Carsharing Wie der Preiskampf Carsharer ruiniert

Das geteilte Auto ist das Paradebeispiel der Share Economy. Doch der Preiskampf zwischen Car2Go, DriveNow und Co ist hart – die ersten kleineren Anbieter rutschen in die Insolvenz.

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Der Berliner Carsharing-Anbieter Citee Car ist insolvent. Quelle: Presse

„Liebe CiteeZens, wir haben kurz vor unserem dritten Geburtstag leider einen Insolvenzantrag stellen müssen. Das war in der aktuellen Situation nicht abwendbar, ermöglicht es uns aber zunächst, unseren Service für euch aufrecht zu erhalten.“ Eine kurze Mitteilung, die es in sich hat: Der Berliner Carsharing-Anbieter Citee Car ist gescheitert.

Erst 2012 war Citee Car in das Boom-Segment der Share Economy eingestiegen. Das Auto, das 90 Prozent des Tages nur rumsteht, kann besser genutzt werden. „Inspiriert von Low-Cost-Airlines wollen wir Carsharing grundlegend verändern“, sagte Citee-Car-Gründer Mauro Mariani noch im Jahr 2014. „Indem wir durch einen extrem günstigen Preis das Preisalibi wegnehmen und Carsharing so einfach zugänglich machen, wie nie zuvor, denken wir, ein Wegbereiter hin zum Massenprodukt zu sein.“ 2016 will sich Mariani auch auf Anfrage nicht mehr äußern.

Warum nutzen Sie Carsharing?

Keine zwei Jahre später ist Marianis Idee mit der vorläufigen Insolvenz gescheitert. Trotz des niedrigen Preises – 2014 gewannen die Berliner noch Preise als günstigster Anbieter – hat es Citee Car nicht geschafft, im Wettbewerb gegen Carsharing-Größen wie Flinkster, Car2Go und DriveNow genügend Kunden zu gewinnen.

Citee Car gewann Vergleichstests, aber keine Kunden

Die Nutzer von Citee Car – das Unternehmen nennt sie selbst „CiteeZens“ – zahlen montags bis freitags von 0 bis 17 Uhr nur einen Euro pro Stunde, ansonsten zwei Euro – jedoch maximal 25 Euro am Tag. Da Citee Car auf eine Monatsgebühr verzichtet, zahlen die Mitglieder nur, wenn sie auch wirklich fahren. Oder besser gesagt: zahlten.

Mit solchen Argumenten konnte Citee Car zwar Tester überzeugen und Vergleiche gewinnen, aber keine Kunden. Zumindest nicht solche, die viel fahren – und entsprechend zahlen. Denn auch ein Carsharing-Auto, das nicht gefahren wird, steht nur unnütz rum.

Aus dem Stadtbild von Berlin, Hamburg, München, Köln oder Düsseldorf sind die auffällig beklebten Smarts, Minis und BMWs kaum noch wegzudenken. In den drei erstgenannten Städten war Citee Car auch aktiv – ins Gedächtnis gebrannt haben sich die weiß-violetten Toyota Yaris und Kia Rio aber kaum. Im Gegensatz zu BMWs DriveNow oder Daimlers Car2Go, bei denen die Autos quasi überall im Stadtgebiet geparkt und zurückgegeben werden können, gab es die 800 Autos von Citee Car nur an festen Wechselstationen. Die Verbreitung in der Stadt ist geringer, die Kosten aber auch – weil die Autos nicht immer wieder neu verteilt werden müssen.

Trotz des Kostenvorteils der Wechselstationen hat es Citee Car in drei Jahren nicht geschafft, Gewinne zu erzielen. „Wie bekannt ist, haben die meisten Anbieter im Carsharing-Segment Probleme, schwarze Zahlen zu schreiben – und Citee Car ist hier keine Ausnahme“, sagt der vom Amtsgericht Charlottenburg bestellte Insolvenzverwalter Philipp Hackländer von der Kanzlei White&Case. „Wenn die Investoren dann kein weiteres Geld nachschießen, ist eine Insolvenz die logische Konsequenz.“

Die Carsharing-Angebote im Überblick

Hinter Citee Car steht der Finanzinvestor Mangrove Capital. Den Luxemburgern, die auch in Outfittery und Brands4friends investiert haben, ist jetzt offenbar die Geduld ausgegangen. Auf Anfrage wollen sie sich nicht zu Citee Car äußern, doch der Geldhahn bleibt wohl zu.

Auch anderen Geldgebern scheint ein Investment in den Berliner Carsharer trotz der Bemühungen von Hackländer derzeit nicht attraktiv. „Wir sind optimistisch, zumindest einen Teil des Unternehmens an einen Investor übertragen zu können“, sagt der Insolvenzverwalter. „Es hat sich aber bisher kein Interessent gefunden, der Citee Car als Ganzes kaufen wollte.“ Schlägt bis zum 1. Februar kein Investor zu, wird das Insolvenzverfahren eröffnet und das Unternehmen abgewickelt.

Finanziell erfolgreich sind nur wenige

Der Erfolg hängt nicht zuletzt auch von den angebotenen Fahrzeugen ab. Der neue Smart, den Car2Go in die Flotten eingeführt hat, überzeugt durch einen Wendekreis mit einem Durchmesser von sieben Metern. DriveNow hat zuletzt den attraktiven Elektrowagen i3 in ausgewählte Städte gebracht – und der Mini ist bei der jungen Zielgruppe ohnehin sehr beliebt. Dagegen wirken andere Anbieter mit Kleinwagen von Alfa Romeo, Toyota oder Kia eher überholt.

Das gilt auch für die Citroën von Multicity, der Carsharing-Tochter des französischen Autokonzern PSA. Zwar fahren die Autos in Berlin – ihrem einzigen Markt – rein elektrisch, doch gegenüber seinen Wettbewerbern fallen die Franzosen zurück. So kam eine Studie der WirtschaftsWoche schon 2014 zu dem Ergebnis, dass die Erlöse pro Auto bei Multicity nur ein Drittel so hoch sind wie bei DriveNow. In der Branche hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Carsharing-Tochter nicht mehr lange durchhalten wird.

Auch das Citroën-Carsharing wackelt

Das Problem: Der Preiskampf ist groß. Wer mehr Geld verlangen will, muss auch mehr bieten – eben BMW statt Kia. Auch sogenannte Freefloat-Anbieter wie Car2Go müssen sehr effizient kalkulieren, um annähernd kostendeckend zu arbeiten. So haben die Stuttgarter im vergangenen Jahr ihr Geschäftsgebiet in Berlin und Düsseldorf verkleinert. Da die Auslastung am Stadtrand zu niedrig war, wurden ganze Viertel einfach von der Karte genommen.

Weil die Autobauer ihre Carsharing-Töchter als Teil ihres strategischen Wandels hin zu einem ganzheitlichen Mobilitätskonzern sehen, wird der ein oder andere Verlust wohl oder übel mitgetragen – den Marketing-Effekt will auch kein Automanager mehr missen. Einem Finanzinvestor, der mehr auf Rendite als auf Marketing aus ist, geht die Geduld bedeutend früher aus.

Durchschnittlicher Erlös pro Carsharing-Fahrzeug

Einer der wenigen auch finanziell erfolgreichen Anbieter ist DriveNow. Inzwischen kommt das Unternehmen, das in fünf deutschen und vier europäischen Städten präsent ist, auf mehr als 580.000 registrierte Kunden. Im vergangenen Jahr startete die Tochter von BMW und Sixt in Kopenhagen und Stockholm. Das Deutschland-Geschäft ist inzwischen profitabel. „Vor allem Berlin läuft überdurchschnittlich gut“, sagt eine Sprecherin. In allen Städten steige die Zahl der Kunden.

Der Erfolg hat sich inzwischen herum gesprochen. Musste DriveNow bis vor Kurzem bei den Stadtverwaltungen noch in Bittstellung gehen, um das eigene Modell vorzustellen und um attraktive Parkkonditionen zu feilschen, kommen heute die Städte von sich aus auf die Münchener zu. „Es gibt ein reges Interesse an unserem Angebot“, heißt es bei DriveNow. „Immer mehr Städte aus Europa wünschen sich, dass wir auch in ihrer Region Carsharing anbieten.“ Studien hätten belegt, dass nicht nur stationäres Carsharing, sondern auch One-Way-Fahrten den Stadtverkehr dauerhaft reduzieren.

Wie sich Carsharing auf die Nutzung anderer Verkehrsmittel auswirkt

Interessiert sind die Kommunen auch deshalb, weil DriveNow inzwischen zu den Vorreitern der Elektromobilität gehört. Jedes fünfte Fahrzeug bei DriveNow wird bereits elektrisch betrieben. In Kopenhagen beispielsweise besteht die Flotte komplett aus Stromern. Das Unternehmen setzt dort ausschließlich den i3 ein. Allerdings erhöht dies die Kosten für das Unternehmen. Die Auslastung der Elektrofahrzeuge liegt einerseits leicht unter den Werten bei den Verbrennern. Andererseits steigt der Aufwand für die Techniker. „Die mangelnde Ladeinfrastruktur in den Städten ist immer noch ein Problem“, so die Sprecherin. „Wir stehen mit den Städten in Gesprächen, um die Situation zu verbessern.“

DriveNow will weiter kräftig wachsen. In diesem Jahr sollen weitere Städte in Europa hinzu kommen. Anders als Car2Go setzen die Münchener aber auf vorsichtiges Wachstum. So werde zwar bald schon der Start einer zehnten Stadt gefeiert, doch Car2Go ist weltweit bereits in 31 Städten präsent. Erkennbar ist auch, dass DriveNow die Geschäftsgebiete, in denen die Autos abgestellt werden dürfen, in der Vergangenheit meist kleiner gezogen hat als bei Car2Go. Die Stuttgarter setzen eher auf Trial and Error: Wenn nötig, werden Stadtviertel wieder aus dem System genommen.

Auch Citee Car hatte 2013 sein Angebot in Potsdam bereits nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Die Auslastung war zu niedrig, die Autos konnten im benachbarten Berlin besser gebraucht werden. Dieser zwischenzeitliche Dämpfer konnte den Optimismus von Citee-Car-Gründer Mariani nicht dämpfen: „Bis 2020 werden nach Schätzung des Carsharing-Branchenverbandes BCS zwei Millionen Menschen in Deutschland Carsharing nutzen. Vielleicht schaffen wir sogar noch mehr!“

Dieser Traum ist ausgeträumt. Für die 25 Angestellten, die jetzt ihren Job verlieren, wird das auch kein Trost sein.

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