Wenn Sie jetzt – die Hände entspannt im Schoß, statt am Lenkrad – über einen vierspurigen Boulevard gleiten, linker Hand fasziniert die Springbrunnen des Bellagio-Hotels beobachten, sehen wie die Fontänen in die Höhe schießen und sie mit einer läppischen Handbewegung das Schiebdach ihrer elektrisch angetriebenen und leise dahin summenden Limousine öffnen, dann, ja dann sind sie entweder im Autohimmel – oder in Las Vegas. Willkommen in der Stadt der Spieler, Träumer und Autonarren.
Die Trends der CES 2016
Das vernetzte Zuhause ist noch nicht breit im Alltag angekommen - aber in Las Vegas werden wieder Hunderte Geräte zu sehen sein, die sich miteinander und mit dem Internet verbinden lassen. So will Samsung einen Kühlschrank mit einem riesigen Display vorstellen, wie vom Blog „The Verge“ aufgespürte Werbebanner zeigen. Ein Problem bleibt oft die Kommunikation zwischen Technik verschiedener Anbieter - einheitliche Standards wie in anderen Elektro-Bereichen gibt es nicht. Das Problem soll gelöst werden durch die direkte Kooperation der Hersteller, offene Schnittstellen sowie Onlinedienste, die im „Internet der Dinge“ als eine Art Vermittler auftreten.
Für die Nutzer oft unsichtbar, werten Computer in der Cloud eine Vielzahl von Daten aus, um sich besser an ihre Bedürfnisse anzupassen. Das Ergebnis sollen zum Beispiel schlaue Messenger-Dienste sein, die Fragen beantworten oder kleine Aufgaben wie eine Restaurant-Reservierung erfüllen können. Facebook experimentiert damit in dem Dienst „M“ in seinem Messenger, Google soll auch daran arbeiten. Einige Geräte auf der CES werden auf Amazons Sprach-Assistenten Alexa zurückgreifen.
Vor einem Jahr sorgte Intel-Chef Brian Krzanich für Aufsehen auf der CES mit kleinen Fluggeräten, die auch beweglichen Hindernissen ausweichen können. Inzwischen können das immer mehr Drohnen. Das chinesische Branchen-Schwergewicht DJI testet ein Geofencing-System, dass die Drohnen automatisch von für sie verbotenen Zonen zum Beispiel um Flughäfen fernhalten soll.
Hartnäckig halten sich Gerüchte, Apple könnte beim nächsten iPhone ganz auf einen klassischen Ohrhörer-Stecker verzichten und dafür auf seinen digitalen Lightning-Anschluss setzen. Außerdem breitet sich in immer mehr Geräten der neue USB-C-Anschluss aus, über den Daten und auch Ladestrom übertragen werden können.
Autos werden von Jahr zu Jahr mehr zu rollenden Rechnern – Navigation, Infotainment- und Fahrassistenzsysteme benötigen kilometerweise Kabel, dutzende Steuerungseinheiten und Millionen Zeilen Software-Code. Welcher Ort könnte also besser geeignet sein, um sich als Hersteller mit Visionen zu präsentieren als die Consumer Electronics Show vor der fulminanten Kulisse der Glitzer-und Glitter-Metropole Las Vegas.
VW-Vorstand Diess hält die Keynote
Nie war die Ausstellungsfläche für den Bereich Smart Car größer als in diesem Jahr. 19.000 Quadratmeter vollgepackt mit den neuesten Entwicklungen aus dem Feld des automatisierten und autonomen Fahrens, elektrischer Antriebskonzepte, Cloud-Lösungen, neuer Bedienkonzepte für das Cockpit und so weiter und so fort. Das Gedränge dürfte groß werden; 170.000 Besucher werden vom 6. bis 9. Januar erwartet.
Zu den Keynote-Speaker gehören traditionell auch Top-Manager aus der Automobilsektor. In diesem Jahr für VW-Markenvorstand die Reihe vor, die Audi-Chef Rupert Stadler und Daimler-Vorstand Dieter Zetsche in den Vorjahren begonnen haben. Es ist der erste große öffentliche Auftritt des VW-Managers in den USA nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals. Doch nicht nur deshalb wird er mit Spannung erwartet. Volkswagen hat die Studie eines E-Fahrzeugs angekündigt (Details siehe unten). Auch die Chefin des amerikanischen Autokonzerns General Motors Mary Barra zählt zu den Top Acts der Show und mischt sich damit unter Größen der digitalisierten Welt wie Netflix-Chef Reed Hastings oder IBM-Chef Ginni Rometty.
Ja, hier in Las Vegas ist spürbar, wie nahe Auto- und IT-Welt in den letzte Jahren bereits zusammengerückt sind und in naher Zukunft noch weiter zusammenrücken werden – teils als Partner, teils als Rivalen. Und immer öfter betreten neue Spieler die Bühne – in diesem Jahr das kalifornisch-chinesische Start-up Faraday. Damit zu den wichtigsten Trends der CES 2016:
Elektroautos
VW-Chef Diess wird einen elektrischen Mini-Bus enthüllen. Angeblich unter dem Namen „Budd-e“ zeigen die Wolfsburger wie erschwingliche elektrische Langstreckenmobilität in Zukunft aussehen soll. Wohl 2018 soll der elektrische Bulli auf den Markt kommen. GM-Chefin Mary Barra bringt mit der Hausmarke Chevrolet den ersten vollelektrischen Kompaktwagen Bolt nach Las Vegas mit. BMW wird aller Voraussicht nach mit einer seriennahen Version des Hybrid-Sportwagens i8 Spyder anrollen, die Schweizer Hersteller Rinspeed bringt den futuristischen Sportwagen Etos (auf i8-Basis) – unter anderem mit einfaltbarem Lenkrad und Drohnenlandeplatz auf dem Heck mit.
Die meisten Spekulationen heizt zweifelsohne der Auftritt von Faraday Future an. Das Unternehmen wird nach ein Elektro-Auto vorstellen. Wie es aussehen könnte, ist allerdings völlig offen. Auch über das Unternehmen selbst ist kaum etwas bekannt. Das kalifornische Start up versteht sich als mehr als Mobilitätsanbieter denn als klassischer E-Auto-Hersteller. Angeblich plant Faraday bis zu sieben verschiedene Modelle, die je nach Bedarf geliehen werden können. Der Kunde kauft ein Kilometerkontingent und wählt die Art des fahrbaren Untersatzes nach Bedarf. Roland Berger-Partner Wolfgang Bernhart rechnet derartigen Angeboten gute Chancen aus: „Die bisherigen Carsharing und Mietauto-Konzepte werden sich zunehmend in Mobility-on-demand und pay-per-ride-Konzepte mit selbstfahrenden Autos wandeln.“
Ob Apple hinter dem Unternehmen steckt oder doch der chinesische Milliardär Jia Yueting – man weiß es nicht, Gerüchte gibt es viele. Da jedoch mindestens eine Milliarde Euro chinesisches Kapital in Faraday steckt, nehmen viele den Tesla-Herausforderer ernst.
Selbstfahrende Autos und berührungslose Bedienkonzepte
Keiner der großen Zulieferer Bosch, Continental, ZF, Delphi und Valeo würde es wagen ohne zumindest eine Neuheit auf diesem Gebiet nach Las Vegas zu reisen. Im Gepäck haben sie jede Menge neuer Sicherheitsfeatures wie den e-horizon von Continental, der Fahrzeugen hilft vorausschauenden zu lenken. Dank der von tausenden Fahrzeugen gesammelten Daten, die das Auto aus einer Cloud abruft, „sieht“ ein Auto um die Ecke oder kann die Straßenverhältnisse hinter einer Kuppe vorhersehen. Konkurrent Bosch zeigt unter anderem seinen Autobahn-Piloten, den die Stuttgarter voraussichtlich 2020 in Serie bringen wollen. Damit sollen lange Autofahren noch bequemer und sicherer werden.
Der US-Zulieferer Delphi stellt seinen gesamten Messeauftritt unter das Motto Auto-zu-Auto- und Auto-zu-Infrastruktur-Kommunikation. Fahrzeugen sollen zum Beispiel Daten über Straßenverhältnisse, Unfälle oder Staus rasend schnell austauschen können. Auch mit Ampeln sollen Autos bald kommunizieren können. Eine entsprechende Anlage möchte Delphi demnächst am Deutschlandsitz in Wuppertal installieren.
Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos
Autopiloten sind in Flugzeugen Standard. Auch in Schiffen übernimmt zumindest außerhalb der Häfen oft der Computer das Ruder. Am Ende geht es auch beim autonomen Fahren um einen Autopiloten, der das Fahrzeug steuert. Doch der Autoverkehr ist komplex. Auf der Autobahn können die Prototypen der Industrie bereits ohne größere Probleme ohne Eingriffe des Fahrers unterwegs sein. Im Stadtverkehr wird es schon schwieriger. Halbautomatische Funktionen sind allerdings inzwischen Alltag. Ob Tempomaten, Einparkhilfen, Stauassistenten oder Abstandsregler - viele Funktionen entlasten den Fahrer bereits. Auch etwa Mähdrescher können längst eigenständig über das Feld fahren.
Eins der wichtigsten Argumente ist die Sicherheit. Die meisten Unfälle gehen auf Fahrfehler zurück. Weit oben in der Statistik: zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand oder Abbiegefehler. Automatisch gesteuerte Autos würden solche Fehler minimieren. Denn Risikofreude, Spaß an der Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung kennt ein Computer nicht. Er bremst, wenn der Abstand zu gering wird und nimmt nicht aus Unachtsamkeit anderen die Vorfahrt.
Die Entwicklung ist recht weit fortgeschritten. BMW etwa testet seit Jahren automatisch fahrende Autos, auch auf deutschen Autobahnen. Die Fahrzeuge können auch eigenständig überholen. Solche Tests müssen sich die Hersteller aber von Behörden genehmigen lassen. Audi ließ jüngst zur US-Technikmesse CES einen Wagen „autonom“ rund 900 Kilometer aus dem Silicon Valley nach Las Vegas fahren. Auch Daimler präsentierte auf der CES seine Vision für ein selbstfahrendes Auto der Zukunft. Der silberne Mercedes-Prototyp fuhr autonom auf die Bühne nach einer Tour durch die Wüste und die Hotel-Meile der Glücksspiel-Stadt. Zumindest für die Autobahn können sich manche Hersteller pilotiertes Fahren bereits in fünf bis sieben Jahren vorstellen.
Hier beginnen die Schwierigkeiten jenseits der Technik. Die erste Hürde ist das „Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr“ von 1968, das die Basis für die meisten Verkehrsregelungen ist. Darin gibt es zwar Hinweise zu Zugtieren, aber von selbstfahrenden Autos ist nicht die Rede. Dafür aber davon, dass jedes Auto einen Fahrer braucht, der am Ende verantwortlich ist. Dass Autofahrer am Ende Verantwortung und Kontrolle völlig abgeben werden, gilt eher als unwahrscheinlich. Noch fehlen dafür aber Regeln und Gesetze. Bei den bisher fahrenden Prototypen auf normalen Strecken müssen in Deutschland die Fahrer darauf geschult sein.
Europas größter Versicherer, die Allianz, würde auch selbstfahrende Autos versichern. Allerdings würde sich die Risikoeinschätzung ändern, denn das Risiko verlagere sich vom menschlichen Fehler des Fahrers zum Entwickler der Autopiloten. Allerdings glauben die Versicherer nicht daran, dass es vollständig selbstfahrende Auto geben wird. Ein Fahrer werde auch künftig einen Führerschein brauchen, und das Gefährt im Notfall oder in Situationen wo es nötig ist, kontrollieren zu können.
Sicherlich auch, um Kunden mit immer ausgereifteren Extras zu locken. Doch daneben spielt auch die mögliche Konkurrenz durch andere Spieler eine Rolle. So arbeitet etwa auch der Internetkonzern Google seit einigen Jahren an selbstfahrenden Autos.
Die Unternehmensberatung Roland Berger geht davon aus, dass der Markt für Car-to-X-Vernetzungstechnik und die für autonomes Fahren nötige Sensorik bis 2030 ein Umsatzvolumen von 30 bis 40 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Die Software für Autos könnte bis zu 20 Milliarden US-Dollar Umsatz generieren.
Berührungslose Bedienkonzepte
Der Autofahrer der Zukunft dreht und drückt nicht – er wedelt. Nun, er gibt natürlich höchst akkurate Zeichen mit der flachen Hand, die dem Navigationssystem, der Musik-Anlage oder der Freisprecheinrichtung anweisen, was zu tun ist. Lauter, leiser, Zielort auswählen, Adresse ändern, Anruf annehmen und vieles mehr. Dafür schickt BMW sein Vision Car ins Rennen. Das neue Bedienkonzept funktioniert in erster Linie mit Gesten. Einen Vorgeschmack gab bereits der neue BMW 7er, dessen Infotainmentsystem bereits einige Hand-Befehle versteht. Auch bei VW setzt man auf Wisch- und Weg-Bewegungen. All das soll dazu dienen, den Fahrer mit der Konzentration auf der Straße zu halten und sich nicht mit zu viel Dreh-Drück-Gefummele abzulenken.
Abseits der Auto-Neuheiten erwarten die Messe-Besucher in diesem Jahr besonders viele Neuheiten rund um die Themen virtuelle Realität, Drohnen, 4K-TV aber auch Baby- und Beauty-Tech.
Besuchern mit ausgeprägtem Spieltrieb dürfte es also auch in den Hallen der Consumer Electronics Show in Las Vegas an nichts fehlen.