Trotz steigender Inflation und einer zunehmend schwierigen weltpolitischen Lage zeigt der Elektromobilitätsmarkt weiterhin ein dynamisches Wachstum und steigende Verkaufszahlen. Einschließlich September 2022 wurden in Deutschland mehr als eine halbe Million Elektrofahrzeuge (BEV, PHEV) verkauft. In der gemeinschaftlichen Studie “Electric Car Market & Innovation Report 2022„ untersucht YouGov zusammen mit dem Center of Automotive Management (CAM) die Entwicklungen des Elektromobilitätsmarkt in Deutschland, die Kaufabsichten der deutschen Verbraucher und die innovationsstärksten Marken. Zu deren Ermittlung wurde die in der Studie erhobene Innovationswahrnehmung in Relation zur durch das CAM ermittelten realen Innovationsstärke der E-Auto-Hersteller gesetzt. Anhand von Vergleichsdaten aus der letztjährigen Studienwelle – den entsprechenden Beitrag in der WiWo finden Sie hier – lässt sich zudem die Entwicklung gegenüber dem Vorjahr abbilden.
Deutsche Autobauer holen auf
Der US-amerikanische E-Autobauer Tesla bleibt im Bereich der durch das CAM ermittelten realen Innovationsstärke mit 190 Indexpunkten die unangefochtene Nummer 1 und führt so wie in der letztjährigen Studie die Liste der innovationsstärksten E-Autobauer an. Mit deutlichem Abstand landet der chinesische Konkurrent BYD auf dem zweiten Platz, dicht gefolgt von Mercedes-Benz. Der deutsche Hersteller konnte sich im Vorjahresvergleich stark verbessern. Als Grund hierfür sieht die Studie vor allem den neuen EQE. Das Fahrzeug setzt neue Bestmarken in der Mittelklasse bei Ladeleistung, Reichweite und Stromverbrauch. Auch der Wettbewerb unter den deutschen Autobauern kann den Innovations-Index-Score gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessern. Plätze in den Top 5 sichern sich Porsche (Platz 4) und Audi (Platz 5).
Obwohl Tesla sowohl bei der „realen Innovationsstärke“ als auch bei der durch YouGov erhobenen Innovationswahrnehmung unter den Verbrauchern die klare Nummer 1 ist, zeigen sich im Vergleich zur Vorjahresstudie zwischen den beiden Rankings deutliche Unterschiede: Während beispielsweise Polestar bei der realen Innovationsstärke nur Platz 19 belegt, landet der Autobauer bei der Innovationswahrnehmung unter deutschen Verbrauchern auf dem zweiten Platz. Die deutschen Autobauer können bei der Innovationswahrnehmung unter den Verbrauchern ebenfalls punkten. BMW, Mercedes-Benz und Audi zeigen im Vergleich zu 2021 große Verbesserungen, während Volkswagen in der Wahrnehmung im Vergleich weiterhin zurückliegt. Neben den deutschen Autobauern finden sich viele asiatische Hersteller, wie BYD, Nio und viele mehr, unter den Top 12 des Innovationswahrnehmungs-Rankings. Einen der Gründe sieht Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des CAM und Co-Autor der Studie darin, dass sich der Wettbewerb rund um die E-Mobilität intensiviert und sich durch sie die Kaufpräferenzen der Verbraucher verschieben.
Hieraus resultiert für die etablierten Hersteller die Gefahr, an Bedeutung zu verlieren, da sich neue Marken besser und schneller platzieren zu können, ohne den Ballast der vom Verbraucher über Jahrzehnte gelernten Markenpositionierung umarbeiten zu müssen.
Tesla vor dem Abstieg?
Tesla behauptet seit Jahren eine Top-Position auf dem E-Auto-Markt und positioniert sich bei Konsumenten oft auch als Sinnbild für elektrische Automobilität. Die Studie zeigt, dass Tesla aus Konsumentensicht in allen entscheidenden Dimensionen für E-Mobilität überzeugt: Innovationsfähigkeit, Erfahrung und Dominanz. Die großen deutschen Hersteller, wie Mercedes-Benz oder Volkswagen, überzeugen dagegen mit allgemeiner technischer Exzellenz, können sich jedoch in den Augen der Verbraucher nicht so erfolgreich im Bereich E-Mobilität positionieren. Doch Teslas unangreifbares Image täuscht: Obwohl das Unternehmen unter Verbrauchern seine Position als Innovationsführer behaupten kann, schrumpft der Abstand zu den Konkurrenten mittlerweile deutlich. Hervorzuheben ist hier BMW: Die Marke konnte sich im Jahresvergleich am stärksten verbessern. Die Innovationswahrnehmung unter den Verbrauchern stieg deutlich an, das heißt, das Unternehmen wird nun wesentlich stärker mit dem Thema Elektromobilität assoziiert als im Vorjahr.
Die Daten zeigen zudem, dass die allgemeine Markenwahrnehmung von Tesla unter Pkw-Haushaltsentscheidern in den letzten Jahren deutlich absank und dieses Jahr erstmals im negativen Bereich liegt. Deutsche Autobauer, wie Volkswagen, dagegen konnten ihre allgemeine Markenwahrnehmung stark verbessern. Volkswagen liegt mittlerweile über dem Sektor-Durchschnitt in Deutschland. Die Studie zeigt einen weiteren Trend: Neben Tesla und den deutschen Top-Marken platzieren sich hierzulande auch immer häufiger asiatische E-Auto-Marken in der Wahrnehmung der Verbraucher. Der Wettbewerb um die Gunst der E-Autokäufer diversifiziert sich zunehmend, auch wenn die Marktanteile im Vergleich noch sehr gering sind.
Schneller schlau: Was Sie über E-Fuels wissen müssen
Mit E-Fuels sind in der Regel verschiedene kohlenstoffhaltige Kraftstoffe gemeint, die mit Hilfe von grünem Strom aus den Rohstoffen Wasser und CO2 hergestellt werden. Sie ähneln chemisch sehr stark konventionellem Diesel beziehungsweise Benzin, lassen sich daher ohne großen Änderungsaufwand über bestehende Tankstellen vertreiben und in konventionellen Motoren verbrennen. Letzteres erfolgt in der Theorie dann klimaneutral, wenn nur so viel CO2 frei wird, wie zuvor hineingesteckt wurde.
So gut das in den Ohren vieler Autofahrer klingen mag, gibt es doch ein Problem: der hohe Energieaufwand in der Herstellung. Er macht die E-Fuels teuer und mindert den Wirkungsgrad im Vergleich mit der Nutzung der gleichen Energie im E-Auto deutlich.
Solange grüner Strom nicht im Überfluss zur Verfügung steht, dürften es die synthetischen Kraftstoffe im Pkw-Bereich also schwer haben. Auch, weil der Privatwagen bei der Verfügbarkeit von E-Fuels in Konkurrenz zu Schiffen, Zügen und Flugzeugen steht.
Besonders günstig wird das Tanken des Designer-Sprits unter momentanen Bedingungen nicht – die Literkosten würden wohl deutlich über den heutigen von Diesel und Benzin liegen.
Denkbar ist aber nicht nur der Verkauf von E-Fuel in Reinform, sondern auch eine Beimischung zu Mineralölkraftstoff, um dessen Klimabilanz zu verbessern. Konkrete Planungen dazu gibt es aber bisher noch nicht.
(Stand: 26. Juli 2023)
Bislang sind E-Fuels noch an keiner Tankstelle zu bekommen. Die Produktion des klimaneutralen Sprits steckt noch in der Pilotphase. Bis nennenswerte Mengen zur Verfügung stehen, wird es noch dauern.
(Stand: 26. Juli 2023)
Anforderungen: Reichweite und Alltagstauglichkeit wichtiger als Motorleistung
Den Automobilherstellern gelingt es im Allgemeinen recht gut, die reale Innovationsstärke im Bereich Elektromobilität auch in den Wahrnehmungsraum der Konsumenten zu transferieren. Die wichtigste Baustelle der Anbieter ist dabei weiterhin die Erfahrung der Verbraucher und potenziellen Käufer mit elektrischer Automobilität: Immerhin hatte gegenwärtig schon ein Drittel der Haushaltsentscheider für den Pkw-Kauf konkrete Berührungspunkte (zum Beispiel durch eigenen Besitz, Test- oder Taxifahrten) mit Elektrofahrzeugen, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr von fünf Prozentpunkten. Hier gilt es, jede Möglichkeit zu nutzen, für positive Erfahrungen bei den Verbrauchern zu sorgen, um Vorbehalte weiter abzubauen.
Auch wenn die Mehrheit bisher noch keinen Kontakt mit batteriebetriebenen Fahrzeugen (BEV) hatte, gibt es dennoch bereits konkrete Vorstellungen, welche technischen Grundbedürfnisse ein BEV aufweisen sollte. Aktuell sind die präferierten Eigenschaften eines BEVs unter Pkw-Kaufentscheidern eine hohe Reichweite, auch wenn das BEV sich langsam laden lässt, und die Eignung für den Stadtverkehr. Hohe Motorleistung und eine gute Eignung für die Autobahn spielen in den Anforderungen eine geringere Rolle als bei Verbrennern.
Die Grundvoraussetzungen für die deutschen Autobauer auf dem heimischen Markt sind gut, wie unsere YouGov-Studie in Kooperation mit dem CAM zeigt. Deutsche Marken konvertieren hierzulande immer noch am besten von der Markenbekanntheit über die Kauferwägung hin zur ersten Wahl, ganz voran Volkswagen. Doch bringen sich Marken wie Tesla, Cupra Polestar, BYD und Nio, immer mehr in Position, um den etablierten Marken den Rang abzulaufen.
Wie sich der Wettlauf um die Gunst der Käufer in den nächsten Jahren entwickelt, werden unsere Daten zeigen.
Den vollständigen CAM-Report können Sie hier herunterladen.
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