Brennen E-Autos wirklich öfter als Diesel und Benziner?

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Spontane Selbstentzündung nur ein Mythos?

Besonders viel mediale Aufmerksamkeit erregen brennende E-Autos, die nicht bei einem Unfall, sondern beim Laden oder gar nachts beim Parken scheinbar von selbst anfangen zu brennen. Doch diese Fälle sind extrem selten. „Häufig stellt sich nach einer scheinbar spontanen Selbstentzündung bei den Ermittlungen heraus, dass der Akku eben doch irgendwann zuvor mechanisch beschädigt wurde“, sagt Batterieforscher Winter. Von 21 Brandfällen, die von US-Feuerweheren und Staatsanwälten seit 2013 genauer untersucht wurden, waren elf die direkte Folge eines Verkehrsunfalles. Bei sechs weiteren stellte sich heraus, dass der Akku doch zuvor beschädigt wurde, meist ohne, dass der Besitzer dies merkte – oder es zugeben wollte.

„Es gibt, wenn auch sehr selten, auch Spontanbrände“, sagt Winter. Die gibt es auch bei Benzinern und Dieseln. Fast immer sind sie auf Produktionsfehler der Hersteller zurückzuführen, wenn eine Ursache ermittelt werden kann. So kann eine unsauber gefertigte Zelle zum Beispiel schief geschnitten oder unsachgemäß gewickelt worden sein; dann könnten im Ernstfall positiv und negativ geladene Teile der Zelle in Kontakt kommen. „Die gleiche Wirkung haben kleine Metallspäne, die beim Schneiden in das Innere der Zelle geplant sind“, erklärt Winter. Diese Fälle sind aber extrem selten. Nicht zuletzt betonen Experten wie Winter seit Jahren, wie wichtig Fertigungs- und Prozess-Knowhow in der Zellfertigung sind. Damit eben kein Ausschuss in die Autoakkus gelangt.

Eindeutige Statistik

Eine Schlüsselrolle spielt das Battery Management System (BMS). Auch die Batterie-Technologie selbst hat noch Verbesserungspotenzial. Festkörper (mit festem statt flüssigem Elektrolyten) dürften ab Mitte der 2020er Jahre in Serie gehen und nochmals geringere Brandrisiken ausweisen.

Auch beim brennenden Audi diese Woche war es wohl ein banaler Fertigungsfehler, der die Rückrufaktion nötigt machte: Ein Teil des Kabelbaums sei schlampig montiert gewesen; dadurch sei wahrscheinlich Feuchtigkeit in die Batterie gelangt. Ein banaler Rückruf, wie er weltweit Jahr für Jahr hunderttausende von Verbrennern betrifft.

Trotz aller potenziellen Gefahren: Statistisch brennen E-Autos bei weitem seltener als Benziner und Diesel. Beim klassischen Auto gelten 90 Fahrzeugbrände pro eine Milliarde gefahrener Kilometer als normal. Laut einer Statistik der amerikanischen Autobahnfeuerwehr kommt Tesla nur zwei Brände pro einer Milliarde Kilometer. Eine andere Untersuchung von 2018 setzt die brennenden Stromer nicht ins Verhältnis zu den gefahrenen Kilometern, sondern zur Zahl der Autos insgesamt. Sie zählte 21 brennende Elektroautos; das waren 20 Mal weniger Brände als bei Benzin- und Dieselautos. Die Aussagefähigkeit solcher Statistiken ist zwar wegen der geringen Zahl der Brände bei E-Autos noch nicht sehr gut. Gefährlicher als Benziner scheinen sie aber keinesfalls zu sein, eher im Gegenteil.

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