




WirtschaftsWoche Online: Herr Degenhart, was halten Sie von dem Vorwurf, die deutsche Industrie, weil führend beim Verbrennungsmotor, habe das Thema Elektromobilität vernachlässigt?
Elmar Degenhart: Das ist Unsinn. Deutsche Hersteller und Zulieferer spielen bei Patenten vorne mit, wir sind weltweit Technologieführer. Die deutsche Industrie hat sich beim Thema Elektromobilität intelligent verhalten. Timing ist wichtig: Wer zu früh dran ist, verbrennt Milliarden, wer zu spät kommt, verliert den Markt. Beides kann ich hierzulande nicht erkennen.
Wachsen den deutschen Autobauern mit Apple, Google und Tesla nicht gefährliche Konkurrenten heran?
Abwarten. Obwohl sie sich sehr intensiv damit beschäftigten, haben viele wohl den Aufwand für die Industrialisierung der Produktion unterschätzt. Schauen Sie sich die jüngsten Entscheidungen von Apple an.
Apple will sich offenbar auf eine Plattform für selbstfahrende Autos konzentrieren und hat beim Autoprojekt Mitarbeiter entlassen. Erledigt ist das iCar damit aber nicht.
Nein. Apple tickt so ähnlich wie die Autoindustrie – damit meine ich das Potenzial, Autos zu entwickeln und dann bauen zu lassen. Apple ist in der Lage für Hardware ein hervorragendes Design zu entwickeln. Und sie schaffen es, nicht selbst in diese investieren zu müssen, sondern lassen das Dritte tun. Google dagegen wird kein Auto bauen, das sagen wir seit sechs Jahren. Sie sind ein Softwareunternehmen, das an den Daten interessiert ist, die im Auto generiert werden.

Und Tesla?
Tesla muss beweisen, in der Lage zu sein, Geld zu verdienen. Tesla hat einen tollen Job gemacht – als Start-up ein Auto mit einer solchen Akzeptanz auf die Straße zu stellen und derartige Impulse für Elektromobilität zu setzen, das finde ich bewundernswert. In Sachen automatisiertes Fahren müssen sie aber aufholen.
Helfen Sie Tesla dabei?
Wir liefern zwar Produkte an Tesla, aber keine Assistenzsysteme.
Wie läuft das Geschäft mit Assistenzsystemen zum autonomen Fahren?
Fahrerassistenzsysteme sind der am schnellsten wachsende Produktbereich. Noch vor ein paar Jahren haben wir damit null Umsatz gemacht. In diesem Jahr setzen wir mit Sensorik und Software zum assistierten Fahren 1,2 Milliarden Euro um, 2020 werden es mehr als zwei Milliarden sein – das umfasst aber nur die Umsätze mit Sensoren. Wenn wir unser Geschäft mit Produkten zur Vernetzung mit anderen Autos und der Kommunikation des Autos mit dem Fahrer hinzunehmen, werden es bereits drei Milliarden Euro, und das ist nicht das Ende.
Selbstfahrende Autos in Serie gibt es noch nicht. Woran verdienen Sie heute?
An Systemen, bei denen das Auto zum Beispiel im Stau selber anfährt und bremst. Mittelfristig geht es aber darum, dass das Auto sich selbst steuert. Dazu brauchen wir weitere Sensoren, mit denen das Auto sehen kann. Wir haben daher vor Kurzem eine Sparte von Advanced Scientific Concepts aus Kalifornien gekauft. Die Kollegen dort haben sich auf Lasersensoren spezialisiert. Damit ein Auto allein fahren kann, brauchen wir neben Radar- und Kameratechnologie diese Systeme, weil der Lasersensor am besten Konturen erkennt. Er kann ein Tier von einem Menschen unterscheiden und nachts bei Nebel sehen. Wir wollen solche Lasersensoren 2020 auf den Markt bringen.