CO2-Emissionen Autos schlucken im Schnitt 42 Prozent mehr Sprit als angegeben

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Der reale Verbrauch sinkt viel zu langsam

Auf der anderen Seite ist das restliche Viertel der Diskrepanz laut ICCT auf Technologien zurückzuführen, die im Labortest einen größeren Kraftstoff-Einspareffekt zeigen als im normalen Alltagsbetrieb. Gemeint sind zum Beispiel die Start-Stopp-Technologie, sowie das Abschalten der Klimaanlage während des offiziellen CO2- und Verbrauchstests.

Auffällig ist, dass die Diskrepanz mit der zunehmend strengeren Regulierung gestiegen ist. 2008 einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten auf eine CO2-Regulierung für Neufahrzeuge. Seither sind die offiziellen CO2-Emissionswerte der Pkw-Flotte einzelner Hersteller deutlich schneller gesunken als in den Jahren zuvor. Im Jahr 2015 lag der durchschnittliche CO2-Ausstoß neuer Fahrzeugmodelle laut ICCT schon bei 120 Gramm pro Kilometer. Das Ziel der Regulierung für 2015, ein Flottenwert von 130 Gramm pro Kilometer, wurde bereits zwei Jahre im Voraus erfüllt.



Auf der Straße aber sind die erzielten CO2-Reduktionen seit 2001 nur etwa halb so hoch wie anhand der Zertifizierungswerte zu erwarten (siehe Grafik). „Insbesondere in den letzten Jahren wurden in der Realität kaum noch Fortschritte erzielt“, schreibt das Institut in einer Mitteilung.

ICCT hatte den Abgas-Skandal bei Volkswagen ausgelöst, indem das Institut die US-Umweltbehörde EPA über abweichende Werte informierte. Im September 2015 hatte Volkswagen dann zugeben müssen, dass weltweit bei rund elf Millionen Dieselfahrzeugen mehrerer Marken eine Manipulations-Software eingesetzt wurde, die den Stickoxid-Ausstoß im Testbetrieb niedriger auswies.

Welche Schadstoffe im Abgas stecken

Für VW geht es heute längst nicht mehr nur um Stickoxide: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt im Fall VW unter anderem auch wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung gegen sechs Beschuldigte. Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe von der Staatsanwaltschaft Braunschweig sagt, dass VW Ende 2015 in einer Mitteilung von „Unregelmäßigkeiten“ bei CO2-Emissionen gesprochen habe, denen von Seiten VW nachgegangen würde. „Diese Informationen, die uns von VW auch zugänglich gemacht wurden, sowie weitere Erkenntnisse haben uns dann in die Pflicht gebracht, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen und zu bejahen“, sagt Ziehe.

Schließlich ist es relevant für die Höhe der Kfz-Steuer, wie viel CO2 ein Auto ausstößt – je geringer der Ausstoß, desto weniger Steuer zahlt der Autofahrer. Auch der VW-Tochter Audi droht unter Umständen noch Ärger mit der Justiz: Die Staatsanwaltschaft München II prüft „im Rahmen von Vorermittlungen, ob ein Anfangsverdacht für strafbare Handlungen im Zusammenhang mit der Abgasaffäre“ bei Audi bestehe. „Diese Vorermittlungen sind noch nicht abgeschlossen“, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit.

Sollte sich herausstellen, dass Autobauer nicht nur Tricks in der rechtlichen Grauzone angewendet haben, sondern sie auf breiter Front die CO2-Werte manipulieren, droht der Branche ein düsteres Erwachen.

Mock und andere fordern jedenfalls schon jetzt, dass weitere Schritte nötig seien, um ein Auseinanderdriften von Labor- und Alltagswerten zu verhindern. Er will Straßentests unter realen Fahrbedingungen einführen. „Zudem bedarf es systematischer Nachtests von Serienfahrzeugen durch unabhängige Stellen“, so Mock.

Es wird Zeit, dass was passiert.

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